Gerade in einer Krisensituation entstehen jedoch diverse strafrechtliche Haftungsrisiken, zumal die geschäftsführenden Inhaber häufig geneigt sind, ihre Unternehmen als Teil ihres Lebenswerks beinahe um jeden Preis erhalten zu wollen. Die Tücken liegen oftmals im Detail. So werden bei Zuspitzung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten mitunter die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht mehr gezahlt, ohne dass eine beweisbare Stundungsvereinbarung mit den Sozialversicherungsträgern oder den Einzugsstellen vorliegt. „Ein solches Unterlassen sanktioniert das Strafrecht als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“, betont Ecovis-Rechtsanwalt Sebastian Knarse. Häufig komme es wegen solcher Delikte zu Verurteilungen durch Strafgerichte, zudem sei das verhängte Strafmaß dabei vergleichsweise hoch, „weil das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherung der Sozialversicherung als überaus gewichtiges Rechtsgut angesehen wird“.
Besondere Vorsicht ist gerade in Krisenzeiten beim Umgang mit Gläubigern angebracht. Ein Beispiel: Einzelne Kreditoren dürfen im Vergleich zu anderen Gläubigern nicht übervorteilt werden, wenn das Unternehmen insgesamt eigentlich schon zahlungsunfähig ist. „Andernfalls könnte sich der Unternehmer schnell mit dem Vorwurf der Gläubigerbegünstigung gemäß § 238c StGB konfrontiert sehen. Gerade wichtige Lieferanten werden jedoch häufig bevorzugt bedient, damit es – jedenfalls auf Zeit – mit dem Geschäftsbetrieb überhaupt weitergehen kann“, erläutert Knarse.
Bei der Gläubigerbegünstigung kommt einem Gläubiger ein Vorteil zugute, der ihm nicht zusteht. Insolvenzverwalter schauen ganz genau hin und prüfen bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzfall, ob ein solcher Tatbestand vorliegt. Der Vorwurf der Gläubigerbegünstigung droht auch im Falle von Darlehensabsicherungen, etwa beim Immobilien- oder Maschinenkauf. „Auch in solchen Fällen kann es sich um einen Straftatbestand handeln“, warnt Ecovis-Mittelstandsberater Josef Häusler.
Ist eine GmbH zahlungsunfähig oder ohne Vorliegen einer positiven Fortbestehensprognose überschuldet, hat der Geschäftsführer nur drei Wochen Zeit, die Insolvenz zu beantragen. „Leider wird diese Frist oftmals versäumt. Und dann hat man den Straftatbestand der Insolvenzverschleppung“, erklärt der Experte. Wenn die Antragsfrist tatsächlich bereits verstrichen ist, wird es gefährlich: Jetzt benötigt der Geschäftsführer einen Nachweis, dass er die Antragspflicht nicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Das heißt: Er muss belegen, dass eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung noch nicht vorlag. Der Hinweis auf ein fehlerhaftes Rechnungswesen reicht als Begründung selbstverständlich nicht aus. Falls der Geschäftsführer den Nachweis nicht erbringen kann, drohen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder zumindest eine saftige Geldstrafe. Außerdem kann es sein, dass er gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft mit seinem Privatvermögen persönlich haften muss. Mehr noch: „Wenn ein Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung oder anderer Insolvenzstraftaten verurteilt wurde, darf er laut GmbH-Gesetz danach nicht mehr als Geschäftsführer tätig sein“, mahnt Häusler. Für manche verurteilte Geschäftsführer sei dieses Verbot geradezu die Höchststrafe.
Im Insolvenzfall sucht der Insolvenzverwalter außerdem nach etwaigen Gesellschafterdarlehen, die ausbezahlt wurden. „Die Insolvenzverwalter können solche Zahlungen zurückfordern“, so Ecovis-Rechtsanwalt Thomas Schinhärl. In manchen Fällen wird der Gesellschafter-Geschäftsführer von Mitgesellschaftern verklagt, wenn herausgekommen ist, dass er ein Grundstück überteuert an die GmbH verkauft hat. „Auch unter steuerlichen Aspekten kann dies für ihn gravierende Haftungsfolgen nach sich ziehen, wenn durch den überteuerten Verkauf eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt“, sagt Schinhärl. Nicht zuletzt ist beim Insolvenzfall die Erhaltung des Stammkapitals von großer Bedeutung, da es von den Insolvenzverwaltern, die ja die Ansprüche der Gläubiger bündeln und geltend machen, zurückgefordert wird.
Der beste Schutz gegen haftungs- und strafrechtliche Insolvenzrisiken ist die fortwährende Überprüfung der aktuellen Geschäfts- und Ertragsentwicklung. „Wer dies beachtet und über eine permanent aktualisierte Liquiditätsplanung verfügt, kann die ersten Krisenanzeichen erkennen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten“, erklärt Ecovis-Experte Häusler.
In einer Krisenlage hilft die sogenannte Geschäftsführer-Entlastung den Firmenchefs im Übrigen nicht aus der Klemme. Mit der Entlastung, die in aller Regel nur für Fremd-Geschäftsführer von Bedeutung ist, haben die Gesellschafter die Geschäftsführung im jeweiligen Geschäftsjahr für ordentlich befunden. Damit verzichten sie auf eventuelle Schadensersatzansprüche und sprechen dem Geschäftsführer das Vertrauen für die Zukunft aus. Etwaige Straftatbestände wie Steuerhinterziehung, Untreue oder Insolvenzverschleppung sowie Gläubigeransprüche sind davon freilich nicht betroffen.
Sogenannte D&O-Versicherungen, die die Haftungsrisiken für Geschäftsführer etwa bei groben Fehlern in der Geschäftspolitik abmildern, sind im Grunde nur für Fremd-Geschäftsführer relevant. Ein Vorteil der D&O-Versicherung: Sie springt womöglich auch dann ein, wenn ein Manager für die Fehlentscheidungen anderer finanziell geradestehen muss.