Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro
Der gesetzliche Mindestlohn soll in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro je Stunde steigen. Dies soll bereits 2022 geschehen. Danach soll die Mindestlohnkommission wieder wie bisher weitere Anpassungen vorschlagen. Laut einer Studie wären von der Erhöhung auf zwölf Euro etwa 8,6 Millionen Arbeitnehmer betroffen. „Indirekte Auswirkungen hat dies auch auf die Rente. Die betroffenen Arbeitnehmer zahlen mehr Beiträge in die Rentenversicherung ein und erhalten damit einen höheren Rentenanspruch“, sagt Rentenexperte Islinger.
Mini- und Midijobs
- Die Minijob-Grenze soll auf 520 Euro steigen und sich zukünftig an der Höhe des Mindestlohns orientieren. Der Minijob dient nach Ansicht der Koalitionäre dem Hinzuverdienst und soll keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse ersetzen. Daher werden die Kontrollen bei Minijobs verschärft.
- Die Midijob-Grenze steigt von 1.300 auf 1.600 Euro. Das hat Vorteile für Geringverdiener und Teilzeitkräfte, die zwischen 450,01 Euro und 1.600 Euro verdienen. In dieser „Gleitzone“ sind die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer niedriger, sodass die Arbeitnehmer mehr Netto bekommen. Dennoch berechnet sich der Rentenanspruch aus den vollen Beiträgen.
- Das Rentenniveau soll stabil bei 48 Prozent bleiben. Das heißt, die Rentenhöhe soll 48 Prozent bei 45 Beitragsjahren mit einem durchschnittlichen Einkommen betragen. Das Rentenniveau liegt derzeit bei 47,5 Prozent.
- Die Rentenanpassung 2022 soll nicht so hoch ausfallen, damit sich Rentenerhöhungen und Lohnerhöhungen die Waage halten. Damit werden die Renten nicht um etwa 5,2 Prozent in den alten und 5,9 Prozent in den neuen Bundesländern steigen, sondern nur um 4,6 Prozent beziehungsweise 5,3 Prozent.
- Das reguläre Renteneintrittsalter soll weiterhin bei 67 Jahren bleiben.
- Der Beitragssatz zur Rentenversicherung soll bis 2025 nicht über 20 Prozent steigen. Derzeit liegt der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung bei 18,6 Prozent. „Für einen Arbeitnehmer mit 2.500 Euro Bruttolohn pro Monat bedeutet ein Anstieg auf 20 Prozent, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils 17,50 Euro mehr Beiträge pro Monat zahlen würden“, rechnet Islinger vor.
Die Koalition bekennt sich zum flexiblen Renteneintritt. Dabei soll der Renteneintritt nach skandinavischem Modell als Vorbild dienen. Dies würde bedeuten, dass es kein festes Renteneintrittsalter gibt, sondern einen Korridor für den Renteneintritt.
Zudem möchten die Ampelkoalitionäre den Hinzuverdienst bei vorzeitigem Renteneintritt vereinfachen und erhöhen. Derzeit liegt der jährliche Hinzuverdienst aufgrund der Corona-Sonderregelungen bei 46.060 Euro pro Jahr. Regulär würde ein Hinzuverdienst über 6.300 Euro pro Jahr zu einer komplizierten Kürzung der Rente führen.
„Neue Hinzuverdienstgrenzen trotz vorzeitigem Renteneintritt würde die vorgezogene Altersrente deutlich attraktiver machen und der Renteneintritt ließe sich flexibler und individueller gestalten“, kommentiert Rentenfachmann Islinger die Pläne.
