Zusätzliche Einkommensquellen
Die in der Vergangenheit häufige Bezeichnung solcher landwirtschaftsfremden Einkommensalternativen als „Einstieg in den Ausstieg“ hat sich als falsch erwiesen. Vielmehr haben sich insbesondere Betriebe mit „Urlaub auf dem Bauernhof“ vielfach so gut entwickelt, dass sie immer häufiger das Haupteinkommen aus diesem Betriebszweig erwirtschaften und damit den Erhalt des landwirtschaftlichen Unternehmens sichern. Und auch in den Fällen, in denen die zusätzliche Einkommensquelle nicht das Haupteinkommen ausmacht, ist sie zumindest ein wichtiger Beitrag, um die Kosten der Lebenshaltung oder sogar den gesamten Haushaltsaufwand zu decken. Dadurch steht mehr an Eigenkapital für Investitionen zur Verfügung.
Waren vor zwanzig Jahren noch aufnahmefähige Märkte für einen Einstieg vorhanden, gestaltet sich der Wettbewerb heute besonders bei traditionellen Einkommenskombinationen weitaus schärfer. Bedingt durch den rasanten Strukturwandel sind mehr Landwirte auf der Suche nach neuen Chancen. Grundsätzlich sollten Landwirte daher alle drei großen Tätigkeitsfelder miteinander verbinden, die Nahrungsmittelproduktion, die Energiebereitstellung und die Förderung ländlicher Entwicklungspotenziale. Gerade dann, wenn in den Betrieben wirtschaftliches Wachstum durch Begrenzungen beim Viehbestand, in der Fläche oder im Leistungsniveau an Grenzen stößt, ist der Einstieg in neue Geschäftsfelder, die sich mit der Urproduktion als „Nebentätigkeiten“ kombinieren lassen, eine echte Alternative. Aber auch für Betriebe, in denen die Lebenshaltung von zwei Generationen „vom Hof“ bestritten werden muss, ist die Diversifizierung fast unabdingbar, denn die Landwirtschaft allein ist dazu in den traditionellen bayerischen Familienbetrieben selten in der Lage.
Wachstum durch Diversifizierung
Ausgesprochene Wachstumsbetriebe in der Urproduktion können besser ihre Chancen in der Landwirtschaft nutzen, oder sie diversifizieren im gleichen Betätigungsfeld und nehmen beispielsweise zur Milchviehhaltung noch die Kälberaufzucht auf mit dem Vorteil, dass sie Wissen und Erfahrungen in diesen Betriebszweig einbringen. Bei einer Diversifizierung in landwirtschaftsverwandte oder -fremde Sparten muss man sich das notwendige Wissen erst aneignen. Läuft der neue Betriebszweig gewinnbringend, lassen sich fallweise auch Risiken der Produktion wie Preiseinbrüche oder witterungsbedingte Ernteausfälle ausgleichen und Arbeitsspitzen auffangen.
Doch um mit den aus der landwirtschaftlichen Produktion freigesetzten Potenzialen des Betriebs – Gebäuden, Arbeitskraft, Kapital, Wissen – ein Zweigunternehmen aufzubauen, müssen diese Ressourcen zusammengefügt werden. Weil aber die einzelnen Betriebszweige untereinander Abhängigkeiten aufweisen, wird es auch innerbetrieblich einen Wettbewerb um die Ressourcen und den Gewinn geben. „Frauenspezifische Einkommensalternativen“, bei denen die Landwirtin die Hauptarbeit leistet, stehen zusätzlich im Wettbewerb mit der Haushalts- und Familienarbeit – um Zeit und Geld für die Versorgung der Haushaltsmitglieder – und natürlich mit einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit. Häufig lässt sich nur mithilfe einer Neuorganisation des Betriebs bei grundlegender Änderung der Arbeitsteilung, der Finanzplanung und des Krisenmanagements eine befriedigende Balance erreichen. Zwar birgt eine Kombination von sich gut ergänzenden Betriebszweigen sicherlich synergistische Effekte.
