Wie sensibel der Begriff Steueroase inzwischen aufgefasst wird, zeigen die Antworten auf die Frage: „Würden Sie Ihr Land als Steueroase betrachten – also als Standort, der für ausländische Investoren vor allem wegen der niedrigen Steuern attraktiv ist?“ Zwar reihten immerhin 27 Prozent der teilnehmenden Partnerkanzleien ihr Land in diese Kategorie ein – darunter einschlägig bekannte wie die Niederlande (steuerfreie Lizenzeinnahmen) oder Katar (Steuerfreiheit bzw. niedrige Sätze für ausländische Investoren), aber auch Staaten, die wie Bulgarien mit generell niedrigen Einheitssätzen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer punkten. „Dafür kennt unser Steuerrecht nur wenige Ausnahmeregeln und andere Schlupflöcher“, betont Atina Mavridis, Ecovis-Partnerin in der Hauptstadt Sofia.
Selbst Großbritannien kann nach dem Urteil des Londoner Ecovis-Partners Peter Owen als „Steueroase“ im Sinne der Fragebogen-Definition etikettiert werden – wegen der niedrigen Körperschaftsteuer. Bei der persönlichen Einkommensteuer bewegt sich das Vereinigte Königreich dagegen mit einem Spitzensteuersatz von 45 Prozent plus zwei Prozent National Insurance auf deutschem Niveau, also etwa EU-Durchschnitt.
Abschied von Steueroasen
Zumindest auf den ersten Blick überraschend ist dagegen, dass klassische Steuerflucht-Ziele wie Irland, Malta, Singapur, die Schweiz und Zypern aus Sicht der dortigen Ecovis-Kanzleien nicht (mehr) zu den Steueroasen gehören. „Letztlich läuft alles auf die Definition des Begriffs „Steueroase“ und die Formulierung der Frage hinaus“, meint Andreas Karaolis, Ecovis-Partner in der zyprischen Hauptstadt Nikosia. „Dass unser Land ein beliebtes Ziel ausländischer Investoren ist, ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, wie den Körperschaftsteuersatz von nur
12,5 Prozent, das Netz unserer Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Ländern, spezielle Branchenexpertise, zum Beispiel in der Schifffahrt, unser robustes Rechtssystem und so weiter.“
Und Malta „hat die OECD schon am 5. April 2012 bescheinigt, dass der Inselstaat die internationalen Standards für den Austausch steuerrelevanter Informationen über ausländische Unternehmen und Personen erfüllt“, erklärt der dortige Ecovis-Partner Anthony Vella.
Gerade Irland ist jedoch jüngst wieder als Drehscheibe zur Steuervermeidung Steuerspar-Plattform für IT-Konzerne wie Apple, Ebay oder Google in die Kritik geraten. In der Tat hat sich „an dem sehr günstigen Körperschaftsteuersatz von
12,5 Prozent für Unternehmen mit aktivem Geschäft nichts geändert“, sagt David Spicer, Ecovis-Partner in Dublin. „Zudem bietet Irland weiterhin steuerliche Vorteile für Holdinggesellschaften“ – zum Beispiel eine günstige Besteuerung ausländischer Dividenden, Steuerbefreiung für Gewinne aus Anteilsverkäufen und die Möglichkeit, die Zinsen für fremdfinanzierten Beteiligungserwerb steuerlich abzusetzen. Zur Sanierung des Staatshaushaltes trägt vor allem die höhere Einkommensteuer¬belastung bei. Was wiederum Investoren abschrecken könnte, weil dadurch die Kosten für hochqualifizierte Fachkräfte gestiegen sind. Ihnen gewährt Irland deshalb jetzt Einkommensteuererleichterungen.
Die Schweiz bietet ausländischen Steuerhinterziehern tatsächlich kein sicheres Geldversteck mehr, seitdem sie unter wachsendem Druck der USA und der EU steht. Aus der Schweiz flüchtende Steuersünder finden wiederum auch in Singapur kein Schwarzgeld-Asyl mehr. Denn der Stadtstaat, der den OECD-Standard für den internationalen Austausch von Steuerinformationen bereits 2009 unterzeichnet hat, macht jetzt auch in der Praxis Ernst mit der Kooperation beim Kampf gegen grenzüberschreitende Steuervergehen.
