Für die Beurteilung der Fremdüblichkeit von Zinssätzen gelten allgemeine Grundsätze. In seinem Urteil vom 22. Februar 2023 hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine Auslegung der Fremdüblichkeit festgelegt (I R 27/20).
Allgemeine Grundsätze
Die Rechtsprechung hat die allgemeinen Grundsätze bei der Beurteilung von Darlehensgeschäften zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter festgelegt. So kommt der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung in Betracht, wenn das Unternehmen einem Gesellschafter das Darlehen zinslos oder zu einem unangemessen niedrigen Zinssatz gewährt. Die Prüfer gehen insbesondere dann von einer verdeckten Gewinnausschüttung aus, wenn die Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt.
Gesellschaften, die den angemessenen Zinssatz bestimmen wollen, sollten vorrangig die Preisvergleichsmethode anwenden. Dabei ist der Fremdpreis der Zins, zu dem ein fremder Dritter unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt bekommen hätte. Zur Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes erkennt die Finanzverwaltung auch den „Margenteilungsgrundsatz“ als sachgerecht an, bei dem sich die privaten Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.
So können Gesellschafter den Zinssatz berechnen
Die Prüfung, ob die Höhe des Zinssatzes als angemessen anzusehen ist, erfolgt in folgenden vier Schritten:
- Gibt es geeignete Vergleichsdaten?
Vergleichsdaten sind heranzuziehen, sofern die Gesellschaft Bankgeschäfte betreibt oder eigene Kredite aufgenommen hat. Zahlt die Gesellschaft an ihren Gesellschafter ein Darlehen aus, hat aber gleichzeitig eigene Kreditschulden, die sie mit diesem Geld begleichen könnte, sind als Vergleichsdaten die Zinssätze für den Kredit bei der Bank heranzuziehen. - Auf welche statistischen Werte können Gesellschaften zurückgreifen?
Liegen keine geeigneten Vergleichsdaten vor, können Gesellschaften auf die statistischen Zeitreihen der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückgreifen. Auf der Internetseite der Bundesbank lassen sich die entsprechenden MFI-Zinsstatistiken abrufen (Einlagen- und Kreditzinssätze | Deutsche Bundesbank). Aus diesen Statistiken sind die jeweiligen Soll- und Habenzinssätze ersichtlich. - Welche Soll- und Habenzinssätze sind heranzuziehen?
Beispiel: Der BFH ging in seinem Urteil vom 22. Februar 2023 aufgrund der Niedrigzinsphase von einem banküblichen Habenzinssatz aus, der nur wenig über der Null-Prozent-Marke lag. Zur Ermittlung des Sollzinssatzes wurden die Prozentsätze für revolvierende Kredite und Überziehungskredite an Privathaushalte herangezogen. Diese bewegten sich etwas über neun Prozent. Hintergrund, weshalb in diesem Urteil auf Überziehungskredite an Privathaushalte abgestellt wurde, war, dass der Gesellschafter kurz vor der Insolvenz stand.Für die Prüfung der Angemessenheit ist auf die Sicht des Darlehensnehmers abzustellen, so auch im Beispiel oben. In diesem Fall wurde daher ermittelt, zu welchem Zinssatz der Gesellschafter ein vergleichbares Darlehen von einem Kreditinstitut erhalten hätte. Maßgeblich sind dabei die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
Grundsätzlich ist bei der Ermittlung des Sollzinssatzes miteinzubeziehen, ob ein Risiko besteht, dass der Darlehensnehmer das geliehene Geld nicht zurückzahlen kann (Ausfallrisiko). Damit sind die Sicherheitsrisiken, etwa geringe Bonität oder fehlende Sicherheiten, stets sachgerecht zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist nicht nur auf die aktuelle Situation des Darlehensnehmers abzustellen, sondern auch die künftige wirtschaftliche Entwicklung einzubeziehen. Es gilt hier der Grundsatz: Je höher das Kreditausfallrisiko, desto höher der Zinssatz.
Nach dem Ende der Niedrigzinsphase wird die Höhe der Habenzinsen wieder interessanter, da es darum geht, zu welchem Zinssatz (für den betrachteten Zeitraum) das Unternehmen ihr Eigenkapital bei der Bank hätte anlegen können.
- Wie ist der maßgebliche Zinssatz zu ermitteln?
Nach Auffassung des BFH ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen. Der maßgebliche Zinssatz ist innerhalb dieser Marge durch Schätzung zu ermitteln. Unter Anwendung des Margenteilungsgrundsatzes hat der BFH in seinem Urteil vom 22. Februar 2023 mangels anderer Anhaltspunkte einen Zinssatz von 4,5 Prozent angenommen und stellte damit exakt auf den Mittelwert der Soll- und Habenzinsen ab.