Herr Just, nach ersten Schätzungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dürfte Deutschland in diesem Jahr rund 360 Milliarden Euro für die Altersversorgung ausgeben. Wie viel davon betreut Ihr Haus?
Seit ich vor 15 Jahren in die Bayerische Versorgungskammer eingetreten bin, hat sich vieles sehr gewandelt. Damals gab es hohe Zinsen im Kapitalgeschäft, unsere Immobilien lagen überwiegend in Bayern und brachten gute Renditen. Seither ist die Kammer stark gewachsen und hat sich internationalisiert. Derzeit verwalten wir ein Vermögen von rund 55 Milliarden Euro nach Buchwert, das sind etwa 63 Milliarden Euro nach Marktwert. Dies entspricht 15 Prozent des von Ihnen genannten Altersversorgungsvolumens. Insgesamt betreuen wir zwölf verschiedene Versorgungswerke, die gemeinsam aus einer Hand gemanagt, aber getrennt mit eigenen Gremien verwaltet werden. Pro Jahr nehmen wir Beiträge in Höhe von 4,2 Milliarden Euro ein und zahlen Renten in Höhe von 2,7 Milliarden Euro aus.
Für welche Berufsgruppen sind Sie tätig?
Wir verstehen uns als Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum für berufsständische und kommunale Versorgungswerke. Das sind einmal die berufsständischen Einrichtungen mit Vollversorgungssystem für Ärzte, Apotheker, Architekten, Ingenieure, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte und Steuerberater. Außerdem haben wir berufsständische Versorgungseinrichtungen mit Zusatzversorgungssystem für Angehörige der Bühnen und der Kulturorchester, für die Bezirksschornsteinfegermeister und die Kaminkehrergesellen mit Pensionskasse des Schornsteinfegerhandwerks. Und schließlich die kommunalen Altersversorgungssysteme mit der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden. Diese zwölf Berufsgruppen können über ihre Renten hinaus auch freiwillige zusätzliche Leistungen erhalten, sofern sie dafür zusätzliche Beiträge entrichten.
Wie viele zahlende Mitglieder betreuen Sie?
Bei uns sind rund 1,6 Millionen Menschen versichert, etwa 300.000 Menschen erhalten bereits Versorgungsleistungen von uns. Insgesamt haben wir 1,9 Millionen Kunden.
Inwieweit versuchen denn andere Berufsgruppen, bei Ihnen einzusteigen?
Sie würden gerne, doch ist ihnen dies verschlossen. Denn wir können sie nur aufnehmen, wenn ihnen dies gesetzlich erlaubt ist und sie von der Deutschen Rentenversicherung befreit sind. Der Gesetzgeber hat solche Lösungen in der Vergangenheit immer wieder für neue Berufsgruppen wie etwa Steuerberater und Psychotherapeuten ermöglicht. Wir sind eben für viele attraktiv, weil wir von den Mitgliedern selbst verwaltet werden und keine Gewinnabsicht haben. Als öffentlich-rechtliches Sicherungssystem für Angehörige kammerfähiger freier Berufe sind wir für deren Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung zuständig. Da wir im Wesentlichen Pflichtmitglieder haben, müssen wir keine großen Werbeaktionen fahren und haben entsprechend nur geringe Kosten.
Die gesetzliche Rentenversicherung hat ihre Leistungen seit den 1990er-Jahren stark reduziert und ist für viele nicht mehr attraktiv. Wie hat sich die Altersversorgung Ihrer Klientel entwickelt?
Generell positiv. Natürlich spüren auch wir die bekannten Gegenkräfte. Aber anders als die traditionellen Lebensversicherer können wir viel präziser arbeiten, weil wir ja alle Angehörigen eines Berufsstands uneingeschränkt betreuen. Dies lässt eine umfassende Planung und Vorsorge zu. Zudem sind wir nicht gewinnorientiert. Das verleiht uns einen guten Status.
Viele Versorgungswerke haben die von Ihnen betreuten Gelder schwerpunktmäßig in Schuldscheinen, Aktien, Fonds und Anleihen angelegt. Auf welche Formen setzen Sie?
Wir haben ein anderes System als die Deutsche Rentenversicherung, die ja nach dem Umlageprinzip arbeitet, und können uns sehr viel mehr auf längerfristige Anlagen konzentrieren. Wenn ein Apotheker gleich nach dem Studium bei uns eintritt, dann zahlt er vielleicht erst einmal bis zu 40 Jahre lang Beiträge, ehe er dann Rentenzahlungen erhält. Wir haben sogar Beispiele für eine bis zu 80-jährige Kundenbeziehung bei uns, wenn Sie die Witwen- und Waisenrenten mitberücksichtigen. Das sind alles langjährige Vertragsverhältnisse. Bei der Kapitalanlage setzen wir dementsprechend zu 60 Prozent auf zinsabhängige Formen; Lebensversicherer rangieren da im Vergleich in Deutschland bei weit über 80 Prozent. Wir haben mit 13 Prozent einen relativ hohen Anteil von Immobilien im In- und Ausland und liegen bei einer maßvollen Aktienquote von zehn Prozent. Verstärkt setzen wir bei Anlagen auf Infrastruktur und Wald, weil wir uns dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet sehen. Deshalb haben wir auch die Erklärung der „UN Principles for Responsible Investment“ (UN-PRI) unterzeichnet.
Wie gehen Sie mit dem niedrigen Garantiezins und den sinkenden Renditen um? Auf was müssen sich Ihre Mitglieder künftig gefasst machen?
Wir verfolgen bei der Kapitalanlage eine Strategie der drei Wege und setzen auf zurückhaltende Dynamisierung, breite Diversifizierung und langfristiges Denken. Deshalb müssen sich die Mitglieder bei uns keine Sorgen machen, denn unser System ist langfristig solide.