- Interview mit Henry Siemons
- Continental ist Innovations- und Technologieführer bei Reifen für Fahrzeugveredler
- Breiter ist besser – auch im Winter
Herr Siemons, welchen Stellenwert hat die Essen Motor Show für den Reifenhersteller Continental?
Continental ist Innovations- und Technologieführer im Tuning-Segment. Der brandneue SportContact 6 unterstreicht die besondere Marktstellung im Bereich sportiver Reifen für Supersportler und setzt ein weiteres Ausrufezeichen für alle tuningaffinen Autofahrer, die sich im Premiumsegment nur mit der besten Lösung zufrieden geben. Das belegen auch die aktuellen Reifentests der Fachpresse. In Essen treffen wir auf ein fahrzeug- und fahrzeugzubehörinteressiertes Publikum mit einem extrem hohen Qualitätsanspruch. Diesem Qualitätsanspruch werden die Produkte von Continental in besonderer Weise gerecht. Insofern ist die Präsenz von Continental in Essen Ausdruck der besonderen Marktstellung. Darüber hinaus belegen Umfragen des Verbandes der Automobil-Tuner, dass Messen für Endverbraucher gleich nach dem Internet die zweitwichtigste Informationsquelle darstellen und an Bedeutung zuletzt sogar noch gewonnen haben.
Was macht den neuen Continental SportContact 6 aus Ihrer Sicht so besonders?
Der SportContact 6 ist ein völlig neues Produkt, für das die Techniker die chemische Zusammensetzung der Lauffläche, das Profildesign sowie die Reifenkonstruktion quasi neu erfunden haben. Kernelemente der innovativen Neuentwicklung sind ein besonderer Festigkeitsträger für mehr Stabilität bei Hochgeschwindigkeitsfahrten, eine auf Basis der Black-Chilli-Technologie weiterentwickelte Hochgripmischung und die so genannte Force-Vectoring-Technologie in der Profilgestaltung.
Herausgekommen ist ein Produkt, das sowohl in der Serienproduktion der Automobilhersteller als auch im gehobenen Tuningsegment neue Maßstäbe setzt. Mit Größen zwischen 19 und 23 Zoll passt der SportContact 6 vor allem auf Spitzensportler wie den Audi R8 oder den Porsche 911 sowie auf sehr sportlich abgestimmte Fahrzeuge wie den M 5er BMW, den Mercedes AMG und den elektrisch angetriebenen, bis zu 416 PS starken Tesla S. Ein erstes Ausrufezeichen hat der Reifen bereits vor seiner offiziellen Einführung gesetzt: Honda hat die Freigabe für den neuen Civic Type R gegeben und mit ihm einen neuen Rundenrekord auf der Nordschleife am Nürburgring erzielt.
Was kann der SportContact 6, was der ContiSportContact 5 P nicht konnte?
Zum Beispiel bietet er seine extreme Performance und außerordentliche Sicherheit bei Spitzengeschwindigkeiten bis 350 Km/h. Der SportContact 6 ist dem Vorgängermodell aber auch in allen weiteren Belangen überlegen. Und das, obwohl der ContiSportContact 5 P über Jahre hinweg bei den Reifentests der Fachpresse nur Bestnoten eingefahren hat. Unter anderem konnte die Lenkpräzision gegenüber dem Vorgängermodell um 14 Prozent gesteigert werden. Das Fahrverhalten beim Handling auf trockener Strecke wurde um elf Prozent verbessert. Das Grip-Niveau bei Fahrten auf Rennstrecken legte um vier Prozent zu. Und bei den Nässeeigenschaften insgesamt liegt der neue SportContact 6 zwei Prozent über dem bisherigen Niveau. Zusätzlich erreichen Laufleistung und Komfort jeweils um sieben Prozent verbesserte Leistungseigenschaften.
Wie entwickelt sich die Tuning-Branche aus der Sicht eines Reifenherstellers?
Tuning entwickelt sich zu einem Geschäftsfeld, das nur noch reine Spezialisten dauerhaft erfolgreich betreiben können. Denn die Fahrzeughersteller bieten bereits ab Werk extreme Motorisierungen und hochwertige Ausstattungen an. Hinzu kommt – ebenfalls durch die Fahrzeughersteller – über die Jahre eine zunehmende Ausweitung des Zubehörprogramms. Je hochwertiger und individueller aber das Angebot der Fahrzeughersteller bereits ab Werk ist, desto anspruchsvoller ist die Aufgabe der Tuner im Rahmen der Veredelung. Im Zuge dieser Entwicklung sind die namhaften Tuner bereits zu großen Teilen dazu übergegangen, sich auf bestimmte Herstellermarken zu konzentrieren und bündeln auf ihrem Fachgebiet umfassendes Know-how. Die markenspezifischen Fahrzeugveredler haben sich in diesem Rahmen zu Manufakturen entwickelt, die heute weniger untereinander als vielmehr mit den Fahrzeugherstellern im Wettbewerb stehen.
