Kein Erbschein – Formfehler
Im Rahmen der Betreuung durch den Mitarbeiter äußerte der schwer erkrankte Patient den Wunsch, ein Testament zugunsten seiner Lebensgefährtin, der Klägerin, errichten zu wollen. Aufgrund seiner bereits fortgeschrittenen Erkrankung war der Patient selbst jedoch nicht mehr in der Lage, ein Testament handschriftlich aufzusetzen. Daher tippte der Krankenhausmitarbeiter einen Entwurf auf der Maschine, las das Testament dem Patienten in Gegenwart der Klägerin und einer Ärztin als Zeugin vor, ließ es anschließend vom Patienten selbst und als Zeugen von der Ärztin des Krankenhauses unterschreiben und unterzeichnete selbst als Zeuge. Dabei gingen alle Beteiligten davon aus, ein formgültiges Nottestament errichtet zu haben. Erst danach willigte der Patient in eine Schmerztherapie mit Morphium ein und verstarb kurz darauf. Die von der Klägerin beantragte Erteilung eines Erbscheins wurde wegen Formfehlers im Nottestament abgelehnt.
Grundsätzlich muss ein Testament, damit es Wirksamkeit erlangt, eigenhändig geschrieben und unterzeichnet oder vom Notar erstellt sein. Die Errichtung eines Nottestaments ist nur dann zulässig, wenn der Testierende nicht mehr in der Lage ist, ein Testament selbst handschriftlich zu verfassen, und auch kein Notar rechtzeitig zu erreichen ist. Diese Voraussetzungen können bei schwer kranken Patienten unter Umständen vorliegen.
Die Gültigkeit eines Nottestaments setzt unter anderem voraus, dass drei unabhängige Zeugen bei der Verlesung des letzten Willens anwesend sind und dies anschließend mit ihrer Unterschrift dokumentieren (§ 2250 BGB). Die Lebensgefährtin allerdings konnte keine Zeugin sein, da sie selbst in dem Testament begünstigt wurde. Folglich wurde es nur vor zwei unabhängigen Zeugen verlesen und unterschrieben. Die Klägerin wurde deshalb nicht Erbin des beträchtlichen Vermögens des Patienten.
Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfe
Daraufhin verklagte die Frau den Krankenhausträger auf das entgangene Erbe in Form von Schadensersatz (zunächst in einer Teilklage über einen Teilbetrag). Das erstinstanzliche Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass es sehr unwahrscheinlich erscheine, dass die Klägerin ohne die Pflichtverletzung des Krankenhausmitarbeiters Erbin geworden wäre. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und gab der Lebensgefährtin recht. Der Krankenhausträger müsse sich das Verhalten seines Mitarbeiters als sogenannter Erfüllungsgehilfe zurechnen lassen.
Grundlage für die Haftung des Krankenhausträgers auch gegenüber der Klägerin war der Krankenhausvertrag des Lebensgefährten der Klägerin mit dem Krankenhausträger. In die Schutzpflicht, die zunächst gegenüber dem Patienten bestand, sei auch seine Lebensgefährtin miteinbezogen, obwohl selbst nicht Partei des Vertrags (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter). Eine Pflicht für den Mitarbeiter, für den Patienten und dessen Lebensgefährtin ein Testament zu errichten, hatte nach Auffassung des Gerichts nicht bestanden.
FAZIT:
Angesichts des hohen Haftungsrisikos sollten Krankenhäuser ihre Mitarbeiter anweisen, Patienten, die um Hilfe bei der Errichtung eines Testaments bitten, auf die Einholung von Rechtsrat durch einen Rechtsanwalt oder Notar zu verweisen und nicht selbst tätig zu werden.
Autorin: Dr. Isabel Häser, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Ecovis in München, isabel.haeser@ecovis.com