SAP Best Practices im S/4HANA-Projekt dienen niemals als vollständige Lösung
Die Schnelllebigkeit und Volatilität unserer heutigen Geschäftswelt haben Unternehmen auf der ganzen Welt dazu veranlasst, sich die digitale Transformation als Ziel zu setzen und dadurch ihre Geschäftsprozesse zu überdenken und ihre Systeme zu modernisieren. Eine der bedeutendsten Veränderungen besteht in der Migration zu SAP S/4HANA, der aktuellen Generation des Enterprise Resource Planning (ERP)-Systems von SAP. Am Anfang eines solchen Transformationsprojekts stehen Unternehmen, zusammen mit ihren Beratungspartnern, vor einem Berg an Herausforderungen und Aufgaben. SAP Best Practices sollen dabei helfen, das Rad nicht neu erfinden zu müssen und sich die Erfahrungen anderer zu Nutze machen zu können. Sie allein können allerdings niemals die vollständige Antwort sein.
SAP Best Practices sind vielmehr vorgefertigte Konfigurationen und Prozessmodelle, die von SAP entwickelt wurden, um Unternehmen bei der Implementierung von S/4HANA zu unterstützen. Sie bieten bewährte Methoden und empfohlene Vorgehensweisen, die auf branchenweiten Erfahrungen und Expertenwissen basieren. Für viele Unternehmen sind sie ein guter Startpunkt, um ihre S/4HANA-Transformation zu beginnen. Jedes Unternehmen ist allerdings einzigartig, sowohl in Bezug auf seine Geschäftsprozesse als auch auf seine spezifischen Anforderungen. Während SAP Best Practices einen wertvollen Rahmen bieten, müssen Unternehmen ihre individuellen Anforderungen und Ziele berücksichtigen, um eine erfolgreiche Transformation zu gewährleisten.
Aus diesem Grund sind die Herausforderungen im S/4HANA-Projekt vielfältig. Unternehmen müssen ihre bestehenden Systeme analysieren, um festzustellen, welche Prozesse und Funktionen übernommen, angepasst oder neu entwickelt werden müssen. So sind die Integration mit anderen Systemen, Datenmigration, Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie das Änderungsmanagement nur einige dieser Herausforderungen, die bewältigt werden müssen.
Die Grenzen von Best Practices: Kundenstimmen und Erkenntnisse
Basierend auf Gesprächen mit Unternehmen und unseren Erfahrungen haben wir einige Kundenstimmen und daraus resultierende Erkenntnisse aus Projekten zusammengestellt, die praxisnah demonstrieren, warum eine „One-Size-Fits-All“-Lösung den meisten Unternehmen nicht gerecht werden kann:
„Die Prozesse der SAP Best Practices haben oft gar nicht zu unseren tatsächlichen Abläufen gepasst!“
SAP Best Practices sind zwar eine Orientierungshilfe, passen aber in der Regel nicht zu den tatsächlichen Abläufen im Unternehmen. Jedes Unternehmen hat individuelle Prozesse, die von den generischen Best Practices abweichen können. Es ist daher wichtig, diese Unterschiede zu erkennen und anzupassen.
„Wir dachten, dass wir die SAP Best Practice Prozesse 1 zu 1 übernehmen können, deshalb haben wir erst mitten im Projekt gemerkt, dass wir Änderungen brauchen. Dafür hatten wir gar keine Zeit und Personen eingeplant!“
Fängt man erst während des Projektes an, über die Anpassung von SAP Best Practices nachzudenken, stolpert man garantiert über unerwartete Komplexität und den bislang nicht kalkulierten Zeit- und Ressourcenaufwand. So wurden ggf. die notwendigen Fachexpertinnen und -experten nicht eingeplant und es geht wertvolle Zeit verloren.
„Die SAP Best Practices haben unsere spezielle Branche überhaupt nicht widergespiegelt. Wir mussten im Projekt erstmal alles neu denken und anpassen!“
SAP Best Practices sind oft so allgemein gehalten, sodass sie nicht auf eine spezifische Branche passen. Es ist wichtig, frühzeitig zu erkennen, ob Anpassungen notwendig sind, um die individuellen Anforderungen des Unternehmens zu erfüllen.
