Als Instrument gegen diese ungleiche Verteilung sieht der Regierungsentwurf des Versorgungsstrukturgesetzes ein Vorkaufsrecht der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) für abzugebende Vertragsarztpraxen vor. Eine KV könnte damit Sitze in überversorgten Gebieten quasi einziehen und – so die Idee – niederlassungswillige Ärzte in Gebiete lenken, in denen Unterversorgung besteht oder droht.
Was auf den ersten Blick wie ein brauchbares Mittel zur sinnvolleren Verteilung von Praxen in der Fläche aussieht, erweist sich aber bei näherem Hinsehen als stumpfes Schwert: Wenn die KV ihr Vorkaufsrecht im Sinne des Gesetzgebers ausübt, dann muss sie nämlich in den Vertrag eintreten, den der abgebende Praxisinhaber mit dem Übernehmer abgeschlossen hat –- inklusive aller Pflichten, die der Käufer übernehmen sollte. Das bedeutet, dass die KV in die Arbeits-, Miet-, Leasing- und sonstigen Verträge der Altpraxis eintreten muss, die mit Blick auf den anstehenden Verkauf häufig mit langen Fristen versehen sind. Die dafür entstehenden Ausgaben würden zu Lasten der Versorgung von Patienten gehen, ohne dass dem ein Gegenwert gegenüberstünde oder wenigstens erwirtschaftet werden könnte.
Es spricht also alles dafür, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen allenfalls bei Praxen, die aufgrund von Krankheit oder Tod unerwartet abgegeben werden müssen oder die wirtschaftlich unattraktiv sind und deshalb keinen hohen Preis bringen, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen werden.
Fazit: Wegen der unerwünschten Nebenwirkungen läuft das Vorkaufsrecht der Kassenärztlichen Vereinigungen weitgehend ins Leere. Dem Ärztemangel auf dem Land ist damit allein nicht beizukommen.
Autor: Tim Müller., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München