„Singapur ist zum gegenseitigen Informationsaustausch mit allen Ländern bereit, mit denen ein Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) besteht“, sagt Ecovis-Partner Jason Chen. Deshalb soll die Finanzverwaltung das Recht erhalten, von Finanzinstituten Bank- und Treuhandinformationen ohne Gerichtsbeschluss anzufordern.
Mit moderner Informationstechnik gegen Steuersünder
Unabhängig vom Problem der Steuerflucht in Niedrigsteuerländer geht die Tendenz weltweit hin zum „gläsernen Steuerzahler“, was die nationale Besteuerung angeht. In 70 Prozent der erfassten Staaten sind Unternehmen und Institutionen gesetzlich verpflichtet, den Staat über steuerliche relevante Sachverhalte Dritter, zum Beispiel Lohn- und Gehaltszahlungen oder Dividendenausschüttungen, informieren müssen. In fast jedem zweiten Land haben diese Regelungen in den vergangenen Jahren zugenommen, in drei davon – Japan, Portugal und Uruguay – sogar stark. In den übrigen Staaten blieb die Situation unverändert, eine Abnahme wurde in keinem registriert.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei digitalen Methoden der Erfassung von Steuerinformationen, oft sogar schon vor der Steuererklärung, die inzwischen in
60 Prozent der Staaten eingesetzt werden, darunter auch Argentinien und Vietnam. In fast so vielen Ländern (55 Prozent) haben die Finanzverwaltungen hier in den vergangenen drei Jahren aufgerüstet, davon in sechs Staaten (18 Prozent) – Kroatien, Frankreich, Indien, Portugal, Großbritannien und Uruguay – nach Einschätzung der dortigen Ecovis-Partner sogar stark. Digital abgerüstet hat der Fiskus in keinem einzigen Land.
Zu den Staaten, die mit moderner Software Steuerlecks aufspüren, gehört auch das durch die Bankenkrise hochverschuldete Irland. Die Finanzverwaltung hat ein Programm namens REAP (Risk Evaluation, Analysis and Profiling) eingeführt, das eine gezielte Steuerprüfung ermöglicht und seinem doppelten Wortsinn „to reap“, als „ernten“ voll gerecht wird. Die rund 9.000 Audits, die 2012 damit durchgeführt wurden, brachten 359 Mio. Euro ein. „Generell“, so Ecovis-Partner David Spicer, „hat die Zahl der Steuerprüfungen zugenommen, was zu zusätzlichen Steuereinnahmen, Verzugszinsen und Strafgeldern führt“.
Anonyme Hinweise immer mehr genutzt
Immer mehr Staaten greifen auch auf anonyme Tippgeber zurück, um Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen. Dazu gehört auch Irland: Ein Gesetz für den Schutz von Informanten, die im öffentlichen Interesse handeln, befindet sich auf dem Weg durchs Parlament. „In der Türkei ist der Tippgeber-Status in mehreren Steuergesetzen definiert“, erklärt Celal Çelik, Ecovis-Partner in Istanbul. 2012 zahlten die türkischen Finanzbehörden umgerechnet 1,25 Mio. Euro für solche Hinweise. Noch sind die Staaten, in denen Tippgeber ermuntert werden, in der in der Minderheit (36 Prozent). Allein sieben Länder haben in den vergangenen drei Jahren diesen Weg der Informationsbeschaffung verstärkt genutzt, besonders Indien und Deutschland.
So hat sich der Ankauf von so genannten Steuer-CDs für den deutschen Fiskus gleich doppelt gelohnt, weil dadurch nicht nur Steuersünder mit Schwarzgeldkonten in der Schweiz und Liechtenstein aufflogen, sondern sich noch mehr per Selbstanzeige offenbarten, um einer Strafverfolgung zu entgehen.
