Die Entwicklung des FTS verlief auf mehreren Kontinenten parallel und demonstriert erstaunliche globale und nachbarschaftliche Verflechtungen und Verschmelzungen. In der 200-jährigen Geschichte der Dematic spielen nahezu alle visionären und innovativen Unternehmen der ersten Stunde sowie deren Nachfolger eine Rolle.
So wurde der FTS-Erfinder Barrett Electronics vom Dematic-Vorgängerunternehmen Mannesmann Demag im Jahr 1982 übernommen. EMI, berühmt als Plattenriese und Vermarkter der Beatles, sorgte 1956 für die Europa-Premiere des FTS, welches der eigenen R&D Abteilung, den EMI Laboratories, entstammte. In Deutschland erfolgte die FTS-Taufe wenige Jahre später und lässt sich auf etwa 1962/63 datieren. Zu einem der größten Player entwickelte sich in den 70ern die belgische Egemin, die 2017 mit Dematic verschmolz. Aber auch die Wagner Fördertechnik aus Reutlingen, im Übrigen ein Kooperationspartner von Egemin ab 1970, brachte 1963 ein erstes unbemanntes Fahrzeug auf den Markt und war in den 80ern und 90ern weltbekannt für FTS. Heute, gut 125 Jahre nach der Gründung von Wagner, unterhält die Dematic-Konzernmutter KION Group just an diesem Standort in Reutlingen ein Kompetenzzentrum für Schmalganggeräte von Still und Linde MH. 2010 übernahm Dematic zudem HK Systems, die 1969 in Nordamerika unter Harnischfeger Industries Inc. gegründet worden war und in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen FTS anbot. Der australische FTS-Spezialist NDC Automation folgte 2016.
Um das FTS an die immer komplexer werdenden Anforderungen anzupassen, haben all diese Unternehmen stets die Augen auch auf andere Branchen und Disziplinen gerichtet: Denn Neuerungen in Elektronik, Rechnertechnik und Sensorik erlaubten zunehmend komplexere Steuerungen und Systeme. Die ersten FTS basierten auf Zugtechnologie, damals Tugger-Trains genannt. Wenn es darum geht, die allerersten unbemannten Schubfahrzeuge zu identifizieren, hatte wieder einmal Barrett die Nase vorn: Mitte der 70er-Jahre wurde der „Stop&Drop“ gelauncht. Dieser fahrerlose Hubwagen für Doppelpaletten war in der Lage, an vordefinierten Plätzen die Paletten automatisch abzuladen.
Das Ende dieses Jahrzehnts markierte die Erfindung des Unit Load-Plattform-FTS. Der Dematic-Vorläufer Mannesmann Demag brachte den sogenannten „Unicar“ hervor und trug diesen 1983 als Handelsmarke ein. Ab sofort konnten Ladeeinheiten unterschiedlichster Art zwischen Arbeitsstationen gehandhabt werden.
Die Fortschritte in der Navigationsart beeinflussten unmittelbar die Flexibilität. Die ersten FTS verfügten über ganz einfache Spurfolgetechniken und orientierten sich zunächst noch ganz banal an Farbstreifen auf dem Boden. Die Signale des Farbstreifens gingen über einen optischen Sensor an einen zusätzlich am Lenkrad angebrachten Motor, der dieses entsprechend bewegte. Von weiteren Sensoren war noch keine Rede. Mechanische Schalter, Notstoppvorrichtungen und Stoßfänger sicherten FTS und Umfeld gegeneinander ab. Das FTS „Mailmobile“ von 1976, eine revolutionäre Erfindung von Lear Siegler Inc., einer Untersparte des Learjet-Unternehmens und der späteren Schlafhorst Automation, war ein automatisch fahrendes Regal zur Postverteilung in Großgebäuden. Es fand seinen Weg mithilfe eines unsichtbaren fluoreszensierenden Streifens auf dem Boden kombiniert mit einem Sensor für ultraviolettes Licht. Später richteten sich die Fahrzeuge an einem unter der Decke angebrachten, gefolgt von einem im Boden eingelassenen Draht. Ähnlich funktionierte die Rasternavigation. Die aus der Seefahrt entstammende Koppelnavigation orientierte sich rein am Startpunkt, war dafür aber recht ungenau. Auch die Spurführung anhand von Magneten wurde eine beliebte Methode. Halte- und Übergabepunkte der ersten Technologien waren mit Bodenmagneten markiert, die über den Fahrzeugsensor erfasst wurden.
Dank der fortgeschrittenen technologischen Möglichkeiten insbesondere aus dem Gebiet der IT und Scanner hielt etwa 1995 die Lasernavigation Einzug. Maßgeblich vorangetrieben wurde diese Art der Navigation von Schlafhorst Automation, das von Egemin zur Jahrtausendwende übernommen wurde. Physische Leitlinien wurden damit obsolet. Die Flexibilität des FTS stieg stark an: Fahrkursänderungen wurden unter geringem Aufwand möglich. Es erfreute sich schnell großer Beliebtheit. Das LGV (Laser Guided Vehicle) wurde so zum Synonym für FTS. Auf jegliche Raummarkierungen konnte mit Einführung der Navigation mittels Umgebungsmerkmalen verzichtet werden.
Doch nicht nur die Art der Navigation hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Während die allerersten FTS, so auch das Bahnbrechende von 1954, über Blei-Säure-Batterien verfügten, gefolgt von Bei-Säure-Gel-Batterien, bildeten Nickel-Cadmium-Batterien die nächste Stufe. Aktuell sind Lithium-Ionen-Batterien auf dem Vormarsch. Die Batterien wurden entweder austauschbar konzipiert oder aber die FTS fuhren immer dann die Ladestation an, wenn gerade kein Auftrag anstand. Schon Ende der 60er-Jahre gab es Vorrichtungen zur automatischen Batterieladung.
Über die Jahrzehnte hat sich das FTS die Attribute Produktivitätssteigerung, Kostensenkung, Flexibilität, Zuverlässigkeit, Präzision und Sicherheit erarbeitet. Dabei agierte es unermüdlich stets leise, sorgte für geordnete Prozesse und wurde so zu einem wertgeschätzten Kollegen, den auch nach 65 Jahren keiner in den Ruhestand schicken möchte.