Vermutlich bleiben die vergangenen zwei Jahre Landwirten gut im Gedächtnis: Zum einen bereitete die Corona-Pandemie gerade bei arbeitsintensiven Betrieben aufgrund der fehlenden Saisonarbeitskräfte große Probleme. Zum anderen sorgt der Krieg in der Ukraine auch hierzulande für Schwierigkeiten, etwa wegen der seit Monaten erhöhten Energiepreise. Die Beeinträchtigungen der deutschen und europäischen Wirtschaft sind enorm, zumal die Preiserhöhungen die Inflation anfachen, die die Europäische Zentralbank (EZB) mit höheren Zinsen zu bremsen versucht.
Landwirtschaft von Insolvenzen bisher verschont
Bisher ist die befürchtete Insolvenzwelle, die Handwerks- und Produktionsbetrieben langsam, aber sicher Probleme bereitet, bei den Landwirten (noch) nicht angekommen. „Die Zukunftsaussichten für Agrarbetriebe sind jedoch alles andere als rosig“, sagt Alexander Waschinger, Unternehmensberater bei Ecovis in Dingolfing.
Die Knappheit führte beispielsweise bei Erdgas bereits zu erheblichen Kostensteigerungen. Nicht nur die Düngemittelpreise sind massiv gestiegen. Auch lebensmittelverarbeitende Unternehmen wie Molkereien, die Gas für Prozesswärme benötigen, sind in Schieflage geraten. „Wer auf andere Energieträger ausweichen kann, muss sich nicht so große Sorgen machen. Das aber konnten bislang nur wenige Betriebe, um auf der Kostenseite einigermaßen stabil zu bleiben“, weiß Waschinger.
Existenzbedrohende Krisensituation kann entstehen
Die aktuelle Entwicklung bedeutet für die Landwirte daher einerseits, dass sich die Einnahmen verringern. Andererseits müssen sie mehr Geld ausgeben, nicht nur für Düngemittel, sondern auch für Kraftstoffe und Finanzierungen. Hinzu kommen Engpässe bei der Verfügbarkeit von Futtermitteln. Dazu gehört etwa das Eiweißfutter Soja, das die Landwirte in der Vergangenheit aus der Ukraine importiert haben. Auch hier bedeutet das Ausweichen auf Lieferanten anderer Länder eine Preissteigerung.
Diese Probleme können bei landwirtschaftlichen Betrieben Krisensituationen auslösen, die existenzbedrohend sein können. Wichtig ist daher, frühzeitig zu erkennen, ob ein Betrieb in eine Krise schlittert oder ob diese bereits eingetreten ist.
Die Ursachen von Verlusten frühzeitig analysieren
„Je nach Aktualität der Buchhaltung zeichnet sich eine Ertragskrise bereits in der Betriebswirtschaftlichen Auswertung ab, wenn einzelne Monate oder Quartale schon mit einem Verlust abschließen“, sagt Waschinger. Je nach Betriebsart ist hierbei wichtig, genau zu analysieren, ob der Verlust tatsächlich krisenbedingte Ursachen hat oder ob es sich möglicherweise um einen normalen Saisonverlust handelt. Denn dieser lässt sich in der Regel über den Jahresverlauf komplett ausgleichen.
Erkennt der Landwirt – am besten zusammen mit seinem Berater – die Ursachen des Verlusts, ist zu prüfen, wie das Problem zu lösen ist, etwa durch einen alternativen, günstigeren Einkauf. „Zudem ist immer aktuell zu prüfen, ob es neu aufgelegte Hilfen oder Fördermittel für den betroffenen Betrieb gibt“, rät Waschinger.
Was beim Eintritt einer angespannten Lage zu tun ist
Ist nicht nur eine Ertragskrise, sondern ein weiter fortgeschrittener Liquiditätsengpass gegeben, beispielsweise wenn Kontoguthaben aufgebraucht oder Kreditlinien bereits ausgeschöpft sind, ist zügiges Handeln notwendig. Je nachdem wie die Bonität des landwirtschaftlichen Betriebs vor der Krise war, lässt sich ein Liquiditätsengpass mit einer Bankfinanzierung überbrücken. Gelingt dies aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr, so greifen nur noch harte Sanierungsmaßnahmen. Dazu gehören zum Beispiel der Verkauf und die Rückpacht von unbelasteten Betriebsflächen bis hin zur kompletten Neuausrichtung des Betriebs.
„Entscheidend ist hier nicht nur das umsetzungsfähige Neukonzept, sondern auch die Höhe der Verschuldung des Betriebs“, weiß Waschinger. Liegt diese schlimmstenfalls schon über den Vermögenswerten – Überschuldung –, bleibt dem Betriebsinhaber oftmals nur die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht zu stellen.
Was bei einem Insolvenzverfahren passiert
Das Insolvenzverfahren bietet neben dem Regelverfahren, bei dem die Verwertung des gesamten Betriebs erfolgt, auch die Option eines Insolvenzplanverfahrens. Innerhalb dieses Verfahrens lässt sich eine Sanierung des Betriebs durchführen. „Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass der Betrieb im Grunde sanierungsfähig ist und dass die Gläubiger, etwa Banken und Lieferanten, durch den Insolvenzplan bessergestellt sind, als dies im Regelverfahren der Fall wäre“, erklärt Ecovis-Experte Waschinger.
Das Verfahren ist aber aufwendig und daher erst ab einer bestimmten Größenordnung durchführbar. Es erfordert eine umfangreiche Vorbereitung und Planung des Verfahrens, das im Allgemeinen auch mit höheren Kosten verbunden ist. Das erfolgt zudem im Regelfall vor der Antragstellung.
Bei größeren landwirtschaftlichen Unternehmen, die die Betriebsinhaber oft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betreiben, ist bei Vorliegen einer akuten Krise – sei es Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit – verstärkte Sorgfalt geboten. Bei diesen Kapitalgesellschaften gilt dann sogar eine Insolvenzantragspflicht für den Geschäftsführer. Stellen sie keinen Antrag, folgen strafrechtliche Konsequenzen. „Im Zweifel sollten Unternehmen daher frühzeitig externe Unterstützung von Experten suchen und gemeinsam mit ihnen prüfen, ob ein Insolvenzantrag zu stellen ist. So lassen sich Handlungsmöglichkeiten ausloten“, sagt Waschinger.
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