Fertigarzneimittel dürfen nach § 17 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie in Deutschland zugelassen sind. Dies gilt auch, wenn der Apotheker das Arzneimittel in seiner anwendungsbereiten Form etwa durch Hinzugabe von Kochsalzlösung zubereitet.
Zum vorliegenden Fall: Ein Apotheker hatte im Ausland das in Deutschland nicht zugelassene pulver-förmige Medikament Gemzar erworben, mittels Zugabe von Kochsalzlösung zu einer Injektionslösung verarbeitet und an Patienten im Inland abgegeben. Ein im Inland zugelassenes stoff-gleiches Medikament verwendete er nicht. So sparte er sich mehr als 58.000 Euro an Erwerbsaufwendungen, da er das abgegebene Medikament nach dem deutschen Listenpreis abrechnete. Doch er klärte weder Patienten noch Krankenkassen über die Verwendung des nicht zugelassenen Arznei-mittels auf; bei Rechnungsstichproben der Kassen wurde nichts beanstandet.
Im Verfahren argumentierte der Angeklagte, er habe kein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel, sondern eine zulassungsfreie Rezeptur abgegeben. Das Landgericht München erkannte auch keinen Verstoß gegen die Verschreibungspflicht, da Rezepturarzneimittel entsprechend ärztlicher Verschreibung abgegeben worden seien. Das Verhalten des Angeklagten wurde daher als nicht strafbar eingestuft.
Der BGH hat diesen Freispruch nun aufgehoben, weil nach seiner Auffassung die Zulassungspflicht nicht dadurch entfällt, dass ein Fertigarzneimittel in seine anwendungsbereite Form gebracht wird. Die Zugabe von Kochsalzlösung allein sei kein für die Annahme eines Rezepturarzneimittels notwendiger wesentlicher Herstellungsschritt in der Apotheke. Es werde nicht auf das Medikament als solches eingewirkt, sondern dieses nur in eine andere Darreichungsform gebracht. Schließlich solle eben gerade nicht ermöglicht werden, dass auf diesem Weg nicht zugelassene Arzneimittel oder solche, deren Zulassung aufgrund schädlicher Wirkung widerrufen wurde, durch bloßes Umfüllen, Abpacken oder eine Veränderung der Darreichungsform zur zulassungsfreien Apothekenrezeptur umdeklariert werden können. Auch die Tatsache, dass das Medikament inhaltlich mit einem in Deutschland zugelassenen Alternativmedikament identisch ist, ändere nichts an der Strafbarkeit. Denn für die Zulassung seien neben den Inhaltsstoffen auch die konkrete Herstellungsweise oder die Verpackung eines Medikaments maßgeblich.
Zum einen kann ein Apotheker bei der bloßen Verbringung eines in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels in den anwendungsbereiten Zustand wegen Inverkehrbringens eines nicht zugelassenen Arzneimittels gemäß § 96 Nr. 5 des Arzneimittelgesetzes strafrechtlich verurteilt werden. Zum anderen besteht für nicht zugelassene Medikamente keinerlei Erstattungsanspruch, sodass eine Strafbarkeit wegen Betrugs hinzukommt, weil ein Schaden in voller Höhe – und nicht nur in Höhe der ersparten Differenz bei den Erwerbsaufwendungen – der von den Krankenkassen und privat versicherten Patienten zu Unrecht erstatteten Beträge vorliegt.
FAZIT:
Da neben Rezepturen auf Basis nicht zugelassener Arzneimittel auch solche betroffen sein können, die unter Verwendung von industriell gefertigten Wirkstoffen oder zugelassenen Arzneimitteln hergestellt werden, können sich beim Versuch, auf diese Weise den Gewinn der Apotheke zu steigern, zahlreiche erhebliche, schlimmstenfalls existenzvernichtende Strafbarkeitsrisiken verwirklichen. Bevor ein solcher Plan umgesetzt wird, sollte daher in dem Fall Rechtsrat eingeholt werden.
Autorin: Melanie Neumann, Rechtsanwältin bei Ecovis in Regensburg, melanie.neumann@ecovis.com