Den Siegeszug der Spiele führt Stampfl auf die zunehmende Verbreitung elektronischer Spielekonsolen, den darauf folgenden internetbasierten Spielen und den neuen Möglichkeiten des mobilen Internet zurück. "Die Generation Gaming der nach 1970 Geborenen kennt keine Welt ohne Videospiele...", so Stampfl, "...das Digitale umgibt sie so selbstverständlich, dass es als Teil der Umwelt betrachtet wird."
Das Verkehrsnetz als Spielwiese
Die Londoner Verkehrsbetriebe etwa arbeiten bereits seit 2003 mit "Chromaroma", bei dem das gesamte öffentliche Verkehrsnetz als "Spielbrett" fungiert. Über die Oyster Card, mit der die meisten Reisenden bargeldlos zahlen, sammelt der Verkehrsanbieter Bewegungsdaten der Reisenden und macht das Verkehrsnetz zu einer Art natürlicher Spielwiese, auch, um das Pendeln spielerisch zu versüßen. Mit Punkten belohnt werden Teams oder Einzelspieler, die beispielsweise die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten wählen, die in der Rushour auch mal eine Station früher aussteigen oder das Fahrrad nutzen.
Weight Watchers, Raucherentwöhnungsprogramme oder neue Trainingsmethoden mit E-Learning muten ihren Nutzern nicht wie Spiele an. Doch Punkte zu sammeln und Highscores zu ergattern ist heute längst nicht mehr nur in digitalen Spiele alltäglich: Treuepunkte beim Einkauf, Flugmeilen im Flieger, ein höheres Level - viele Kundenbindungswerkzeuge arbeiten mit spielerischen Methoden. Das Internetspiel "Evoke" des Weltbank Instituts forderte vor zwei Jahren dazu auf, humanitäre Probleme in Afrika zu lösen. Fast 20.000 Menschen aus 150 Ländern nahmen teil und generierten innerhalb von zehn Wochen 23.000 Blogeinträge, 4.700 Fotos und mehr als 1.500 Videos.
Autorin Nora Stampfl beschreibt, wie man heute die Macht von Spielen in fast allen Lebensbereichen nutzt. Sie untersucht die Wirkungsweise von Gamification als neue Strategie zur Motivation von Menschen und entwirft die Zukunftsvision einer Welt allgegenwärtiger Spiele. Für sie ist Gamification mehr als ein Marketinginstrument. "Gelingt es..., kreativ mit Spielmechanismen umzugehen und den Nutzer bei seiner inneren Motivation zu packen, dann wird Gamification... verschiedene Bereiche unseres Lebens gehörig auf den Kopf stellen", prophezeit Stampfl.
Bibliografische Angaben
Nora S. Stampfl: „Die verspielte Gesellschaft - Gamification oder Leben im Zeitalter des Computerspiels“ (Telepolis) Heise, Mai 2012, 120 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-936931-77-8
14,90 Euro (D) / 15,40 Euro (A)