Leistungsfähig ohne Subventionen
Der Abbau der Subventionen hat die deutsche Landwirtschaft – entgegen den Befürchtungen in der Branche – nicht geschwächt, sondern im Gegenteil ihre Stärken zur vollen Entfaltung gebracht und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Wichtige Gründe dafür sind:
• stabile politische Verhältnisse mit hoher Rechtssicherheit,
• überdurchschnittliche natürliche Produktionsbedingungen,
• hochfunktionelle Ernährungswirtschaft mit leistungsfähiger vor- und nachgelagerter Industrie,
• große, wenn auch hochsensible Kaufkraft,
• ausgezeichnetes Ausbildungsniveau der Akteure (60 Prozent Hochschulabsolventen),
• mittelstandstypische Reaktions-schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit,
• starke Eigenkapitalausstattung, hohe Bonität.
Professionelle Agrarunternehmer
Die Struktur der Agrarproduktion des Jahres 2030 ist im Wesentlichen das Ergebnis einer seit mehreren Jahrzehnten anhaltenden Entwicklung. Die Profilandwirtschaft unterscheidet sich dennoch sehr deutlich von der in der Rückschau kleinbäuerlich aufgestellten Landwirtschaft West- und vor allem Süddeutschlands im Jahr 2010. Gegenüber 2010 wird sich die Zahl der Betriebe, wenn man die bisherige Entwicklung fortschreibt, auf rund 150.000 halbieren, die durchschnittliche Betriebsgröße bei nahezu unveränderter bewirtschafteter Gesamtfläche auf 110 Hektar entsprechend verdoppeln.
Mit nahezu 70 Prozent Pachtflächenanteil sind auch Landwirte der alten Bundesländer im Wesentlichen Pächter. Die Zahl der Fremdarbeitskräfte ist größer als die der Familienarbeitskräfte. Durchschnittlich große Haupterwerbsbetriebe haben in der Regel mindestens einen Angestellten. Die Landwirtschaft ist eher ein managergesteuertes Unternehmen, nicht selten konzernartig strukturiert mit landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Tochterunternehmen. Zudem sind die Landwirte durchaus zu vertikalen Verbundketten bereit, weil sie dadurch nicht nur die Volatilität der unruhigen Märkte besser beherrschen, sondern auch echte Kostenvorteile realisieren können.
Gedeckelte Bioenergie-Produktion
Anders als erwartet sind die deutschen Landwirte jedoch keine Ölscheichs geworden. Zwar hat sich regenerativ erzeugte Stromleistung gegenüber 2010 insgesamt verdreifacht, doch Biomasse spielt dabei im Vergleich zu Wind und Sonne nur noch eine untergeordnete Rolle. Seit den 20er-Jahren wurden praktisch keine Biomassekraftwerke mehr zugebaut, weil die Verwendung knapper Flächenressourcen dafür auf gesamtgesellschaftliche Kritik gestoßen und seit 2025 gesetzlich gedeckelt ist. Überdies wurde der Vorrang der Lebensmittelerzeugung im Grundgesetz verankert.
Unveränderte Einkommenssituation
Nicht erfüllt hat sich auch die naive Erwartung, dass sich die landwirtschaftlichen Einkommen mit den tendenziell weiter steigenden Preisen deutlich verbessern würden. Im Prinzip ist die Rentabilität unverändert geblieben: Zu realen Preisen (2010 = 100) liegen die Hektargewinne der Haupterwerbsbetriebe 2030 mit einem Durchschnitt von 650 Euro immer noch im langjährigen Schwankungsbereich von 500 bis 1.000 Euro pro Hektar. Bei rund 50.000 Euro Jahreseinkommen je Arbeitskraft sind wegen der gestiegenen Arbeitsproduktivität die Stundenverdienste zwar höher als heute, inflationsbereinigt ist der Zuwachs allerdings bescheiden.
Im Übrigen hat sich gezeigt, dass steigende Preise die klein- und mittelbäuerlichen Strukturen nicht stabilisieren, sondern eher den Trend zu größeren Einheiten beschleunigen. Denn die mit dem Produktivitätsfortschritt verbundenen Kostenvorteile müssen wegen der vergleichsweise fragmentierten Produktionsstruktur weitgehend an die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche abgegeben werden. Zudem verhalten sich Produktpreise und Herstellungskosten wie eine Spiralfeder: Das Auf und Ab der Preise führt dazu, dass bei steigenden Preisen zunächst Spielraum für Kostenerhöhungen besteht, bis schrumpfende Margen und einsetzender Preisdruck dazu zwingen, die Kosten wieder zu senken.
Alternative Szenarien
Bei einem Ausblick weit über den üblichen Planungshorizont hinaus sind aber auch pessimistischere Szenarien denkbar. Beispielsweise könnte die Euro-Schuldenkrise dazu führen, dass nicht nur der Euro zusammenbricht, sondern sich auch die EU auflöst. Ein dann möglicher Staatenverbund nordeuropäischer Länder mit einer gemeinsamen Wirtschafts-, Währungs-, Finanz- und Fiskalpolitik würde auf eine neue, sehr starke Währung setzen. Damit wären erhebliche Nachteile für Exportnationen wie Deutschland und damit auch für die hiesige Agrarwirtschaft verbunden, die etwa jeden fünften Euro im Ausland erlöst. Genauso vorstellbar ist, dass die Verschuldung von Großbanken und Staaten weiter steigt und es dadurch zu einer massiven Geldentwertung kommt. Die Folge davon wäre ein starker Anstieg der Bodenpreise – zum Vorteil der Landeigentümer und zum Nachteil der bewirtschaftenden Landwirte.
Autor: Christian Stockinger, Vizepräsident der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft,
Institut für Agrarökonomie, christian.stockinger@lfl.bayern.de