Ein betroffener Landwirt, nennen wir ihn Müller, hatte seine Flächen insgesamt verpachtet, den Forst bewirtschaftete er selbst. Im Wirtschaftsjahr 1992/93 hatte Müller eine 6b-Rücklage für Grundstücksgewinne gebildet. Im Juli 1996 kaufte er eine landwirtschaftliche Fläche von circa 16 Hektar und stufte diese als Reinvestitionsobjekt ein. Das Grundstück war beim Kauf noch verpachtet und Müller führte die Verpachtung bis 2005 fort, bevor er es selbst bewirtschaftete.
Erhebliche Nachteile durch Zuordnung zum Privatvermögen
Da das Grundstück rund 90 Kilometer von seinem Hof entfernt lag, versagte das Finanzamt die Reinvestition und ordnete die Fläche dem Privatvermögen Müllers zu. Die Übertragung stiller Reserven aus Grundstücksverkäufen auf Reinvestitionen nach § 6b Einkommensteuergesetz setzt auch voraus, dass die angeschafften Wirtschaftsgüter zum betrieblichen Anlagevermögen des Betriebsinhabers gehören. Das Finanzamt löste also die 6b-Rücklage gewinnerhöhend mit Gewinnzuschlag auf.
Die obersten Finanzrichter nahmen diesen Fall zum Anlass, ihre ertragsteuerlichen Grundsätze an die aktuellen Gegebenheiten und Bewirtschaftungsmöglichkeiten anzupassen. Betriebsvermögen sind alle Grundstücke, die aus betrieblicher Veranlassung angeschafft werden. Von einem aktiven Landwirt zur Eigenbewirtschaftung erworbene Nutzflächen sind notwendiges Betriebsvermögen. Das gilt auch dann, wenn die hinzuerworbenen Grundstücke noch verpachtet sind. Die Zuordnung noch verpachteter Flächen zum notwendigen Betriebsvermögen setzt aber voraus, dass der Landwirt seinen Willen zur eigenbetrieblichen Nutzung der erworbenen Grundstücke eindeutig bekundet und sie sich in einem überschaubaren Zeitraum umsetzen lässt. Als überschaubaren Zeitraum sehen die Finanzrichter eine Spanne von bis zu zwölf Monaten an. Ist eine eigenbetriebliche Nutzung innerhalb dieser Zeit nicht möglich, kann das gekaufte Pachtgrundstück jedoch, soweit eine eindeutige Zuweisung zum landwirtschaftlichen Betrieb vorliegt, als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden.
Da sich der Umfang eines landwirtschaftlichen Betriebs nach der Verkehrsanschauung bestimmt, bei der örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind, erfordert dies die Prüfung, ob die Betriebsflächen von einer Hofstelle aus mit den gleichen Sachmitteln und Arbeitskräften bewirtschaftet werden können. Hier spielt insbesondere die räumliche Entfernung eine Rolle. Der strukturelle Wandel der Landwirtschaft lässt es dabei nach Auffassung der Finanzrichter im Einzelfall denkbar erscheinen, dass auch größere Entfernungen das Gesamtbild eines einheitlichen Betriebs nicht hindern. Die Richter lehnen zwar eine Höchstgrenze ab, aber eine Landwirtschaftsfläche, die mehr als 100 Kilometer vom Hof entfernt liegt, kann im Regelfall diesem Betrieb nicht mehr als Betriebsvermögen zugeordnet werden.
Fazit: Nach der geänderten Rechtsprechung ist ein landwirtschaftliches Grundstück, das beim Kauf noch fremdverpachtet ist, dem notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen, wenn die beabsichtigte Eigenbewirtschaftung innerhalb von zwölf Monaten erfolgt. Bei Verpachtungsbetrieben muss das gekaufte Grundstück innerhalb von zwölf Monaten vom bisherigen Betriebspächter bewirtschaftet werden. Ist eine entsprechende Nutzung innerhalb dieser Frist nicht möglich, kann das verpachtete Grundstück durch eine eindeutige Zuweisungsentscheidung dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet werden. Allerdings darf in beiden Fällen das Grundstück nicht mehr als 100 Kilometer von der Hofstelle entfernt liegen.