Freiwillige Steuerbeichte weit verbreitet
Die Möglichkeit, bisher undeklarierte steuerliche Einkünfte (taxable income) freiwillig nachzumelden und damit einer Strafverfolgung zu entgehen, kennen 88 Prozent der untersuchten Staaten – während tendenziell Falschangaben in den Steuererklärungen und verspätete Steuerzahlungen von den Finanzbehörden strenger, zum Beispiel mit Strafsteuern oder Versäumniszuschlägen, geahndet werden.
In der Regel schützt die freiwillige Berichtigung bestehender Steuererklärungen nur dann vor Strafverfolgung, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, zum Beispiel
• in Österreich, den Niederlanden, Malta und Deutschland nur, wenn das Finanzamt noch keine eigenen Ermittlungen aufgenommen hat, weil es Verdacht geschöpft hat;
• in Argentinien, Großbritannien und Deutschland, wenn alle bisher verschwiegenen steuerlichen Einkünfte offengelegt werden.
In Lettland können Einkommensteuererklärungen nur für die vergangenen drei Fiskaljahre berichtigt werden.
„In Bulgarien können Steuerzahler jederzeit eine Überprüfung ihrer finanziellen Ergebnisse für die vergangenen fünf Jahre veranlassen“, sagt Ecovis-Partnerin Atina Mavridis. „Wenn dabei undeklariertes Einkommen aufgedeckt wird, kommt der Steuerpflichtige in den meisten Fällen mit der entsprechenden Steuernachzahlung inklusive Verzugszinsen und manchmal einer zusätzlichen Geldbuße davon. Eine Strafverfolgung ist jedoch möglich, wenn das undeklarierte Einkommen ein substanzielles Volumen erreicht.“
In verschiedenen Ländern, zum Beispiel Irland, Singapur und Spanien, werden bei einer freiwilligen Nachmeldung die fälligen Strafzahlungen garantiert verringert, in Portugal und in Frankreich liegt eine Verringerung im Ermessen der verantwortlichen Instanzen. In Uruguay können die Finanzbehörden die Strafsteuern reduzieren oder aufheben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. In Irland hängt das Ausmaß der Reduzierung davon ab, ob der Steuerzahler die berichtigte Erklärung unaufgefordert oder aufgefordert abgibt, wie er mit den Finanzbehörden kooperiert und wie stark er die Steuern verkürzt hat.
Ausgesprochen lohnend ist die freiwillige Selbstanzeige bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung in Singapur, „weil dann nur zusätzliche Strafzahlung von
200 Prozent fällig wird“, sagt Ecovis-Partner Jason Chen. Normalerweise riskieren Steuerhinterzieher (inklusive Helfer) nicht nur Strafverfolgung – bis zu sieben
Jahre Haft oder und Geldstrafe bis zu 50.000 Singapur-Dollar –, sondern überdies eine Strafzahlung von 400 Prozent.
„In der Türkei“, so Ecovis-Partner Celal Çelik, „entkommt der Selbstanzeiger der Strafzahlung (in Höhe der aufgedeckten Steuerschuld) nur, wenn er innerhalb von
15 Tagen die fällige Nachzahlung inklusive Verzugszinsen von 1,4 Prozent pro Monat tätigt“.
In anderen Ländern kassiert der Fiskus auch bei einer freiwilligen Nacherklärung stets einen Strafzuschlag – zum Beispiel in Malaysia und der Slowakei. In Ungarn wird bei der so genannten „Selbstkontroll-Veranlagung“ über Steuernachzahlung und Verzugszinsen hinaus eine Gebühr fällig, „die aber deutlich niedriger ist als die Strafzahlung für eine vom Finanzamt aufgedeckte Steuerhinterziehung“, wie Rechtsanwalt Dr. Gabor Szabo, Ecovis-Partner in Budapest erklärt. „Richtig teuer wird es dagegen in China“, so der Shanghaier Ecovis-Partner Yi Wang, mit Strafzahlungen von 50 bis 500 Prozent des Hinterziehungsbetrags und Verzugszinsen von 0,05 Prozent pro Tag (also rund 18 Prozent jährlich).