Es ist fraglich, ob diese alten Regelungen der heutigen Kontrolle der Arbeitsgerichte hinsichtlich Allgemeiner Geschäftsbedingungen (Standardklauseln) standhalten. Denn letztlich sind Chefärzte, vergleichbar Abteilungsleitern in anderen Unternehmen, ganz normale, wenn auch gut verdienende Arbeitnehmer. Schaut man sich die heutige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte an, dann findet man bereits Urteile, die die AGB-Kontrolle eines Chefarztvertrags allein daraus folgern, dass „der Arbeitsvertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält, die nicht auf die individuelle Vertragssituation des Klägers abgestimmt sind“.
Entwicklungsklauseln
Besonders deutlich wird das an zwei Beispielen: den Entwicklungsklauseln und der Regelung über die Abgeltung aller Arbeiten durch die Gesamtvergütung. Entwicklungsklauseln, die es den Krankenhäusern ermöglichen, Änderungen des Vertragsinhalts vorzunehmen, ohne Entschädigungsleistungen zahlen zu müssen und ohne eine Änderungskündigung auszusprechen, würden einer üblichen Kontrolle eines normalen Arbeitsvertrags durch die Arbeitsgerichte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr standhalten. Denn regelmäßig wird dadurch in den Bestand des Arbeitsverhältnisses eingegriffen, und das geht nur einvernehmlich oder mit einer Änderungskündigung. Anderweitige Regelungen stellen eine Umgehung des Kündigungsschutzes dar und sind deswegen unwirksam (ArbG Paderborn, 12.4.2006 – 3 Ca 2300/05; ArbG Heilbronn, 9.4.2008 – 7 Ca 214/08; ArbG Hagen, 5.9.2006 – 5 (2) Ca 2811/05; ArbG Nürnberg, 11.1.2010 – 3 Ca 7892/09).
Mehrleistungen inbegriffen
Nichts anderes gilt für die mehrstufigen Vergütungsregelungen in Chefarztverträgen. Zum einen erhalten Chefärzte eine Grundvergütung nach der höchsten Tarifstufe oder außertarifliche Zahlungen. Daneben erhalten sie das Liquidationsrecht bei der Wahlleistung „Chefarztbehandlung“ oder eine Beteiligung an den Einnahmen (so im Muster der DKG). Schließlich sehen die Verträge regelmäßig eine Nebentätigkeitsgenehmigung vor. Insgesamt übersteigt das Jahreseinkommen von Chefärzten damit regelmäßig die höchste
tarifliche Vergütung um ein Mehrfaches. Gleichzeitig sind damit alle weiteren Arbeiten abgegolten. (Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaft, Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit).
Häufig werden jedoch Begrenzungen für diese Dienste ausgehandelt. Sinnvoll ist dies schon deswegen, weil diese Klauseln andernfalls wegen Intransparenz von den Arbeitsgerichten aufgehoben werden können. Mag man auch darüber streiten, ob Chefärzte im Einzelfall „leitende Angestellte“ sind, sodass das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung findet, so prüfen die Gerichte im Streitfall doch, ob die Regelungen über Arbeitszeit und Vergütung der arbeitsvertraglichen AGB-Kontrolle standhalten. Dann müssen die Klauseln hinreichend bestimmt und transparent sein. Der Arbeitnehmer soll wissen, wie viele Dienste und Überstunden von seinem Gehalt umfasst sind. (LAG Düsseldorf, 6.5.2010 – 13 Sa 1129/09; anders aber das LAG Niedersachsen, 16.2.2009 – 9 Sa 1834/06).
Keine Unklarheiten zulassen
AGB müssen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Für das Krankenhaus dürften keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Dies ist nicht gewährleistet, wenn im Chefarztvertrag Rufbereitschaften „im üblichen Rahmen“ umfasst sind. Die Regelung ist zudem intransparent, weil nicht deutlich gemacht wird, welcher Teil der sonstigen Vergütung eine pauschale Abgeltung der Rufbereitschaften darstellt und welcher für „normale“ Arbeitsleistung gedacht ist.
FAZIT:
Krankenhäuser sind daher gut beraten, die Verträge individuell zu verhandeln und diese Verhandlungen zu dokumentieren. Dieses Aushandeln wird man aber nur ernsthaft annehmen können, wenn das Krankenhaus auch den Kern der jeweiligen Klausel tatsächlich zur Disposition gestellt und dem Arzt die Möglichkeit gegeben hat, den Inhalt zu beeinflussen.