Zunehmend volatile Märkte
Dramatische Kursausschläge auf den weltweiten Märkten für Energie und Rohstoffe beeinflussen seit Ende 2006 die Einnahmen und Ausgaben der Milchviehhalter in bis dahin ungekannter Weise. In der Zeit von 2005 bis 2011 schwankte der jährliche Durchschnittspreis für 100 Kilo Sojaschrot zwischen 21,35 Euro und 35,25 Euro. Ähnlich die Situation bei den Erzeugerpreisen: Für 100 Kilo Milch konnten die Bauern im Schnitt zwischen 26,88 Euro und 36,69 Euro erlösen (siehe Abb.). Die Vielzahl an nicht vorhersehbaren Ereignissen wie Wetterkatastrophen, politisch ausgelöste Verwerfungen, Krankheitsepidemien mit anschließenden Handelsbeschränkungen lassen stärkere Marktschwankungen zur neuen Normalität auch für Milcherzeuger werden.
Abb.
Neues Fördersystem
Deutschland hat sich bei der GAP-Reform von 2003 für ein kombiniertes Modell aus Betriebsprämienanteil und differenzierten Flächengrundprämien entschieden. Historisch begründete betriebsindividuelle Prämienansprüche werden deshalb seit 2010 abgebaut, Grünlandprämien stufenweise angehoben. Am Ende der Reform stehen im Jahr 2013 erstmals einheitliche Flächenprämien in voraussichtlicher Höhe von etwa 340 Euro je Hektar. Speziell für flächenknappe viehintensive Betriebe zieht das im Vergleich zu 2010 deutliche Prämienverluste nach sich, dagegen gewinnen flächenstarke Grünlandbetriebe an relativer Wettbewerbskraft.
Mit der neuen Finanz- und Förderperiode ab 2014 ist mit einer deutlichen Reduzierung der Flächenprämien und nach jetzigem Sachstand mit einer Verknüpfung mit zusätzlichen Auflagen zu rechnen. Dabei entsprechen Verschiebungen von 100 Euro pro Hektar auf der Leistungs- sowie Kostenseite 0,6 bis 1,0 Cent je Kilo Milch, was den möglichen Einkommensdruck durch die nächste Agrarreform abschätzen lässt. Das für 2015 beschlossene Ende der staatlichen Milchquote ist seit dem deutlichen Absinken der Milchquotenpreise auf ein Niveau von rund zehn Cent pro Kilo hingegen kaum noch in der Diskussion.
Mehr Technik fürs Wachstum
Die strukturelle Weiterentwicklung der Milcherzeuger verlief in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren sehr dynamisch. In Orientierung an der weltweiten Produktivitätsgrenze von 40 bis 60 Kühen je Vollarbeitskraft überschreiten Vollerwerbsbetriebe mit Fremdarbeitskräften im Westen und Norden die 100-Kuh-Grenze teilweise deutlich. Vor allem im Osten entwickeln sich Strukturen mit 500 und mehr Kühen.
Viele traditionell langsamer gewachsene bayerische Familienbetriebe stoßen bei ökonomisch notwendigen Wachstumsschritten an die Grenze der Arbeitskapazität der familieneigenen Arbeitskräfte. Der stark zunehmende Einsatz von automatischen Melksystemen – 40 bis 50 Prozent der neu erbauten Laufställe werden damit ausgestattet – ist ein Indiz für diese Situation. Neben der bereits gängigen Automatisierung der Entmistung gewinnen auch Systeme zur automatischen Grundfuttervorlage langsam an Bedeutung.
Wachsender Kapitalbedarf, steigende Arbeitsproduktivität in Verbindung mit Anpassungen im Betriebsmanagement sind die Folge der zunehmenden Techniknutzung. Gleichzeitig wird der Einsatz von Fremdarbeitskräften und die Bedeutung von Betriebskooperationen in verschiedenster Form zunehmen müssen, um nicht nur die Arbeitsproduktivität, sondern auch die Arbeitsplatzqualität in Milchviehbetrieben zu verbessern. Das Schaffen freier Wochen-enden oder die Sicherstellung der Arbeitserledigung, sollte der Betriebsleiter krank werden, sind zentrale Forderungen für die nachhaltige Stabilität familiengeführter Milchviehbetriebe.
Starker Wettbewerb um Flächen
Die tierische Erzeugung konzentriert sich immer stärker auf Kernregionen. In der Milchviehhaltung sind dies vor allem Gebiete mit fehlenden oder nicht wirtschaftlichen Alternativen im Ackerbau sowie Regionen, in denen es außerhalb der Landwirtschaft kaum Arbeitsplätze gibt. Von gesetzlicher Seite bewirken Auflagen und auch Förderungen, dass der Pachtflächenmarkt sehr angespannt ist. Speziell in den Veredelungszentren ist die einzelbetriebliche Weiterentwicklung entweder mit sehr hohen Kosten verbunden oder gar unmöglich. Reagieren können betroffene Milcherzeuger nur mit effizienter Flächenverwertung und professionellem Management im Stall. Betriebszweigauswertungen zeigen, dass dies nur gelingen kann, wenn hohe Milchleistungen, geringe Remontierungsraten von etwa 25 Prozent, eine hohe Nutzungsdauer von mindestens vier Laktationen, hohe Grobfutterleistungen (mehr als 3.000 Kilo je Kuh) und nicht zuletzt günstige Erzeugungskosten für Futter im Betrieb wirtschaftlich optimal kombiniert werden. In der ehrlichen (Voll-)Kostenerfassung bei Mais- und Grassilage ergibt sich dabei nicht selten, dass der teilweise Zukauf von Grundfutter auch in Milchviehbetrieben ökonomisch und arbeitswirtschaftlich interessant ist.
Fazit
Die heute noch nicht konkret absehbaren politischen Rahmenbedingungen ab 2014, starke Marktvolatilitäten, regional hohe Flächenkosten sowie die arbeitsorganisatorische Weiterentwicklung der Familienbetriebe sind maßgeblich für die Zukunft der Milcherzeuger. Hohe Arbeits- und Flächeneffizienz sind dabei zentrale Erfolgsfaktoren. Weiterentwicklung kann, wird aber nicht immer Wachstum im Bereich Milch bedeuten, sondern muss speziell in Bayern die Grenzen und Chancen des betriebsindividuellen Standorts und noch viel mehr der Betriebsleiterfamilie berücksichtigen. Die Wachstumsbranche erneuerbare Energien, ein starker außerlandwirtschaftlicher Arbeitsmarkt sowie der weitere technische Fortschritt werden die treibenden Kräfte des Strukturwandels in der Milcherzeugung sein.
Dr. Gerhard Dorfner, LfL Agrarökonomie München, Gerhard.Dorfner@LfL.bayern.de