Brasilien ist das Land mit den drittmeisten Coronafällen weltweit. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im Jahr 2020 wohl um 5,8 % und soll in diesem Jahr um 2,8 % steigen. Dieses Szenario könnte aber angesichts der Pandemieentwicklung zu optimistisch sein. Tatsächlich wird das Impfprogramm nur schrittweise stattfinden und 25 % der Bevölkerung im ersten Halbjahr erreichen. Logistik, Impfresistenz und die offene Skepsis von Präsident Bolsonaro sind hohe Hürden. Die anhaltende zweite Welle wird die Wirtschaft hart treffen. Ein weiteres Abwärtsrisiko besteht in der Rücknahme des riesigen Fiskalpakets, das 2020 das Ausmaß der Rezession in vielen lateinamerikanischen Ländern abgemildert hat.
Bolsonaro wird voraussichtlich mit dem Wiederaufleben des Virus und den für 2022 geplanten Präsidentschaftswahlen wahrscheinlich vorübergehend einige Geldtransfers auf moderatem Niveau verlängern und auch steuerliche Maßnahmen ergreifen, um Bedenken der Märkte hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen auszuräumen und die Kreditkosten zu senken. Angesichts der weiter steigenden Staatsverschuldung und der höheren langfristigen Renditen von Staatsanleihen hat Brasilien zunehmend günstigere kurzfristige Schulden emittiert, um den Finanzierungsbedarf zu decken. Die schlechten öffentlichen Finanzen Brasiliens bleiben in den kommenden Jahren ein großes Risiko und beeinträchtigen das Wachstumspotenzial.
Das Wachstum im laufenden Jahr wird auch gehemmt durch 10 Millionen Netto-Arbeitsplatzverluste zwischen Januar und November 2020 und eine Arbeitslostenquote von 14 %. Der private Konsum bleibt niedrig, Unterehmen investieren in unsicherem Wirtschaftsklima vorsichtiger. Positiv zu vermerken ist, dass die weltweite Nachfrage für die brasilianische Wirtschaft im Jahr 2021 günstig sein dürfte. China dürfte die Rohstoffnachfrage erhöhen, die Erholung der USA könnte zu einem außenwirtschatlichen Aufschwung führen.
Auch Brasiliens Außenpolitik hat wirtschaftliche Bedeutung. Die beschleunigte Entwaldung des Amazonasgebiets hat Bedenken der Anleger und das Reputationsrisiko erhöht, während die EU und die USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden voraussichtlich mehr Druck auf die Verknüpfung von Klima- und Handelspolitik ausüben werden.
Im aktuellen wirtschaftlichen Kontext stuft Credendo Brasilien in der höchsten Risikokategorie (C/C) ein. Dies erklärt sich aus der tiefsten Rezession seit drei Jahrzehnten, einer Verschlechterung der Zahlungsbilanz der Unternehmen und dem wenig stabilen brasiliansichen Real.
Der Zinssatz der Zentralbank wird wohl noch länger auf einem Allzeittief von 2 % bleiben und damit unter der Inflation von 4 % liegen. Die Kreditvergabe an Banken dürfte erhöht werden. Daher sind die Ratingaussichten kurzfristig stabil und könnten sich in der zweiten Jahreshälfte 2021 verbessern. Das kurzfristige politische Risikorating sieht Credendo bei 3/7. Dies spiegelt die gute Liquiditätsposition Brasiliens wider. Der Ausblick könnte sich binnen Jahresfrist von stabil auf positiv entwicklen.
"Wir begleiten unsere Kunden gerne bei ihren Engagements in Brasilien und haben auch noch freie Deckungskapazitäten", sagte Credendo-Deutschlandchef Karsten Koch in Wiesbaden.