Zwischen Hausärzten und Fachärzten, zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern und auch zwischen operativen und konservativen Ärzten derselben Fachrichtung fließen Patientenströme, die im Idealfall nur medizinischen Erwägungen folgen. Natürlich hat der Arzt als Zuweiser Einfluss auf die Patientenentscheidung, wo dieser sich operieren oder weiterbehandeln lässt. Seine Empfehlung ist maßgeblich. Denn schließlich hat der Patient ihm bereits bei der Behandlung vertraut, warum soll er nicht auch seiner Empfehlung Vertrauen schenken? Der Zuweiser hat damit die Möglichkeit, den Patienten an einen Empfänger weiterzuleiten. Und dieser generiert daraus ein entsprechendes Honorar, welches er ohne den Zuweiser vielleicht nicht hätte. Es liegt nahe, dass mancher Zuweiser an diesem wirtschaftlichen Vorteil des Zuweisungsempfängers teilhaben möchte. Er verlangt eine „Vermittlungsprovision“, wie auf dem freien Markt üblich und zulässig. „Der Wunsch ist nicht unverständlich“, so Müller. „Denn anders als RLV, QZV, floatender Punktwert und Budget sind Kopfprämien klar und überschaubar. In einem als überreguliert empfundenen Markt ist die Versuchung groß, den Kontrollinstanzen KV, Kammer und Finanzamt auf diese Weise ein Schnippchen zu schlagen.“
Im freien Markt kein Problem
Was in der freien Wirtschaft kein Problem ist, stößt jedoch im regulierten Gesundheitsmarkt auf rechtliche Hürden. Da ist zunächst das ärztliches Berufsrecht: Nach § 31 der Musterberufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) ist es verboten, „für die Zuweisung von Patienten und Patientinnen oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren“. Die Vorschrift ist inhaltlich von allen Landesberufsordnungen übernommen worden und umfasst sowohl aktive (versprechen/gewähren) als auch passive (sich versprechen/gewähren lassen) Varianten. Ein Verstoß gegen die Berufsordnung kann Maßnahmen von der Warnung über eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro bis hin zur Feststellung, dass der Arzt unwürdig ist, seinen Beruf auszuüben, nach sich ziehen. Darüber hinaus stellt § 31 MBO-Ä aber auch ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung vertritt. Verstöße gegen die Vorschrift führen zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts mit der Folge, dass sämtliche gezahlten Beträge zurückerstattet werden müssen.
„Viel gravierender dürfte aber sein, dass nach einer sich abzeichnenden Umkehr der Rechtsprechung die Teilnahme an solchen „Kick-Back-Modellen“ nach § 299 StGB als Bestechung bzw. Bestechlichkeit qualifiziert wird“, erläutert Ecovis-Rechtsanwalt Müller. Die Vorschrift stellt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe für denjenigen in Aussicht, der zum Beispiel als Beauftragter eines Geschäftsbetriebs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür annimmt, dass er einen anderen bei dem Bezug von Leistungen in unlauterer Weise bevorzugt. Seit Anfang 2010 liegt ein erstes Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vor, in dem ein Arzt als Beauftragter der Krankenkasse im Sinne der Strafvorschrift gesehen wird. Prof. Thomas Fischer, stellvertretender Vorsitzender des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof, hat dieser Auffassung im „Spiegel“ zugestimmt, was bei den zuständigen Staatsanwaltschaften sicherlich nicht unbemerkt geblieben ist.
Der Sinn des Verbots
Das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt soll dem Schutz des Patienten, aber auch der Entscheidungsfreiheit des Arztes dienen: Die Entscheidung, wohin er einen Patienten zuweist, soll er allein aufgrund medizinischer Erwägungen, also frei von wirtschaftlichen Interessen, treffen können. Das Verbot in der Berufsordnung soll schon dem äußeren Eindruck vorbeugen, der Arzt lasse sich bei der Überweisung von Patienten von anderen als sachlichen Erwägungen leiten. Zudem soll die Vorschrift die freie Arztwahl des Patienten schützen, die sonst aufgrund der Verabredung unter den Behandlern eingeschränkt sein könnte. „Nach dieser Argumentation müsste aber dem Arzt jede Empfehlung untersagt sein, was die Arztwahl wohl eher erschwert als erleichtert“, gibt Müller zu bedenken.
Lösungsansätze
An der Schnittstelle zwischen Klinik und ambulant tätigen Ärzten werden zurzeit vielfältige Modelle wie Konsiliartätigkeiten, postoperative Visiten, „sektorenübergreifende Verträge“, Teilzeitanstellungen im Krankenhaus und die kostenlose oder kostengünstige Überlassung von Geräten an niedergelassene Ärzte erprobt, die Zuweiser binden und teils auch belohnen sollen, ohne gegen die dargestellten Vorschriften zu verstoßen. Sie alle haben gemeinsam, dass es keine gefestigte Rechtsprechung gibt, welche Formen der Tätigkeit von niedergelassenen Ärzten im Krankenhaus neben Belegärzten zulässig sind. Immer wenn ein niedergelassener Arzt eigene Patienten im Krankenhaus behandelt, steht der Vorwurf der Zuweisung gegen Entgelt im Raum.
„Zwar sprechen gute Argumente für eine weitgehende Zulässigkeit der Behandlung durch Niedergelassene im Krankenhaus – bis zu einer Klärung durch die Obergerichte dürfte der sicherste Weg aber wohl die Teilzeitanstellung im Krankenhaus sein“, so das Resümee von Ecovis-Rechtsanwalt Müller. Diese ist für einen niedergelassenen Vertragsarzt bis zu 13 Stunden pro Woche zulässig. Soll er mehr als 13 Stunden in der Klinik tätig sein, besteht für ihn die Möglichkeit, auf einen halben ambulanten Versorgungsauftrag zu verzichten und so neben der Praxis immerhin 23 Stunden pro Woche arbeiten zu können. Der halbe Sitz kann dann ausgeschrieben und wirtschaftlich verwertet werden.