Hintergrund: Wann eine abhängige Beschäftigung vorliegt
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) kommt immer wieder zu dem Ergebnis, dass es sich bei vermeintlich Selbstständigen eigentlich um abhängig Beschäftigte handelt. Die Einstufung richtet sich nach dem Gesamtbild der Tätigkeit: Es hängt davon ab, ob die Merkmale für eine selbstständige Arbeit oder die für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. Eine Beschäftigung ist dabei immer durch eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers charakterisiert (§ 7 Abs. 1 SGB IV).
Sachverhalt: Notärzte mit Nebenjobs
Gleich in drei Fällen musste das Bundessozialgericht entscheiden, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt oder nicht:
1. Fall „Notarzt auf Honorarbasis“
Ein Notarzt arbeitete auf Honorarbasis für einen hessischen Landkreis. Die DRV stufte ihn im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens als abhängig beschäftigt ein. Die Richter des Landessozialgerichts Hessen entschieden, dass der Notarzt nicht abhängig beschäftigt ist (Urteil vom 11.04.2019, Az. L 8 KR 487/17).
2. Fall „Freiwillige Notärztin“
Eine Ärztin war in einem Klinikum versicherungspflichtig beschäftigt und nahm gleichzeitig eine Tätigkeit als „freiwillige Notärztin“ im Rettungsdienst auf. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied, dass sie eine abhängige Beschäftigung beim Rettungsdienst ausübe. Die Ärztin ist in einen Dienstplan eingeteilt und arbeitet „Hand in Hand“ mit den Rettungssanitätern und Rettungsassistenten, die ihrerseits fest angestellt sind.
3. Fall „Anästhesist im Rettungsdienst“
Ein Facharzt für Anästhesiologie war in einem Klinikum als Arzt in Vollzeit versicherungspflichtig beschäftigt. Nebenher arbeitete er monatlich zwei- bis dreimal als Notarzt im Rettungsdienst. Der Einsatz erfolgte nach einem Dienstplan, den er monatlich im Voraus bekam. Hier kann der Notarzt seine verfügbaren Dienste anbieten. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg ging davon aus, dass er als Notarzt abhängig beschäftigt ist.
Urteil: Ärzte sind abhängig beschäftigt
In allen drei Fällen entschied das Bundessozialgericht am 19.10.2021 (Az. B 12 KR 29/19 R, B 12 R 10/20 R, B 12 R 9/20 R), dass die Ärzte in ihren Nebentätigkeiten als Notärzte abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Sie waren nicht nur im öffentlichen Rettungsdienst eingegliedert. Es mangelte ihnen in dieser Tätigkeit auch an eigenständigem unternehmerischen Handeln.
Das sollten Ärzte beachten
Seit 2017 gilt, dass Einnahmen eines Notarztes eigentlich nicht mehr sozialversicherungspflichtig sind, wenn er oder sie diese Tätigkeit nebenberuflich ausübt (§ 23c Abs. 2 SGB IV). Das gilt für Einnahmen aus Tätigkeiten, die neben
- einer Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
- einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung ausgeübt werden.
Andreas Islinger, Steuerberater und Leiter der Rentenberatung bei Ecovis in München