Der starke Anstieg der Insolvenzen im letzten Jahr (plus 93,6 Prozent auf Jahressicht) hat sich damit aktuell etwas umgekehrt. Das Plus an Privatinsolvenzen aus dem Jahr 2021 ist vor allem darauf zurückzuführen gewesen, dass viele Privatpersonen entsprechende Insolvenz-Anträge im Jahr 2020 zurückgehalten haben. Die Betroffenen wollten von der Gesetzesreform zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens profitieren und die angekündigte Reduzierung der Laufzeit des Verfahrens von sechs auf drei Jahre nutzen und stellten den Antrag folglich erst im Jahr 2021. Das Gesetz trat Anfang 2021 in Kraft und Betroffene können nun bereits nach drei statt sechs Jahren schuldenfrei sein. Auf diese Weise soll ein schnellerer wirtschaftlicher Wiedereinstieg betroffener Schuldner*innen erleichtert werden. Diese Besonderheit hat die Privatinsolvenzen 2021 besonders stark ansteigen lassen. Folglich ist auch der Basiswert (1. bis 3. Quartal 2021) hoch und die entsprechende prozentuale Veränderung in den neun Monaten des Jahres 2022 fällt mit minus 13,5 Prozent verzerrt aus.
Trotz des hohen Basiswertes gibt es im 3. Quartal 2022 bereits eine Trendumkehr. Betrachtet man nur die Zahlen im 3. Quartal, stiegen die Privatinsolvenzen um 0,7 Prozent auf 25.047 Fälle (1. bis 3. Quartal 2021: 24.884).
Der Vergleich zu den ersten drei Quartalen 2019 – also vor der Gesetzesreform und vor Corona – zeigt das aktuell hohe Niveau der Insolvenzen. Demnach sind die Privatinsolvenzen in den ersten neun Monaten 2022 um 11,8 Prozent angestiegen (1. bis 3. Quartal 2019: 63.612).
Der Krieg in der Ukraine sowie die Lieferketten- und Inflationsprobleme haben erhebliche negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Das betrifft auch die Privatpersonen. Vor allem die stark gestiegenen Energiepreise, aber auch andere Rohstoff- und Lebensmittelpreise haben zu einem inflationären Anstieg der Verbraucherpreise geführt. Die finanzielle Situation vieler Privatpersonen in Deutschland bleibt durch die stetig steigenden Miet- und Energiepreise angespannt. Die Menschen in Deutschland werden weniger Geld in der Tasche haben, um ihren Verpflichtungen wie Kreditzahlungen, Mieten oder Finanzierungen nachzukommen. Auf Dauer führt weniger Einkommen erst in die Überschuldung und dann möglicherweise in die Privatinsolvenz.
„Durch die steigenden Kosten ist eine Verschuldungswelle in Deutschland möglich. Wenn die Kosten stark steigen, wird es für Personen, die schon bislang am Existenzminimum leben, schwierig. Gerade für finanz- und einkommensschwache Haushalte wird sich die finanzielle Lage zuspitzen – auch weil die finanziellen Reserven durch Einbußen in der Corona-Pandemie aufgebraucht worden sind. Wirtschaftliche Krisen wirken sich dabei verzögert auf die Verbraucher aus. Da in den Insolvenzstatistiken vor allem die Vergangenheit abgebildet wird, sie also ein Blick in den Rückspiegel sind, werden die Folgen durch die erhöhten Kosten vor allem ab 2023 einen Einfluss auf die Insolvenzzahlen haben. Auch wenn wir ab dem dritten Quartal bereits eine Trendumkehr erkennen“, kommentiert CRIF Deutschland Geschäftsführer Dr. Frank Schlein die aktuelle Situation.
Der Informationsdienstleister CRIF geht auf Jahressicht 2022 von 100.000 Privatinsolvenzen in Deutschland aus. 2023 ist ein weiterer Anstieg auf bis zu 120.000 Fälle möglich.
Personen, die eine Privatinsolvenz anmelden, müssen dabei keinesfalls hoch verschuldet sein. Ein Großteil der Betroffenen hat in der Gesamtsumme Schulden von knapp unter 10.000 €. Die mittlere Schuldenhöhe liegt derzeit unter 19.000 €.
Privatinsolvenzen nach Bundesländern: Am meisten private Insolvenzen in Bremen, Niedersachsen und Hamburg
Bundesweit gab es in den ersten neun Monaten des Jahres 85 Privatinsolvenzen je 100.000 Einwohner. Die nördlichen Bundesländer sind dabei stärker von privaten Insolvenzen betroffen als der Süden Deutschlands. So führt Bremen die Statistik mit 153 Privatinsolvenzen je 100.000 Einwohnern an. Es folgen Niedersachsen mit 120 und Hamburg mit 118 Insolvenzfällen je 100.000 Einwohner. Deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen zudem die Länder Schleswig-Holstein (110), Mecklenburg-Vorpommern (101) sowie Sachsen-Anhalt (100). Am wenigsten Privatinsolvenzen verzeichneten Bayern (52 Fälle je 100.000 Einwohner), Baden-Württemberg (64) und Thüringen (67).
Absolut gesehen stehen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen (16.577), Niedersachsen (9.637) und Baden-Württemberg (7.141) an der Spitze der Insolvenzstatistik.
Prozentuale Veränderungen: Anstieg der Privatinsolvenzen in Hessen und Sachsen
Die Privatinsolvenzen sind in Deutschland in den ersten neun Monaten bundesweit um 13,5 Prozent gesunken. In Hessen sind die privaten Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1. bis 3. Quartal 2021) um 4,8 Prozent; in Sachsen um 4,5 Prozent angestiegen. Deutliche Rückgänge gab es in den ersten neun Monaten in Nordrhein-Westfalen (minus 21,2 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (minus 20,6 Prozent) und in Bayern (minus 20,5 Prozent).
Ein verändertes Bild ergibt sich, wenn man die aktuellen Zahlen mit den ersten neun Monaten 2019 – also vor der Gesetzesreform und vor Corona – vergleicht. In diesem Vergleich sind die privaten Insolvenzen in Hessen um 32,3 Prozent angestiegen. Aber auch in Sachsen (plus 28,7 Prozent), Bremen (plus 26,7 Prozent) und in Bayern (plus 23,1 Prozent) gab es in den ersten drei Quartalen deutlich mehr Privatinsolvenzen als im Vergleich zu den ersten neun Monaten 2019.
Privatinsolvenzen nach Geschlecht: Mehr Männer von einer Privatinsolvenz betroffen
Der Trend der letzten Jahre, dass in Deutschland eher Männer von einer Privatinsolvenz betroffen sind als Frauen, setzt sich auch 2022 fort. 60,9 Prozent oder 43.332 der Privatinsolvenzen wurden von Männern gemeldet. Auch im relativen Vergleich der Geschlechter sind die Männer führend. Auf 100.000 Männer entfielen 104 Privatinsolvenzen. Demgegenüber stehen 78 Privatpleiten je 100.000 Einwohnerinnen.