So hat die Deutsche Akkreditierungsstelle DAkkS Anfang am 1. April 2020 einen Leitfaden für Konformitätsbewertungsstellen zur Durchführung von Fernbegutachtungen herausgegeben – und ganz offensichtlich war das nicht als Aprilscherz gedacht.
Aber nicht nur sogenannte Third-Party Audits durch Behörden, Akkreditierungs- und Zertifizierungsstellen eignen sich dafür, auch Lieferantenaudits und sogar interne Audits können remote durchgeführt werden.
Klinkner & Partner hat daher am 17. April eine Webinarreihe zu diesem neuen Thema gestartet. Der Referent Dr. Thomas Spielau berichtete über seine Erfahrungen mit Fernaudits im Medizinprodukte- und Laborbereich, aber auch beim Monitoring klinischer Studien.
Licht und Schatten
Es wurde schnell deutlich, dass Corona das Thema extrem pusht, dass aber ein entscheidender Vorteil die möglichen Zeit- und Kostenersparnisse sind – und die werden auch nach Ende der Pandemie bleiben.
Zu den ersten praktischen Erfahrungen gehört, dass kurioserweise Auditierte den Remote Audits meist offener gegenüber stehen als Auditoren. Ob das daran liegt, dass diese Auditform als „weniger invasiv“ wahrgenommen wird, ist noch zu klären.
Dr. Spielau berichtete, dass Auditoren der Zertifizierungsgesellschaft DQS als ein Risiko sehen, dass man als Auditor leicht die Führungsrolle im Audit verlieren kann und zum passiven „Konsumenten“ einer Präsentation wird. Dies zu verhindern, ist eine wichtige Aufgabe für jeden Auditor vor seinem ersten Remote Audit.
Im Audit kann man grob drei Haupttätigkeiten unterscheiden:
- Kommunikation: Auditinterviews lassen sich sehr gut durchführen, hier bieten sich teilweise sogar Vorteile gegenüber dem Vor-Ort Besuch, beispielsweise bei der Einbeziehung weitere Gesprächspartner an anderen Orten. Auch Telefonate oder Telefonkonferenzen können übrigens schon als Remote Audit-Variante gesehen werden.
- Dokumentenprüfung: Die Dokumentenprüfung der vorher eingereichten Unterlagen sollte der Auditor natürlich wie bisher auch schon vorab und „remote“ machen. Das Besprechen der Ergebnisse und ggf. die Einsicht in weitere Dokumente ist aber eben auch remote möglich.
- Vor-Ort Audit in der „Realität“: am Prozess, am Produkt und in den Räumlichkeiten außerhalb des Besprechungsraums: hier sind die realen Möglichkeiten meist noch sehr begrenzt und die Bedenken wegen der technischen Herausforderungen noch am größten – Stichworte sind der Einsatz von Tablets, VR-Brillen und sogar Drohnen, am Ende könnte dies bis zum Einsatz von Avataren gehen. Dieses Feld wird sich in Zukunft erst entwickeln.
Funktionierende Technik ist ebenso Grundvoraussetzung für den Erfolg wie die Bereitschaft und die Kenntnisse aller Beteiligten, diese effektiv zu nutzen. Hier muss sich natürlich eine gewisse Erfahrung aufbauen und ohne die eine oder andere Panne wird es nicht gehen. Die Anzahl technischer Lösungen ist groß, genannt wurden Skype (for Business), Zoom, WebEx, GoToMeeting/Webinar, Teams, Edudip und Lifesize (DAkkS).
Als Auditor wird man aber in der Regel die technische Plattform nicht bestimmen können, da diese oft von der auditierten Organisation oder dem Auditauftraggeber vorgegeben wird. Sensibler Punkt: wer die Technik stellt, hat auch die aufgezeichneten Daten.
Wem gehören die Daten?
In Präsenzaudits ist die Frage, ob der Auditor Fotos machen darf, oft ein heißes Eisen – analog dazu entsteht bei Remote Audits die Frage, ob Ton- und Bildaufzeichnungen angefertigt werden und wenn ja, ob das aufzubewahrende Auditnachweise sind und wann die zu vernichten sind. Eine eindeutige und allgemeingültige Antwort darauf scheint es nicht zu geben. Besonders heiß ist das Thema, wenn es auch um personenbezogene Daten geht. Als Auditor sollte man darauf achten, dass dies vorab geregelt ist – im Auditplan, im Auditprogramm oder durch den Auditauftraggeber. Ansonsten sollte es beim Auditbeginn angesprochen werden.
DAkkS-Begutachtungen
Unter den Teilnehmerinnen war mit Frau Annette Loock auch eine DAkkS-Begutachterin, die über Ihre ersten positiven Erfahrungen aus der Praxis berichtete. Dabei wurden aber auch die Grenzen klar: für Systembegutachtungen taugt der Remote Ansatz besser als für Fachbegutachtungen und für Überwachungen besser als für Erstakkreditierungen – dafür ist ein reines Remote-Audit momentan nicht ausreichend.
Unser Fazit
Am Ende des Webinars wurden die Teilnehmer gefragt, ob Sie dem Einsatz von Remote Audits nun offener oder kritischer gegenüber stehen. Bei etwa der Hälfte hatte sich die Einschätzung nicht geändert, die andere Hälfte zeigte sich offener – niemand sah es kritischer!
Der aktuelle Treiber der Remote Audits ist zweifellos die Coronakrise – durch die sprunghafte angestiegene Akzeptanz digitaler Kommunikationsformen, die rasante technische Entwicklung bei Hardware, Software und Bandbreite und die erzielbaren Einsparpotenziale werden sich Remote Audits aber wohl als sinnvolle Erweiterung des methodischen Portfolios dauerhaft etablieren.
Die nächsten Webinartermine zum Thema Remote Audits:
- Remote Audits - Arten, Voraussetzungen, Nutzen, Grenzen: 11. Mai 2020 und 16. Juni 2020, jeweils von 10 Uhr - 12 Uhr