Praxisbeispiel (Urteil des BFH, 9. August 2011, VIII R 13/08) Die Finanzverwaltung wollte bei einem Praxiskauf den immateriellen Kaufpreisanteil nochmals aufteilen. Die Hälfte davon falle auf den Praxiswert, der steuerlich über die Abschreibung absetzbar sei. Die andere Hälfte sei ein nicht abschreibbarer „wirtschaftlicher Vorteil einer Vertragsarztzulassung“. Demnach wäre ein Großteil des Kaufpreises erst steuerlich absetzbar, wenn sich der Praxiskäufer zur Ruhe setzt oder die Praxis verkauft. Der BFH hatte zu befinden, ob hier tatsächlich zwei immaterielle Wirtschaftsgüter vorliegen oder ob die Vertragsarztzulassung nur einer von vielen unselbstständigen wertbildenden Faktoren des Praxiswerts (Patientenstamm, Lage, Fachrichtung et cetera) sei. Erfreulicherweise konnte sich der BFH nicht der Sichtweise der Finanzverwaltung anschließen.
Für Käufe, bei denen sich der Preis einer Praxis mit Vertragsarztsitz ausschließlich am Verkehrswert orientiert, wurde entschieden: Eine Aufteilung in einen abschreibbaren Praxiswert und in einen nicht abschreibbaren Teil „Vertragsarztsitz“ ist nicht vorzunehmen. Vielmehr ist der Kaufpreisanteil, der nicht auf das übernommene Inventar (materielle Wirtschaftsgüter) entfällt, dem abschreibbaren Praxiswert (immaterielles Wirtschaftsgut) zuzurechnen.
Der kundige Leser des Urteils stolpert über die Passage „ausschließliche Orientierung am Verkehrswert“. Liest man genauer, wird der Haken ersichtlich. Der BFH hatte im vorliegenden Fall nicht hierüber zu entscheiden und ließ daher ganz nebenbei die Bemerkung fallen, dass es Konstellationen geben kann, bei denen ein nicht abschreibbarer Vertragsarztsitz als selbstständiges Wirtschaftsgut konkretisiert werden könnte. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn ein Arzt von einem ausscheidenden Arzt die Erlangung der Vertragsarztzulassung kauft, ohne jedoch die Praxis zu übernehmen, weil er den Vertragsarztsitz anschließend an einen anderen Ort verlegen möchte. Diesen Fall hatte das Niedersächsische Finanzgericht bereits im Jahr 2004 so entschieden. Da hier lediglich Interesse am Vertragsarztsitz bestand, ist nachvollziehbar, dass kein Gesamtkaufpreis für einen Praxiswert vorliegt, der nicht künstlich aufgeteilt werden kann.
Wird im Kaufvertrag für eine Praxis ein gesonderter Wert für den Vertragsarztsitz vereinbart, spielt man der Finanzverwaltung in die Karten. Es wird riskiert, dass Teile des Kaufpreises ihre wohltuende steuermindernde Wirkung erst Jahre nach dem Praxiserwerb entfalten und somit in der schwierigen Startphase einer Praxis die verfügbaren liquiden Mittel durch höhere Steuerzahlungen angegriffen werden.
FAZIT:
“Vorsicht beim Kauf von Zulassungen durch MVZ oder beim Verzicht auf Zulassungen zugunsten einer Anstellung: Wenn hier nicht auch zumindest ein Teil der Praxis gekauft wird, kann der Kaufpreis nicht abgeschrieben werden.”
Autorin: Carola Stöckner, Steuerberaterin bei Ecovis in Falkenstein, carola.stoeckner@ecovis.com
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