Heute sind viele neue Identtechnik-Systeme neben "Gevatter Barcode" getreten. Der rasante Fortschritt führt jedoch zu neuen Herausforderungen, wie Dr. Andreas Stock vom Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover betont. "So schön die Vielfalt ist, so schwer macht sie die Entscheidung, aufs richtige Pferd zu setzen." So beschäftigt Hersteller und Anwender aktuell die Frage, ob zweidimensionale Codes, wie zum Beispiel der Datamatrix-Code, die eindimensionalen Barcodes verdrängen werden. Andreas Stock erwartet, dass künftig beide Techniken parallel zum Einsatz kommen. "Stellt zum Beispiel die Pharmaindustrie vom Balkencode, der lediglich die Pharmazentralnummer (PZN) trägt, auf einen zweidimensionalen Code um, in dem zusätzlich die Chargennummer und das Verfallsdatum hinterlegt sind, macht es Sinn, für einige Jahre beide Codes auf die Medikamentenpackungen zu drucken. Damit die Kerninformation weiterhin für bestehende Logistiksysteme verfügbar bleibt."
Die neue Vielfalt der Auto-ID-Syteme umfasst allerdings auch die RFID- und die Mustererkennungstechnologie, mit denen sich völlig neue Anwendungsfelder erschließen lassen. Wissenschaftler des ITA haben zum Beispiel zusammen mit Industriepartnern ein RFID-gestütztes System zur Steuerung Fahrerloser Flurförderzeuge (FFZ) entwickelt. Dabei kleben die Identtechnik-Spezialisten sehr kleine, vor allem flache, und dennoch widerstandsfähige Transponder-Tags mit Hilfe eines Markierungsbandes auf den Industriefußboden auf. In diese Transponder werden dann die Informationen über den erreichten Standort abgelegt und der mitfahrenden Fahrzeugsteuerung zusammen mit jedem Fahrauftrag eine Routenliste "gefunkt", die nacheinander die einzelnen Transponder enthält sowie Informationen über Fahrkursänderungen bezüglich Kurven und Abzweigungen. Ist das Ziel erreicht, löst der Bordcomputer die geplante Aktion aus - zum Beispiel das Aufnehmen eines Transportgestells. Andreas Stock: "Das Schöne an dieser Technik ist, dass wir den Parcours jederzeit verändern und erweitern können - ohne Schlitze in den Boden zu fräsen oder zusätzliche Lasergeräte zu installieren. Auch das Überfahren von Leitungsschächten mit Blechabdeckungen oder das Befahren von Aufzügen sind mit dieser Technik problemlos und preiswert möglich."
Ein zweites Beispiel, das der Oberingenieur am von Prof. Dr.-Ing. Ludger Overmeyer geleiteten ITA nennt, ist das intelligente Transportband, das zusammen mit der Firma Siegling entwickelt wurde. Dieses Band kann nicht nur Waren aller Art transportieren, sondern auch die Informationen, die zu den Waren gehören. Dafür wurden in das Transportband Transponder eingebaut. "Damit lassen sich dezentrale Steuerungssysteme für Transportanlagen realisieren, wobei das auch zukünftig nicht der Regelfall sein wird - doch bei besonderen Aufgabenstellungen kann genau dieser Ansatz die optimale Lösung bieten", so Andreas Stock.
In der Handelslogistik sieht Andreas Stock ein Standard-Einsatzgebiet für RFID-Technik voraus: "Jeder weiß, dass Menschen Kommissionierfehler verursachen und die Fehlerquoten nur gesenkt, aber niemals auf null gebracht werden können. Insofern macht es Sinn, zumindest die hochpreisigen Waren zusätzlich mit RFID-Labels auszustatten, da diese entweder direkt bei der Kommissionierung oder mit einem sehr kleinen apparativen Aufwand im Versand automatisch gelesen werden können." Passt dann das Produkt nicht zur Bestellung, schlägt das Kontrollsystem Alarm.
Doch der Siegeszug der RFID-Systeme wird keineswegs im Handel sein Ende finden. Andreas Stock: "Wir sehen, dass sich zunehmend auch die Produktionslogistiker für die RFID-Technik interessieren. Wobei sie von ganz unterschiedlichen Maximen ausgehen. Produktionslogistikern gefällt einerseits, dass RFID-Systeme auch dann noch gelesen werden können, wenn zum Beispiel eine Rohkarosse lackiert aus dem Tunnel kommt." Stock weiter: "Andererseits schätzen Produktionsspezialisten die Möglichkeit, den Tags relativ viele Informationen mitgeben zu können, sodass sich in deren Speicher ganze Bearbeitungsfolgen mitschicken lassen. Dadurch kann der Aufwand für die informationstechnische Vernetzung der Produktionsanlagen minimiert werden."