Nach den bekannt gewordenen Zahlungen bzw. Forderungen für die Verwertung von Presseveröffentlichungen in anderen Märkten – Australien rund 100 Millionen Euro; Kanada rund 400 Millionen Euro – ordnet sich die geforderte Summe im internationalen Vergleich ein. In Frankreich hatte die dortige Kartellbehörde kürzlich Google zu einer Zahlung von 500 Millionen Euro verurteilt. Das Unternehmen hatte entgegen der behördlichen Anordnung mit den Presseverlegern nicht konstruktiv über die Vergütung für das französische Presseleistungsschutzrecht – das wie das deutsche auf der EU-Urheberrechtsrichtlinie basiert – verhandelt.
Auf das Online-Angebot einer mittelgroßen überregionalen Zeitung mit einer Reichweite von rund 30 Millionen Visits pro Monat würden nach dieser Lizenzierung Erlöse von rund 15 Millionen Euro pro Jahr entfallen. Diese können sich durch die Abschlüsse weiterer Lizenzverträge noch erhöhen. Dafür hat Corint Media Facebook zu Verhandlungen aufgerufen, mit Microsoft und weiteren Nutzern befindet sich Corint Media bereits in Gesprächen.
Prof. Dr. Norbert Flechsig, Urheberrechtswissenschaftler und Mitautor zahlreicher Kommentare zum Urheberrecht: "Die Forderung nach einer angemessenen Vergütung von Rechteinhabern für die Online-Nutzung ist strukturell kein neuer Fall für die Urheberrechtswissenschaft. Wenn Urheber im Buchbereich als regelmäßige Lizenzvergütung mindestens 15 % des Verkaufspreises an der Theke erhalten, dann können 11 % der Umsätze von Google für sämtliche deutschen Presseverleger nur als Untergrenze eines angemessenen Entgelts bezeichnet werden. Schließlich ist das urheber- und leistungsgeschützte redaktionelle Schaffen in diesem Vergütungsanspruch enthalten, weil eben diese Redakteure hieran anteilig vergütet werden müssen. Nur mit einer solchen angemessen erscheinenden Vergütung erscheint auch Vertragsparität gegeben, die der deutsche Gesetzgeber im Verhältnis zwischen Presseverlegern und Suchmaschinenbetreibern nicht außer Kraft setzen wollte.“ (Ausführliches Zitat weiter unten.)
Axel Voss, MdEP, Berichterstatter für die EU-Urheberrechtsrichtlinie: „Vom Presseleistungsschutzrecht müssen alle Verleger profitieren, das ist der Wille des Europäischen Gesetzgebers. Die Einnahmen sollen die Verlage und damit die Meinungs- und Pressevielfalt absichern und auch eine Beteiligung der Journalisten gewährleisten. Jeder Versuch, dieses robuste Recht zu umgehen, widerspricht dem Zweck der Regelung und ist abzulehnen.“
Markus Runde und Christoph Schwennicke, Geschäftsführer Corint Media: „Mit diesem Angebot gehen die Verhandlungen mit der größten Plattform, die Presse-Inhalte nutzt, in die entscheidende Phase. Das Recht ist da, es ist europäisch legitimiert und findet über die EU hinaus Zustimmung. Nun geht es darum, sehr bald und sehr transparent einen Preis festzulegen, der der Bedeutung der gesamten Presse im Netz gerecht wird.“
Zum Hintergrund Prof. Dr. Flechsig:
Prof. Dr. Norbert P. Flechsig ist Urheberrechtswissenschaftler und Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Flechsig war Lehrbeauftragter an den Universitäten und Hochschulen Tübingen, Stuttgart, Ludwigsburg und Ravensburg-Weingarten – u.a. jeweils im Bereich Urheberrecht. Als Wissenschaftler ist er Autor u.a. des „Handbuch des Urheberrechts“ und des „Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht“ – beides Standardwerke in ihrem jeweiligen Gebiet. Flechsig zum geforderten Vergütungssatz:
"Die Forderung nach einer angemessenen Vergütung von Rechteinhabern mit Aufkommen des Internet – vor allem vorliegend der Vergütung des absoluten, ausschließlichen Leistungsschutzrechts des Presseverlegers, seine Presseveröffentlichung in Gänze oder in Teilen für die Online-Nutzung durch Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft öffentlich zugänglich zu machen und zu vervielfältigen – gegenüber Suchmaschinen ist strukturell kein neuer Fall für die Urheberrechtswissenschaft. Literatur und Rechtsprechung beschäftigen sich seit über 100 Jahren mit diesem Thema. Wenn Urheber im Buchbereich als regelmäßige Lizenzvergütung mindestens 15 % des Verkaufspreises an der Theke erhalten, dann können 11 % der Umsätze von Suchmaschinenbetreibern aus ihrem Betrieb in Deutschland für sämtliche deutschen Presseverleger – das urheber- und leistungsgeschützte redaktionelle Schaffen ist in diesem festzusetzenden Vergütungsanspruch enthalten, weil eben diese Redakteure hieran anteilig vergütet werden müssen (§ 87k UrhG) – nur als Untergrenze eines angemessenen Entgelts bezeichnet werden.
Nur mit einer solchen angemessenen Vergütung erscheint auch Vertragsparität gegeben, die der Gesetzgeber im Verhältnis zwischen Presseverlegern und Suchmaschinenbetreibern herstellen wollte. Geht man von geschätzt 9 Milliarden Euro Umsatz von Google in Deutschland im Jahr 2020 aus, dann erscheint eine angenommene Lizenzsumme von 990 Millionen Euro p.a. für sämtliche nationalen Presseverleger und Redakteure, also sämtliche diesbezüglichen Rechteinhaber in Deutschland, angesichts dieser exorbitanten Umsätze in unserem Lande eher gering. Gehört es zu den Hauptaufgaben von Verwertungs-gesellschaften allgemein, angemessene Vergütungen von den Vergütungspflichtigen einzufordern und diese an die von ihnen jeweils vertretenen Berechtigten weiterzuleiten, dann darf dieser Vergütungsanspruch gegenüber Suchmaschinenbetreibern hinter anderweitigen Vergütungsansprüchen – etwa gegenüber dem Nachdruck in Pressespiegeln, den Nachmeldungen, den Vervielfältigungen von Schriftwerken, sonstigen Betreibervergütungen oder der Gerätevergütung – nicht unangemessen zurückbleiben."