Bezogen auf das Gesamtjahr 2023 ergibt sich damit immer noch eine Zunahme von 32 % (2023 Gesamt: 363 | 2022: 275 | +88 Fälle). Und auch dieser Anstieg wurde in den letzten 23 Jahren lediglich einmal übertroffen - vor 21 Jahren (2002: +49,8 %).
„Immer mehr Firmen brechen unter den Dauerbelastungen der hohen Energiepreise und Zinskosten zusammen“, erläutert André Becker, Mitglied der Geschäftsleitung der Creditreform Düsseldorf / Neuss. Die Anzahl der betrieblichen Insolvenzfälle liegt jetzt über dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre mit 355 Insolvenzen. Und: „Die Fallzahlen sind inzwischen nicht mehr durch die Sondereffekte aus der Corona-Zeit beeinflusst“, so André Becker weiter. „Im Vergleich zu 2019 haben sich die Rahmenbedingungen für die Unternehmen signifikant verschlechtert und der wirtschaftspolitische Schlingerkurs verunsichert zusätzlich. Massive Kostensteigerungen, hohe Zinsen und eine schwache Nachfrage belasten auch die kleinen und mittleren Unternehmen immer mehr“.
Düsseldorf mit überdeutlichem Anstieg bei der Insolvenzquote
Im Bund nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Gesamtjahr 2023 ebenfalls deutlich zu. Die Auswertungen des Verbandes Creditreform zeigen rund 20 % mehr Regelinsolvenzen (2023: 18.100 Fälle | 2022: 14.700 Fälle). Bezogen auf je 10.000 Unternehmen gab es bundesweit 60 Insolvenzfälle (Vorjahr: 49 | +22 %).
Die Düsseldorfer Insolvenzquote ist dagegen in 2023 um 33 % gestiegen. Sie liegt inzwischen bei 91 (2022: 69) und damit wie in den vergangenen Jahren deutlich über dem Bundeswert. Dies entspricht zugleich dem höchsten Stand der letzten sechs Jahre (2017: 92). Ihren Höchstwert seit 2000 hatte die Düsseldorfer Insolvenzquote nach der Finanzkrise im Jahr 2010 mit 151 Fällen je 10.000 Unternehmen, den niedrigsten Stand gab es im ersten Pandemie-Jahr 2020 mit einer Quote von 65.
In 2023 deutlich mehr Teil-Branchen betroffen - Bau, Gastronomie und Dienstleistungen im Fokus
„Auch wenn in der 2. Jahreshälfte 2023 in Düsseldorf verstärkt, teils auch große und namhafte, Bauunternehmen insolvent wurden, hat sich das Insolvenzgeschehen auf breiter Front beschleunigt“, erläutert Chris Proios von der Creditreform „Initiative Konjunkturforschung Regional“. Ein Grund dafür dürften auch Nachholeffekte sein. „Viele jetzt in die Insolvenz geratene Unternehmen haben jahrelang gegen multiple Krisen wie Corona, Inflation und Fachkräftemangel angekämpft. Dementsprechend verzeichnen wir derzeit auch in Düsseldorf in deutlich mehr Wirtschaftsbereichen Anstiege der Insolvenzzahlen.“
In Düsseldorf gab es im 2. Halbjahr 2023 in fast jeder zweiten Teilbranche Insolvenzen - nach jeder vierten in 2022. Dominierten z. B. bei den Dienstleistern in 2022 noch Beratungs- und Management-Unternehmen das Insolvenzgeschehen, kamen 2023 IT-Dienstleister, Immobilienmakler, Eventagenturen und KFZ-Vermieter hinzu.
Einen vergleichsweisen starken Anstieg der Insolvenzen gab es im 2. Halbjahr 2023 im Einzelhandel, im Gesundheitswesen, bei der Güterbeförderung im Straßenverkehr und beim Kauf und Verkauf von eigenen Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen.
Bekannte Beispiele – Baubranche stark betroffen
Durch hohe Zinsen, steigende Baukosten und dem Einbruch der Nachfrage befindet sich die Bauwirtschaft auch in der Landeshauptstadt in schwierigen Zeiten. Der Insolvenzantrag der Signa Real Estate Germany und schließlich der gesamten Signa Holding zeigen, wie schwierig die Lage für Projektentwickler und Bauträger geworden ist. Bekannte und größere Unternehmen aus dem Bausegment gerieten zuletzt auch in Düsseldorf in ein Insolvenzverfahren. Neben diversen Centrum-Gesellschaften meldeten u.a. die Development Partner und die Gerchgroup Insolvenz an. Betroffen sind alleine bei den beiden letztgenannten Gesellschaften in Summe über 100 Mitarbeiter.
