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Haarwurzeltransplantationen: Wann Ärzte Umsatzsteuer ausweisen müssen

(PresseBox) (Berlin, )
Millionen von Menschen sind in Deutschland von Alopezie, also Haarausfall, betroffen. Mit dem wachsenden Interesse an ästhetischen Behandlungen, wie Haarwurzeltransplantationen, stellt sich für Ärztinnen und Ärzte die Frage, ob diese Eingriffe von der Umsatzsteuer befreit sind. Ein Urteil zur Besteuerung von Haarwurzeltransplantationen des Finanzgerichts Düsseldorf erklärt Ecovis-Steuerberaterin Theresa Günther in München.

Ist Haarausfall eine Krankheit?

Ursachen für die in Deutschland weit verbreitete Alopezie – bei Männern etwa 60 bis 80 Prozent, bei Frauen 20 bis 30 Prozent – können unterschiedlicher Natur sein. Sie reichen von Hormonschwankungen, chronischen Belastungen bis hin zu einer erblichen Veranlagung. Die Betroffenen leiden oft schon in jungem Alter an den Folgen des Haarausfalls. Medizinisch gesehen ist unter drei Ausprägungsstufen zu unterscheiden, was für die Umsatzsteuer eine erhebliche Rolle spielt:
  • Androgenetische Alopezie: Dies ist die häufigste Form des Haarausfalls, die sowohl Männer als auch Frauen betrifft und durch eine genetische Veranlagung sowie hormonelle Einflüsse verursacht wird.
  • Hereditäre Alopezie: Ebenfalls genetisch bedingt, zeigt sich diese Form in unterschiedlichen Ausprägungen und kann sowohl Männer als auch Frauen betreffen.
  • Narbige Alopezie: Diese eher seltene Form des Haarausfalls entsteht durch Infektionserkrankung der Kopfhaut, die die Haarfollikel zerstört und somit dauerhaften Haarausfall verursacht und Narben an der Kopfhaut hinterlässt.
Hintergrund

Heilbehandlungen in der Humanmedizin sind nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn eine medizinische Indikation, also eine Krankheit, vorliegt. Führen Ärzte Behandlungen durch bei denen weniger eine Erkrankung, sondern vielmehr ästhetische Ansprüche eine Rolle spielen, dann stellt sich für Behandler die Frage, welche Form der Alopezie unter die Heiltätigkeit fällt und welche umsatzsteuerpflichtig ist.

Sachverhalt

Anlass war eine Betriebsprüfung bei einem Facharzt für Chirurgie, der in seiner auf Haarausfall spezialisierten Praxis auch Haarwurzeltransplantationen durchführt. Er wies bei der Rechnungsstellung für Haarwurzeltransplantation, unabhängig von der Ausprägung der Alopezie des Patienten, keine Umsatzsteuer aus. Das Finanzamt erkannte die Steuerbefreiung jedoch nur für die narbige Alopezie an. Sie ist als Krankheit angesehen. Andere Formen der Alopezie seien hingegen nicht steuerbefreit, da die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung nicht nachgewiesen sei.

Der Arzt legte daraufhin Einspruch ein und argumentierte, dass die Leistungen einen therapeutischen Zweck hätten, einschließlich der Vorbeugung von Kopfhauterkrankungen. Das Finanzamt verlangte jedoch den Nachweis der medizinischen Indikation im Einzelfall. Der Fall führte zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, in der der Kläger forderte, die festgesetzten Steuerbeträge in den Umsatzsteuerbescheiden herabzusetzen. Das Finanzamt hingegen strebte die Abweisung der Klage an.

So urteilte das Gericht

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 16. Juni 2021 klargestellt, dass Haarwurzeltransplantationen zur Behandlung der androgenetischen oder hereditären Alopezie nicht von der Umsatzsteuer befreit sind (5 K 2710/17). Der Hauptgrund hierfür ist, dass diese Behandlungen primär kosmetischen Zwecken dienen und nicht der Heilung oder Behandlung der Ursachen des Haarausfalls. Folglich fehlt es an der erforderlichen therapeutischen Zielsetzung, die eine Steuerbefreiung rechtfertigen würde.

Lediglich in Einzelfällen sei zu beurteilen, wie stark die psychische Belastung des Patienten betroffen ist, ob ein Krankheitswert vorgelegt werden kann und sich dadurch die Steuerfreiheit in Betracht ziehen lässt.

Anders verhält es sich bei der narbigen Alopezie. Da diese Form des Haarausfalls als Krankheit anerkannt ist, sind die entsprechenden Haarwurzeltransplantationen als Heilbehandlungen einzustufen und somit von der Umsatzsteuer befreit.

Die Bedeutung des Urteils für Ärztinnen und Ärzte

Für Patienten und Ärzte bedeutet das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf, dass kosmetische Eingriffe, selbst wenn medizinisches Fachpersonal diese durchführt, in der Regel nicht steuerbefreit sind. Steuerbefreit sind sie nur, wenn sie primär der Heilung oder Prävention einer anerkannten Krankheit dienen. Jetzt ist der Bundesfinanzhof (BFH) am Zug und prüft abschließend (XI R 17/21) den Fall. „Das bedeutet, dass noch keine abschließende Entscheidung ergangen ist und Betroffene bis zur endgültigen Klärung durch den BFH alle Fälle offenhalten sollten“, sagt Steuerberaterin Theresa Günther.
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