Teilweise Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung
In der gesetzlichen Rentenversicherung gilt derzeit das Umlageverfahren. Das heißt: Die aktuellen Beitragszahler finanzieren die Renten der aktuellen Rentner. Versicherte bauen somit kein eigenes Kapital auf, sondern sind auf die Beitragszahlungen der nächsten Generationen angewiesen. Eine teilweise Einführung einer Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung soll das Rentenniveau und den Beitragssatz stabil halten. Die Kapitaldeckung soll in Form eines Fonds erfolgen. Dieser, so die Pläne, wird zu Beginn durch einen Bundeszuschuss mit zehn Milliarden Euro aufgestockt.
„Eine Kapitaldeckung verändert unser aktuelles Rentensystem grundlegend. Es wäre der Einstieg in die Aktienrente, wie ihn die FDP fordert“, fasst der Rentenexperte zusammen, „ob dies die gewünschten Ergebnisse bringt, bleibt abzuwarten.“.
Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge
Aufgrund des Renditeproblems klassischer Rentenversicherungen wollen die Koalitionäre die Anlagemöglichkeiten bei der betrieblichen Altersvorsorge liberalisieren. Es sollen Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen geben. Ansonsten hält die Koalition die Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung für ausreichend.
Reform der privaten Altersvorsorge
Die künftige Ampelkoalition will die private Altersvorsorge grundlegend reformieren. Dazu will sie einen öffentlichen Fonds nach Vorbild skandinavischer Staaten aufgelegen. Die Riester-Rente soll auslaufen und wird durch effektivere und kostengünstigere Produkte ersetzt. Für laufende Riesterverträge soll es einen Bestandsschutz geben. Auch Selbstständige sollen von der Reform der privaten Altersvorsorge profitieren.
Rentensplitting aufwerten
Relativ unbekannt ist das Rentensplitting. Dabei werden die während der Ehe erworbenen Rentenansprüche zu gleichen Teilen aufgeteilt. Es wird quasi eine Scheidung fingiert. Dabei gibt der Ehepartner mit höheren Rentenansprüchen einen Teil an den anderen Ehegatten ab. Dies ist auch nach dem Tod eines Ehegatten möglich und kann in einem solchen Fall Vorteile für den hinterbliebenen Ehegatten haben.
Rentenversicherungspflicht für Selbstständige
Für Selbstständige soll eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung kommen. Ausgenommen sind Selbstständige, für die es bereits eine verpflichtende Absicherung gibt, wie zum Beispiel die Versorgungswerke für Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater. Selbstständige sollen sich von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen können. Voraussetzung für die Befreiung soll der Nachweis einer privaten Absicherung über ein insolvenz- und pfändungssicheres Anlageprodukt sein. Die private Absicherung muss über dem Grundsicherungsniveau liegen.
„Die Versicherungspflicht soll für alle Selbstständigen gelten, die ihre Selbstständigkeit neu aufnehmen“, sagt Andreas Islinger, „für bestehende Selbstständige soll das nicht gelten. In den ersten zwei Jahren einer neu aufgenommenen selbstständigen Tätigkeit soll es zudem Erleichterungen geben.“
Abschaffung der Doppelbesteuerung von Renten
Die Richter des Bundesfinanzhofes hatten 2021 in mehreren Urteilen klargestellt, dass die Doppelbesteuerung von Renten unzulässig ist. Diese tritt ein, wenn die Beiträge für die Rente nicht voll steuerlich abzugsfähig sind, die Renten aber voll besteuert werden. Die Ampelkoalitionäre wollen dieser drohenden Doppelbesteuerung entgegenwirken. Sie wollen einerseits den vollständigen Abzug von Rentenversicherungsbeiträgen bei der Steuer schon ab dem Jahr 2023 einführen, statt bisher geplant erst 2025. Auf der anderen Seite wollen sie nicht schon im Jahr 2040 die Rente in voller Höhe besteuern, sondern erst ab 2060. „Bisher steigt für jeden Rentnerjahrgang der Anteil der Rente, der besteuert wird, um jährlich ein Prozent“, erläutert Islinger, „dieser Anstieg wird nunmehr verlangsamt auf nur 0,5 Prozent pro Jahr ab dem Jahr 2023.“