Mit der in Düsseldorf gemeldeten Mauritius Therapieklinik (650 Mitarbeiter), dem Modeunternehmen Scotch & Soda , der Himmel und Ähd und der Nordpark Gastronomie aus dem Gastro-Umfeld sowie der Komödie, die ihren Spielbetrieb endgültig eingestellt hat, und dem Fahrradbetrieb OberBike beantragten in der 2. Jahreshälfte weitere bekannte Unternehmen aus der Region ein Insolvenzverfahren.
Aktuelle Hauptursachen
Die aktuellen Insolvenztrends sind getrieben vom Schock des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, den Verwerfungen an den globalen Energiemärkten, geopolitischen Spannungen und nicht zuletzt der weiterhin (zu) hohen Inflation.
Neben diesen externen Einflussfaktoren tragen aber auch erhebliche strukturelle Probleme wie eine starke Überregulierung oder der Fach- und Arbeitskräftemangel maßgeblich dazu bei, dass die Insolvenzgefahr weiter hoch bleibt.
Perspektiven 2024 – Zahl der Insolvenzen wird auch 2024 steigen
Die Creditreform Trendprognose für 2023 hat sich im Regionalraum (über)erfüllt. Die Insolvenzfälle in Düsseldorf sind deutlicher als befürchtet gestiegen. Dies gilt für das gesamte Jahr, besonders stark aber für das 2. Halbjahr 2023. „Die anhaltende Eintrübung der Konjunktur hat inzwischen erkennbare Spuren beim Insolvenzgeschehen hinterlassen und sie wirkt weiter. Der negative Trend wird sich eher fortsetzen und die Insolvenzen werden auch in Düsseldorf voraussichtlich weiter steigen“, erwartet André Becker. „Um die 430 Unternehmens-Insolvenzen sind nach jetzigem Kenntnisstand durchaus realistisch“. Dann lägen die Insolvenzfälle zwar immer noch unter den Langzeit-Höchstständen aus den großen Krisenzeiten 2010 - 2012 von 500 bis 600 Insolvenzen, aber der 24-Jahres-Mittelwert mit 397 Fällen wäre die nächste gerissene Marke im Abwärtstrend.
Axel Kleinschmidt, Insolvenzanwalt und Partner der Düsseldorfer Mittelstandskanzlei Ganteführer ergänzt: „Nach den ersten zwei Monaten des Jahres 2024 müssen wir von weiter steigenden Insolvenzahlen ausgehen. Unternehmen, die sich der Krise stellen und frühzeitig handeln, können ein reguläres Insolvenzverfahren möglicherweise sogar vermeiden, und im Rahmen eines Restrukturierungsverfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) saniert werden.“
Ende Januar veröffentlichte das Statistische Bundesamt die Nachricht, dass das Bruttoinlandsprodukt im letzten Quartal 2023 um 0,3 Prozentpunkte geschrumpft ist. Erst kurz zuvor meldete das Ifo-Institut eine weitere Eintrübung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft. „Die deutsche Wirtschaft steckt in der Rezession fest“, fasst Ifo-Präsident Clemens Fuest zusammen. Kurz darauf, am 21. Februar, kommentiert Wirtschaftsminister Robert Habeck den Jahreswirtschaftsbericht, in dem die Bundesregierung nur noch ein Wachstum von 0,2 % für das laufende Jahr erwartet: „Wir kommen langsamer aus der Krise als erhofft“.
Und in Düsseldorf? Anfang Februar betitelt die IHK Düsseldorf die Ergebnisse ihrer neuesten Konjunkturumfrage eindeutig: „Regionale Wirtschaft erwartet Krisenjahr“.
Gut möglich, dass sich die Auswirkungen der Multikrisen 2024 noch deutlicher zeigen. Die Aussichten sind jedenfalls trüb und viele Betriebe, auch in Düsseldorf, sind Anfang 2024 in schwerem Fahrwasser.