Allerdings nicht allein durch die intensivere und breitere Nutzung vorhandener Kapazitäten wie Maschinen, Gebäude und Flächen. Vielmehr fließt gerade bei der Bewirtschaftung marktorientierter Betriebszweige umfangreiches Know-how durch eine intensive Auseinandersetzung mit Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Kundenakquise, der Präsentation von Produkten und Leistungen und dem Verkauf in den Betriebszweig ein, was wiederum der gesamten landwirtschaftlichen Betriebsführung zugute kommt. In der Zusammenarbeit mit professionellen Partnern aus anderen Branchen liegt zusätzliches Potenzial für die Betriebe.
Startvorteile nutzen
Im Gegensatz zu anderen jungen Existenzgründern hat der landwirtschaftliche Betrieb bei der Zweitgründung eines Unternehmens einen Startvorteil, weil er den eigenen Betrieb als Standort mit Eigenkapitalbasis für diese neuen Aktivitäten nutzen kann. Hinzu kommt ein laufendes Einkommen aus den bisherigen Tätigkeiten, das es erleichtert, die Startphase durchzuhalten. Allerdings muss der Betrieb liquide sein. Das bedeutet, dass die vorhandenen Betriebszweige optimiert sind, bevor ein neues Standbein aufgebaut wird, weil es oft eine längere Anlaufzeit braucht, bis sich stabile Zahlungsströme einstellen.
Nicht notgedrungen muss es sich beim zweiten Standbein um ein eigenes Unternehmen handeln, in das investiert wird. Auch Dienstleistungen wie die Lohnarbeit und Maschinenvermietung oder aus dem Bereich Hauswirtschaft sind interessant. Dabei kann ein entsprechendes Dienstleistungsangebot entweder als selbstständiges Unternehmen aufgebaut werden (Party-, Wäscheservice) oder man arbeitet in einem hauswirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen mit.
Risiken beachten
Diversifizierung kann allerdings nicht das Allheilmittel für die Landwirtschaft sein. Nicht jeder ist für eine solche Mehrfachtätigkeit geeignet und kann gleichzeitig auf mehreren, vielleicht schon hoch ausgereiften, spezialisierten Baustellen mithalten. Vielmehr sollte man für das benötigte Kombinieren und Kooperieren ein gutes Organisationstalent mitbringen. Dazu kommt: Je dichter ein Feld bereits besetzt ist, umso höher sind die Risiken. Dies trifft vor allem auf Marktnischen mit einem ausgewählten Kundensegment zu. Zudem können neue Tätigkeitsfelder bei geringem Erfahrungshintergrund und fehlerhafter Einschätzung akute Existenzprobleme sogar verschärfen. So können unrealistische Planungsansätze sowie fehlende Datengrundlagen, ökonomisch relevante Zielwerte und Erfahrungen zu erheblichen Problemen führen. Riskant für die Stabilität ist, wenn der Reinvestitionsbedarf im Planungszeitraum oder Preissteigerungen bei zukünftigen Reinvestitionen nicht berücksichtigt werden oder die durchschnittliche Nutzungsdauer zu lang kalkuliert ist. Finanzierungsfehler führen häufig zu einer mangelhaften Liquiditätsreserve. Ohne eine solche Liquiditätsreserve lassen sich aber Produktions- und Preiseinbrüche nicht abfedern.
