- "Wenn diese Mail nicht für Sie bestimmt ist ..."
"... dann löschen Sie sie bitte, senden sie zurück und vergessen, dass Sie sie je gesehen haben". So oder ähnlich weisen zuweilen sogar mehrsprachige Hinweise in vielen E-Mail-Footern darauf hin, dass der Inhalt der Nachricht vertraulich sei. Rechtsprechung zu Wirksamkeit und Rechtsfolgen der Verwendung solcher Erklärungen ist in Deutschland nicht zu finden. In der Tat haben sie in rechtlicher Hinsicht auch kaum irgendwelchen Nutzen. Da die Mail zu einem falschen Adressaten gelangt, liegt die Vermutung nahe, dass zwischen diesem und dem Absender keinerlei Vertragsverhältnisse besteht. Die Tatsache, dass der Absender sich beim Verschicken der vertraulichen Daten in der Adresse vertan hat, begründet auch weder einen Vertrag noch besonders strenge anderweitige Pflichten. Dass die fehlgeleiteten Daten nicht unbedingt nach Belieben verwendet werden dürfen, ist eine andere Frage, doch hat dies im deutschen Recht nichts mit dem benannten Vertraulichkeitshinweis zu tun. Er ist demnach hier ohne rechtliche Folgen. Tatsächlich schadet er aber auch nicht, so dass für den Fall, dass dies in einem anderen Rechtskreis anders sein mag (oder die Kunden des Verwenders hiervon besonders beeindruckt werden sollen), ein solcher Hinweis ungeachtet des Umfangs durchaus in der Mail verbleiben kann. Bei Geschäften mit dem Ausland ist daher - auch ohne nähere Kenntnis des jeweils anwendbaren Rechts - von einer Verwendung (in der dortigen Sprache) nicht grundsätzlich abzuraten. Allerdings sollte der Verwender eine Formulierung wählen, die sinnvoll ist, und eine möglichst weit verstandene Sprache, bevorzugt Englisch, verwenden.
- "E-Mails sind ein unsicheres Kommunikationsmittel und deshalb unverbindlich"
Die zweite Form von E-Mail-Disclaimern betrifft die angeblich fehlende Verbindlichkeit der in der Mail enthaltenen Informationen. Ein solcher Hinweis ist angesichts der Vielzahl von geschäftlich versandten - und gewollt verbindlichen - Mails schon an sich ein wenig seltsam zu nennen. Wer schreibt schon eine Bestellung mit dem Nachsatz, diese sei "unverbindlich"? Auch der häufig verwendete Zusatz zur Gefahr der Verwendung gefälschter Mailabsender ist herzlich widersinnig, wenn man von der unwahrscheinlichen Möglichkeit absieht, dass der falsche Absender ebenfalls einen solchen Disclaimer hinzufügt.
Derartige Hinweise können sogar "nach hinten losgehen": In einem gerichtlichen Verfahren war ein Unternehmen zur Auskunftserteilung verurteilt worden. Diese Auskunft gab sodann der Anwalt des Unternehmens per E-Mail. Allerdings fand sich unter dieser E-Mail ein Disclaimer, dass "aus Rechts- und Sicherheitsgründen die in dieser Mail gegebene Information nicht rechtsverbindlich" sei. Das Gericht verurteilte das Unternehmen sodann zur Zahlung eines Ordnungsgeldes, weil die Auskunft nicht ordnungsgemäß erteilt wurde. Dies war wohl der erste gerichtliche Streit, der gerade wegen der übervorsichtigen und dadurch eher leichtsinnigen Verwendung eines Disclaimers verloren gegangen ist. Wer meint, sich dieser Form von Erklärungen bedienen zu müssen, sollte im Rechtsverkehr gänzlich auf die gute alte gelbe Post umsteigen.
- "Diese E-Mail ist virenfrei"
Der dritte in Mails zu findende Hinweis betrifft die Tatsache, dass der Absender als Service eine Virenprüfung durchgeführt habe. Allerdings ist auch ein solcher Text nicht geeignet, eine Haftung zu beseitigen, wenn die Virenprüfung versagt hat. Dabei ist schon fraglich, ob denn überhaupt eine Haftung des Absenders zu begründen wäre. Letzteres ist angesichts der vielfältigen Probleme von der Feststellung des Bestehens einer Verkehrssicherungspflicht, eines Schadens, eines Verschuldens und der Beantwortung der Frage, inwieweit den Adressaten, dessen Virenschutzprogramm ebenfalls nicht ausreichend war, ein Mitverschulden trifft, durchaus sehr fraglich.
- Disclaimer im Mittelalter
Derartige Disclaimer sind also letztlich fast immer allenfalls von psychologischem Nutzen. Allein als nettes Detail bleibt zu erwähnen, dass folgender lateinische Text bereits im elften Jahrhundert durch einen flämischen Mönch Verwendung fand. Er sorgte sich allerdings weniger um die Haftung als um die seinerzeit mit größeren Schwierigkeiten verbundene Zustellung des (noch nicht elektronischen) Buches, dessen Rückgabe für den Fall gebeten wird, dass es durch die Unwägbarkeiten des Lebens in falsche Hände geraten sollte: "Si forte in alienas manus oberraverit hec peregrina epistola incertis ventis dimissa, sed Deo commendata, precamur ut ei reddatur cui soli destinata, nec preripiat quisquam non sibi parata".
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