„Als wir gemerkt haben, dass die SAP Best Practices uns nicht durchgängig alle Prozesse auf dem Silbertablett servieren, war es schon so spät, sodass unser Prozess-Design erst kurz vor dem Go-Live fertig geworden ist.“
Meist folgt erst im Laufe des Projekts das böse Erwachen, weil das Prozess-Design viel zu spät fertig wird. Es ist wichtig, frühzeitig mit der Anpassung der Best Practices zu beginnen und genügend Zeit für die Prozessgestaltung einzuplanen.
„Durch das blinde Vertrauen in die SAP Best Practices mussten wir leider bis zum Schluss an unserem Prozess-Design arbeiten, dadurch haben viele Testfälle in den Testphasen und wichtige Inhalte in den Trainingsunterlagen gefehlt!“
Verlässt man sich auf SAP Best Practices und führt erst spät Prozessänderungen durch, fehlen meist einige notwendige Testfälle in den Testphasen und wichtige Inhalte für die Trainingsunterlagen. Es ist ratsam, frühzeitig mit der Anpassung und Überprüfung der Prozesse zu beginnen, um genügend Zeit für Tests und Schulungen zu haben.
„Unsere Projektteams und User haben gemerkt, dass wir bis zum Schluss am Prozess-Design arbeiten mussten. Dadurch waren sie sehr verunsichert und konnten die neuen Prozesse nicht ausreichend akzeptieren!“
Sobald zukünftige User mitbekommen, dass die Best Practices nicht ausreichend sind und bis zum Schluss Prozesse geändert werden, verlieren sie das Vertrauen und die notwendige Akzeptanz für die Prozesse kann nicht entstehen. Es ist wichtig, die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig einzubeziehen, ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen und ihnen Veränderungen zu erklären, um ihr Vertrauen und ihre Unterstützung zu gewinnen.
Individuelle Anpassung und erfahrene Berater:innen als Schlüssel zum Erfolg
Schon aus den wenigen auserwählten Kundenstimmen wird deutlich, dass es für Unternehmen unabdingbar ist, die SAP Best Practices lediglich als Ausgangspunkt für ihr S/4HANA-Projekt zu betrachten. Erst nachdem diese an die spezifischen Bedürfnisse des eigenen Unternehmens angepasst werden, kann das umfangreiche Transformationsprojekt erfolgreich abgewickelt werden.
Dies erfordert eine gründliche Analyse der Geschäftsprozesse, eine enge Zusammenarbeit mit den betroffenen Abteilungen und eine klare Strategie, um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen. Es ist wichtig, dass Unternehmen die Expertise interner oder externer Beraterinnen und Berater nutzen, um sicherzustellen, dass ihre individuellen Anforderungen erfüllt werden. Die Beratungsunternehmen sollten ihren Kunden sagen, wie aus ihrer Erfahrung die SAP-Prozesse in der Realität wirklich laufen und aufgesetzt werden. Sie müssen verstanden haben, an welchen Stellen die SAP Best Practices nicht ausreichend sind und um eigene Best Practice Prozesse ergänzt oder durch sie ersetzt werden sollten. Das erfordert viel Projekt- und Branchenerfahrung, auch um die Vielzahl neuer Funktionen und Möglichkeiten von SAP S/4HANA nutzbringend einzusetzen.
Eingebettet in die Phasen der Projektmethodik SAP Activate und im Zusammenspiel mit dem Prozessmanagement-Tool SAP Signavio sind SAP Best Practices ein wertvolles Werkzeug bei der S/4HANA-Transformation. Sie bieten einen Leitfaden und bewährte Vorgehensweisen, die Unternehmen sich zu Nutze machen können. Allerdings sollten sie nicht als die einzige Wahrheit betrachtet werden. Unternehmen müssen ihre individuellen Herausforderungen und Ziele berücksichtigen, um die Transformation erfolgreich zu gestalten. Dazu gehört ein Beratungspartner, der genügend Expertise und Spaß daran hat, diese Individualität nutzbringend in das S/4HANA-System zu übertragen.