Eine aktuelle, repräsentative Umfrage des Health Innovation Hub (hih) des Bundesgesundheitsministeriums zeigt: Die COVID-19 Pandemie hat der Akzeptanz von Videosprechstunden in der Medizin enormen Vorschub geleistet.[1] Aus der Auswertung von rund 2.200 Fragebögen geht hervor, dass 2017 noch fast 60 Prozent der Ärzt/innen und Psychotherapeut/innen die Videosprechstunde ablehnten. Im April 2020 gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, die Videosprechstunde zu nutzen; bei der „sprechenden Medizin“ waren es sogar mehr als 80 Prozent. Und auch nach der Pandemie können sich 83 Prozent der Praktischen Ärzte und der Fachärzte vorstellen, einen kleinen Anteil der Patienten über eine Videoplattform zu versorgen.
KBV negiert Anstieg und warnt gleichzeitig vor „Medizin Callcentern“
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Interessensvertretung der niedergelassenen Ärzt/innen in Deutschland beurteilt dies anders. In einer Stellungnahme vom 12. Juni 2020 betont KBV-Vorstand Dr. Stefan Hofmeister: „Ich persönlich kann hier keine Revolution erkennen, auch keinen angeblichen ,Hype‘.“ Im selben Absatz warnt er jedoch dringend davor, „Anreize für arztersetzende Strukturen zu schaffen.“
Bewährte Technologie als Ergänzung, nicht als Ersatz
Die Deutsche Arzt AG als Anbieter von sprechstunde.online, einem der größten Anbieter von medizinisch/therapeutischen Videosprechstunden, rät in dieser aufgeheizten Stimmung dazu, rational und besonnen mit dem Thema umzugehen. „Die gleiche KBV, die nun vor Videosprechstunden warnt, sorgte während der Akutphase der Corona-Pandemie dafür, dass Praxen die Videosprechstunden vergütet bekommen. Außerdem zertifiziert sie Lösungen wie die unsere und führt eine Liste von zertifizierten Anbietern auf ihrer Website. Dass moderne IT-Lösungen, die in der Krise wirtschaftliche Existenzen gesichert haben, nun eine Gefahr für den Ärztestand darstellen sollen, ist nicht nachvollziehbar“, so Jochen Roeser, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Arzt AG in Essen.
Auch Dr. Bill Hegemann, niedergelassener Orthopäde im Sauerland, sieht die Videosprechstunde langfristig als Chance, nicht als Risiko: „Natürlich ersetzt das Gespräch per Video nicht die persönliche Konsultation. Es ist aber eine sinnvolle Ergänzung, die sowohl eine enorme Entlastung für immobile Patienten als auch für das Wartezimmer meiner Praxis darstellt. Wenn ich wissen will, wie sich die Mobilität nach einer Meniskusoperation entwickelt oder wie die Schmerztherapie der Arthritispatientin anschlägt, muss ich die Menschen nicht zwangsläufig in meine Praxis bestellen. Da reicht oft der Videoanruf, in vielen Fällen besteht nämlich kein weiterer Handlungsbedarf. Auf diese effektive, sichere und zuverlässige Behandlungsmöglichkeit möchte ich nicht mehr verzichten.“
Zertifizierte Sprechstunde vs. Callcenter
Dass die Videosprechstunde nach der Corona-Pandemie aus der Medizin verschwindet ist also eher unwahrscheinlich und auch nicht wünschenswert. Wie in anderen Bereichen auch, lässt sich das technologische Rad nicht zurückdrehen. Allerdings sollte bei Überlegungen zur weiteren Vergütung der Leistungen durch die Politik sorgfältig zwischen den unterschiedlichen Angeboten unterschieden werden. Während sprechstunde.online eine ergänzende Lösung ist, mit der Patientinnen und Patienten mit ihrem betreuenden Arzt persönlich außerhalb der Praxis auf sichere und zertifizierte Weise in Kontakt bleiben können, drängen auch Anbieter auf den Markt, die die Arztbindung aufheben.
Deren Lösung besteht in der Bereitstellung medizinischer Callcenter, in denen Tag und Nacht Behandlungen über Video stattfinden können. Allerdings nicht durch den Hausarzt, sondern durch angestellte Mediziner, die im Schichtdienst für das Callcenter arbeiten.
„Von solchen Konzepten distanzieren wir uns mit sprechstunde.online. Unser Ziel ist vielmehr, die Arztbindung durch eine Videosprechstunde zu ergänzen und zu stärken, ganz nach dem Motto ´vor Ort und digital´. Darin sehen wir für die niedergelassenen Ärzte die Chance, dem Wettbewerb arztersetzender Strukturen mit einer hochqualitativen und innovativen medizinischen Versorgung zu begegnen“, so Jochen Roeser.
[1] https://hih-2025.de/wp-content/uploads/2020/06/Studie-zur-Videosprechstd_hih_SG.pdf