Für Verunsicherung sorgen seit einiger Zeit veränderte rechtliche Vorgaben. Was ist geschehen? Der deutsche Gesetzgeber hat vor ein paar Jahren mit Blick auf möglichen Missbrauch eine Reihe von Regelungen verankert, die auf den vollständigen oder teilweisen Untergang von Verlustvorträgen bei Gesellschafterwechsel von Kapitalgesellschaften abzielen. Mit der großen Keule sollte damit verhindert werden, dass es zu rein steuerlich motivierten Unternehmenserwerben durch Verwertung von alten Verlustvorträgen kommt.
Nun gelten seit dem Jahr 2008 neue Restriktionen bei der Anerkennung des Verlustvortrags. Sobald Anteile oder Stimmrechte von mehr als 25 und weniger als 50 Prozent den Eigentümer wechseln, erlischt nach Paragraph 8c Körperschaftsteuergesetz der Anspruch auf die Verrechnung entsprechend anteilig. Verkauft der Alteigner also ein Drittel seiner Anteile, so geht auch ein Drittel des Verlustvortrags unter. Wenn mehr als die Hälfte übertragen wird, gehen die aus den roten Zahlen resultierenden Ausgleichsansprüche mit künftigen Gewinnen sogar vollständig verloren.
Während der Finanzkrise allerdings musste die Bundesregierung erkennen, dass solche Vorgaben gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht unbedingt sinnvoll sind. Denn die Regelung machte die Suche nach sanierungswilligen Investoren schwieriger. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde deshalb eine sogenannte Sanierungsklausel für von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedrohte Unternehmen installiert. Sie sieht den Erhalt des Verlustvortrags für den Fall vor, dass der Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung erfolgt. Der Erwerber muss deshalb zielgerichtete Maßnahmen ergreifen, um die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft zu verhindern beziehungsweise zu beseitigen. Zugleich müssen wesentliche Betriebsstrukturen – wie etwa die Arbeitsplätze – in einem bestimmten Umfang erhalten bleiben.
Gegenwind aus Brüssel
Die EU-Kommission sieht in der Sanierungsklausel allerdings eine Bevorzugung wirtschaftlich angeschlagener Unternehmen durch staatliche Beihilfen. Weil das nach ihrer Ansicht zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen könnte, hat Brüssel die Klausel kurzerhand verboten. Dagegen will nun wiederum die Bundesregierung klagen. Da Beschlüsse der EU-Kommission zwingend umzusetzen sind, hat eine solche Klage allerdings keine aufschiebende Wirkung. Unternehmen, die die Sanierungsklausel genutzt haben, werden deshalb von der Finanzverwaltung entsprechend erlassene beziehungsweise geänderte Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Verlustfeststellungsbescheide
erhalten.
„Würde die Klage des Bundes aber Erfolg haben, wäre die Sanierungsklausel auf die Jahre 2008 bis 2010 doch anwendbar“, sagt Rösler. Ratsam sei es deshalb, bei entsprechenden Bescheiden des Finanzamts auf die laufende juristische Auseinandersetzung zu verweisen und die Fälle offen zu halten. Welche Regelungen in der Zukunft gelten werden, ist dagegen noch offen. Anzunehmen ist, dass Berlin nun eine modifizierte Sanierungsklausel entwickelt.
Ausnahmen nutzen
Vorerst liegen die Erleichterungen für angeschlagene Unternehmen also erst einmal auf Eis. Allerdings bieten sich – auch für wirtschaftlich gesunde Unternehmen – durch die geschickte zeitliche Aufteilung der Übertragung, aber auch mit Blick auf die stillen Reserven und die sogenannte Konzernklausel noch andere Alternativen. Die Begrenzung des Verlustabzugs macht zwar vor konzerninternen Anteilsumschichtungen nicht halt. Das gilt selbst dann, wenn sich trotz der konzerninternen Verlagerung von Anteilen an der unmittelbaren Beteiligungshöhe der Muttergesellschaft nichts ändert. Eine Ausnahme aber eröffnet die sogenannte Konzernklausel. „Wenn ein Unternehmer sowohl an der übertragenden als auch an der übernehmenden Gesellschaft zu 100 Prozent beteiligt ist, bleibt der Verlustvortrag erhalten“, sagt Uwe Lange, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei Ecovis.
Grundsätzlich kann auch eine Staffelung der Übertragung die Verlustvorträge zumindest teilweise retten. Würde man etwa in diesem Jahr 26 Prozent der Anteile und in 2016 weitere 24 Prozent übertragen, gingen insgesamt nur 26 Prozent Verlustvortrag verloren. Die zweite Übertragung nämlich liegt innerhalb der 25-Prozent-Grenze, die für die Anerkennung des Verlustvortrags unschädlich ist. „Allerdings sollte man darauf achten, dass während des Fünf-Jahres-Zeitraums insgesamt nicht mehr als die Hälfte der Anteile übertragen wird“, erläutert Lange. Auch ein Blick auf die stillen Reserven lohnt sich. Denn ungenutzte Verluste bleiben erhalten, soweit sie die anteilig auf die übertragenen Anteile entfallenden stillen Reserven im Vermögen der Verlustgesellschaft nicht übersteigen. „Der Gesetzgeber unterstellt keinen Missbrauch“, sagt Lange.
Neue Hoffnung für betroffene Gesellschaften bringt eine Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg vom 4. April 2011 (Aktenzeichen: 2 K 33/10). Es hält den teilweisen oder völligen Verlustuntergang nach Paragraph 8c grundsätzlich für verfassungswidrig, ob Sanierungserwerb oder nicht, weil Kapitalgesellschaften ohne und mit Gesellschafterwechsel ungleich behandelt werden. Die Vorschrift wurde jetzt dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Mit Hinweis darauf können Gesellschaften, denen der Verlustvortrag wegen Gesellschafterwechsel versagt wird, Einspruch einlegen.
Vorsicht bei Erwerb in der Familie
Chancen zur Rettung der Verlustvorträge bieten sich auch bei familieninternen Übertragung von Anteilen. Im Erbfall bleibt ebenso wie bei der unentgeltlich vorweggenommenen Erbfolge der Verlustvortrag unangetastet. Doch Vorsicht: Sobald der Erwerb auch nur in geringem Umfang entgeltlich erfolgt, ist der Steuervorteil in Gefahr.
Worüber wir reden sollten
Welche Auswirkungen haben das EU-Verbot der Sanierungsklausel und die Klage der Bundesregierung auf die Anerkennung von Verlustvorträgen der Jahre 2008 bis 2010?
Unter welchen Voraussetzungen kann die Steuerersparnis aus Verlustvorträgen bei einem geplanten Verkauf von Anteilen gerettet werden?
Welche betriebswirtschaftlichen Maßnahmen bieten sich an, um das Unternehmen wieder in die Gewinnspur zu bringen?