Herr Rubin, auf der Hannover Messe präsentierte Dr. TRETTER unter anderem die vielseitig einsetzbaren Kugelbuchsen mit Wellen. Was macht diese Maschinenelemente so besonders, und wie profitiert der Konstrukteur konkret davon?
Alexander Rubin: Bei einer Kugelbuchsen-Führung handelt es sich um die günstigste Form einer wälzgelagerten Linearführung. Diese zeichnet sich gegenüber einer gleitgelagerten Führung durch einen präzisen, sehr leichtgängigen und spielarmen oder auch spielfreien Lauf aus. Außerdem verfügt eine Kugelbuchsenführung gegenüber einer Profilschienenführung über einen zusätzlichen Freiheitsgrad in Umfangsrichtung. Dies erfordert eine weniger präzise Unterkonstruktion.
Aus welchem Material werden die Wellen hergestellt und für welche Aufgaben eignen sie sich besonders?
Alexander Rubin: Unsere Präzisions-Stahlwellen bestehen aus gewalztem, induktiv randschichtgehärtetem Edelstahl, der spitzenlos auf ISO Qualität h6 und h7 geschliffen ist. Wie liefern die Wellen als Vollwelle aus dem Material Cf53 (1.1214), auch hartverchromt oder korrosionsbeständig aus X90CrMoV18 (1.4112) sowie als Hohlwelle aus 100Cr6 oder C60. Damit eignen sie sich insbesondere als Führungswellen für Kugelbuchsen. Zum Einsatz kommen sie aber auch für alle anderen Anwendungen, bei denen eine kostengünstige gehärtete Welle benötigt wird. Wir liefern diese Lösungen kundenspezifisch. Das heißt: Wir trennen die Wellen auf die vom Anwender gewünschte Länge oder bearbeiten sie komplett nach Zeichnung. Dadurch erhält er in sehr kurzer Zeit eine einbaufertige Führungs-Lösung.
Sie haben die Kugelbuchsen in verschiedenen Formen im Programm. Was ist bei welcher Ausführung zu beachten?
Alexander Rubin: Zum einen bieten wir ein breites Programm an Kompakt- und Eco-Kugelbuchsen für preissensible Anwendungen. Zum anderen haben wir mit unseren Ganzstahl-Kugelbuchsen eine Lösung für raue Umgebungsbedingungen, beispielsweise in der Holzverarbeitung, für den Hochtemperatur- oder auch den Vakuumeinsatz. Dazu kommt eine große Auswahl an sogenannten Flansch-Kugelbuchsen, die sich durch den integrierten Montageflansch einfach befestigen und ausrichten lassen. Anwender erhalten sie zudem in zwei- und dreifacher Länge, um eine präzise Führung mit nur einer Buchse pro Welle zu realisieren und auftretende Kippmomente aufzunehmen.
Können Sie typische Anwendungen nennen, in denen die Kugelbuchsen zum Einsatz kommen, und welche Aufgabe übernehmen sie jeweils?
Alexander Rubin: Eine typische Anwendung sind zum Beispiel Platinentester. Dabei führen Kugelbuchsen den Prüfadapter mit den Testspitzen vertikal, und ein Kniehebel presst diese auf die zu prüfende Platine. Die senkrecht angeordneten Wellen dienen nicht nur als Führungswellen, sie sind auch tragender Teil der Konstruktion. Ähnliches gilt für Füge- und Einpressvorrichtungen, bei denen Kugelbuchsen bevorzugt zum Einsatz kommen. Außerdem finden sich Kugelbuchsen-Führungen unter anderem in Verpackungsmaschinen, Montagestationen, 3D-Druckern, Hubstationen oder auch in Fitness-Geräten.
Wie reagieren Sie auf besondere Anforderungen der Kunden, zum Beispiel bei Anwendungen in der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie?
Alexander Rubin: Hier bieten wir ein breites Programm an korrosionsbeständigen Führungen an. Neben den Kugelbuchsen gehören dazu auch die Miniatur- und Standard-Schienen- sowie unsere Aluschienen-Führungen mit korrosionsbeständigen Stahl-Laufbahneinlagen.
In welche Richtung geht Ihre Weiterentwicklung bei diesen Komponenten, und von welchen Vorteilen werden Maschinenbauer profitieren?
Alexander Rubin: Auf der HMI haben wir erstmals eine lange Quadratflansch-Kugelbuchse gezeigt. Diese ist etwa 30 bis 45 Prozent länger als eine Normkugelbuchse und bietet damit eine um 50 bis 75 Prozent höhere effektive Führungslänge. Durch die ununterbrochenen Laufbahnen und die höhere Anzahl an tragenden Kugeln haben sie ähnlich hohe statische Tragzahlen wie die zweifach langen Kugelbuchsen. Sie bieten sich dort an, wo diese Kugelbuchsen aus Platzgründen nicht verwendet werden können.
In Hannover haben Sie die Baureihe Air Cargo präsentiert. Was zeichnet diese Kugelrollen im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten aus?
Alexander Rubin: Durch den Einsatz einer gehärteten Niro-Tragschale konnten wir die Tragzahlen gegenüber Standard-Kugelrollen um bis zu 35 Prozent erhöhen. Zudem sind sie mit sieben Bodenlöchern ausgestattet, um eingedrungene Verschmutzungen wieder austreten zu lassen. Damit sind die Air-Cargo-Kugelrollen besonders für den rauen Außeneinsatz geeignet.
Bei dieser Baureihe konnten Sie das Eigengewicht deutlich reduzieren – wie hat Dr. TRETTER dies erreicht?
Alexander Rubin: Optional sind diese Kugelrollen mit einem Aluminium-Gehäuse und einem Gehäuse-Deckel aus Kunststoff erhältlich. Damit konnten wir das Gewicht im Vergleich zur Stahl-Version um 40 Prozent senken. Weiterhin besteht die Möglichkeit, diese Kugelrollen mit einer Hohl-Laufkugelrolle auszustatten. Dies minimiert das Gewicht um weitere 30 Prozent.
Können Sie typische Anwendungen nennen und beschreiben?
Alexander Rubin: Wie der Name Air Cargo schon sagt, kommen diese Kugelrollen im Flughafen- und Luftfrachtbereich zum Einsatz – zum Beispiel für das Handling von Fracht und Gepäck in Frachtdecks und bei Transportfahrzeugen und -einrichtungen auf dem Flugplatz. Die Baureihe ist korrosionsbeständig und schmutzunempfindlich, damit eignet sie sich auch in der allgemeinen Fördertechnik bei rauen Umgebungsbedingungen oder im Außeneinsatz.
Wie wichtig ist die Hannover Messe für Dr. TRETTER?
Alexander Rubin: Während die Motek in Stuttgart unsere wichtigste Messe ist und sich noch immer durch ihren regionalen Charakter auszeichnet, treffen wir auf der HMI internationale Kunden und Interessenten. Dazu kommen viele Fachbesucher aus Nord- und Mitteldeutschland.