Einsteiger haben bei der Unternehmensgründung in einem neuen Geschäftsfeld außerdem das Risiko von Ertragsausfällen im laufenden Geschäft, den Arbeitszeitbedarf, die Marktrisiken durch volatile Märkte, die Politikrisiken wie unvorhergesehene Kürzungen der Förderung sowie Risiken im Umgang mit Handelspartnern noch nicht im Griff. Erst wenn die Produktionsabläufe im neuen Betriebszweig für den Betriebsleiter und Mitarbeiter transparent sind, lassen sich diese Risiken und die sich daraus folgenden Abhängigkeiten richtig einschätzen. Bei allen Formen der Diversifizierung hat das Synergiepotenzial seine Grenze, sodass
- bei freien Arbeitskapazitäten im Betrieb, aber bestehendem Kapitalmangel eine Arbeitnehmertätigkeit oder eine Dienstleistung sinnvoller ist, weil unter Umständen sofort mit Einnahmen zu rechnen und ein Ein- und Ausstieg problemlos möglich ist,
- bei freien Arbeitskapazitäten, ausreichend Liquidität und vorhandenen Kapitalreserven in den Betrieb investiert werden kann (Bauvorhaben),
- bei knapper Arbeitskapazität, aber vorhandenen Kapitalreserven in Bereiche investiert werden kann, die mit geringem Arbeitsaufwand bewirtschaftet werden können, beispielsweise in die Energiebereitstellung.
Neue Produkte auf dem Markt etablieren
Gerade in umkämpften Märkten erfordert die Gründung neuer Unternehmenszweige eine Innovation. Das bedeutet: Neue marktfähige Produkte oder Dienstleistungen müssen unter Nutzung betrieblicher bzw. regionaler Ressourcen etabliert werden. Für sie kann entweder die Kostenführerschaft angestrebt oder eine Premiumstrategie verfolgt werden. Um langfristig erfolgreich zu sein, sollten folgende Aspekte bei der Diversifizierung beachtet werden:
- Zunächst gilt es, ein angemessenes Kundenpotenzial zu identifizieren, um einen Ausbau oder die Nutzung vorhandener landwirtschaftlicher Gebäude und Maschinen gewinnbringend zu gestalten.
- Wettbewerb lässt sich dann für Synergieeffekte nutzen, wenn Profession erkannt und genutzt wird. Denn im vermeintlichen Konkurrenten findet man häufig den besten Partner für eine Zusammenarbeit.
- Landwirtschaft und ein weiteres unternehmerisches Betätigungsfeld bedeuten auch doppeltes unternehmerisches Risiko. Werden dabei unterschiedliche Märkte bedient, kann das Risiko minimiert werden.
Mit einer zusätzlichen außerbetrieblichen (abhängigen) Erwerbstätigkeit erzielen Landwirte in den meisten Fällen ein kontinuierliches Einkommen und schaffen so einen Ausgleich. Erfolgreiche Diversifizierung braucht Qualifikation, möglichst in Form einer gezielten Aus- und Weiterbildung. In Bayern wurde dafür ein Konzept entwickelt, mit dessen Hilfe sich Interessenten an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Gründung und Entwicklung von Einkommenskombinationen qualifizieren können. Aufgrund der Modulstruktur des Konzepts ist es sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene geeignet. Da gerade beim Bewirtschaften von Einkommenskombinationen der Erfahrungsaustausch enorm wichtig ist, kann das Erarbeiten in der Gruppe sehr nützlich sein.
Fazit
Die Möglichkeiten der Diversifikation sind auch in Zukunft nicht ausgeschöpft: Neue Produkte und Spezialleistungen für neue Zielgruppen und neue Lebensstile (Stichwort: Gesundheit und Nachhaltigkeit), die Möglichkeiten einer breiteren überbetrieblichen Zusammenarbeit, der Vergabe von Leistungen in vor- und nachgelagerte Bereiche und ein noch professionelleres Management ermöglichen jede Menge Perspektiven. Wichtig dabei ist, dass Trends früh erkannt, Nischen entdeckt und diese systematisch weiterentwickelt werden. Kurzum: Diversifizierung ist zwar eine mit Risiken verbundene Herausforderung, aber doch eine Erfolg versprechende Chance zur Stabilisierung eines Betriebs.