Angesichts des großen Verbraucherwunsches nach Individualisierung sehe ich die Tuner in diesem Wettbewerb gut aufgestellt. Allerdings treiben die zunehmenden High-End-Lösungen Aufwand und Kosten.
Und was bedeutet das für die Reifen von Continental?
Unter anderem bedingt durch die zunehmenden Motorleistungen und die damit verbundenen gestiegenen Höchstgeschwindigkeiten der Fahrzeuge, sind die Leistungsanforderungen der führenden Fahrzeugveredler an die von ihnen verwendeten Reifen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Herkömmliche Reifen können im Tuning immer weniger eingesetzt werden. Der Entwicklungs-Aufwand für spezielle Produkte oder für Modifikationen bestehender UHP-Reifen ist enorm und kann außer von Continental nur noch von wenigen Herstellern geleistet werden. Auch das Nachfrageverhalten von Verbrauchern hat sich in den vergangenen Jahren zu Gunsten der Reifen weiter verändert. Sicherheit, Sportlichkeit und Individualität sind heute die wesentlichen Triebfedern für Fahrzeugveredelung. Die ersten beiden Aspekte können wir ganz entscheidend beeinflussen. Gleichzeitig hat der Trend zum sportlichen Wintereinsatz, den wir schon in den vergangenen Jahren beobachten konnten und als Reifenhersteller wesentlich mit geprägt haben, spürbar an Fahrt aufgenommen. Davon profitiert nun insbesondere der überaus sportliche Continental WinterContact TS 850 P, den zuletzt AutoBild sportscars (11/2015) als „vorbildlich“ und sportauto (11/2015) als „sehr empfehlenswert“ einstuften.
Wie kommt es, dass dieser Trend zum sportlichen Wintereinsatz vergleichsweise spät eingesetzt hat und offensichtlich nach wie vor Steigerungspotenzial besitzt?
Das liegt vor allem daran, dass Winterreifen lange Zeit die nötige Hochgeschwindigkeits-Tauglichkeit gefehlt hat. Der ContiWinterContact 790 V XL war im Jahr 2000 der erste Winterreifen, der für alle Pkw Geschwindigkeiten bis 240 km/h ermöglichte. Seit dem haben sich UHP-Winterreifen rasant weiterentwickelt. Moderne Wintersportler wie der WinterContact TS 850 P werden auch den extremen Ansprüchen von Kraftpaketen wie dem Porsche 911 oder dem Maserati GranSport Coupé gerecht. Der weiteren Verbreitung stehen allerdings häufig noch alte Vorurteile gegen Winterbreitreifen im Wege. Die galten gegenüber schmaleren Pneus ja lange als vergleichsweise weniger sicher. Das gilt aber für die neuen Winterreifen-Generationen nicht mehr. Das Gegenteil ist der Fall.
Autofahrer müssen umdenken und lernen, dass „immer größer, immer breiter“ auch im Winter Sinn macht?
Das ist tatsächlich so. Denn die Winterbreitreifen bieten heute mit ihrer deutlich größeren Bodenaufstandsfläche neben besseren Fahreigenschaften und kürzeren Bremswegen auch einen besseren Nassgriff als schmalere Pneus, die ihre Stärken ausschließlich im Tiefschnee ausspielen können. Doch Tiefschnee ist auf den vielbefahrenen deutschen Straßen, die zudem über einen hervorragenden Winterdienst verfügen, kaum noch anzutreffen. Deshalb gilt auch im Winter: je breiter der Reifen, desto mehr kann er leisten. Zumal sich auch Kurvenstabilität, Lenkpräzision, Fahrspurwechsel, Lastwechsel und Sportlichkeit mit zunehmender Reifenbreite verbessern. Vereinfacht betrachtet liegt das unter anderem daran, dass die Entwickler auf der größeren Bodenaufstandsfläche mehr Lamellen platzieren können als auf kleineren. Das verbessert letztlich die Haftung, auch auf Schnee. Hinzu kommt die Möglichkeit, die Profilblöcke größer auszulegen, was kürzere Bremswege zur Folge hat. Und: Je breiter der Reifen, desto besser können Lenkimpulse auf die Fahrbahn übertragen werden. So ist mit Winterreifen von Continental auf der Straße alles wie im Sommer – nur etwas kälter beim Aussteigen.