Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsdruck
Auch wenn der Anteil des Rettungsdienstes lediglich etwa ein Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen ausmacht, steigen die Kosten des Rettungsdienstes schneller als in anderen Gesundheitsbereichen. Nicht zuletzt aufgrund des seit Jahren stetigen Ansteigens der Gesamtkosten im Gesundheitswesen ist damit zu rechnen, dass der Druck seitens der Kostenträger auf die Rettungsdienste, die Effizienz zu erhöhen und die Kosten zu senken, auch im Bereich Notfallrettung immer größer wird. Auf der anderen Seite wachsen infolge der Fortschritte in der Notfallmedizin auch die Anforderungen an die Qualität des Rettungsdienstes. Auch aufgrund der vergaberechtlichen Einflüsse befindet sich das Rettungswesen im Umbruch. Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Dezember 2008 steht fest, dass Beauftragungen über die Erbringung rettungsdienstlicher Leistungen in den sogenannten Submissionsländern (beim Submissionsmodell erfolgt sowohl die Beauftragung als auch die Vergütung der Leistungen durch den Aufgabenträger) nur noch im Rahmen von europaweiten Ausschreibungsverfahren erfolgen dürfen.
Europarecht nimmt Einfluss auf Auftragsvergabe
Eine Klärung für die sogenannten Konzessionsländer (beim Konzessionsmodell erfolgt die Vergütung der rettungsdienstlichen Leistungen nicht durch den Aufgabenträger, sondern direkt durch die Kostenträger) erfolgte erst im vergangenen Jahr. Zwar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner am 10. März 2011 veröffentlichten Entscheidung Klarheit geschaffen, dass die Beauftragung des Rettungsdienstes nach dem Konzessionsmodell die Erteilung einer Dienstleistungskonzession darstellt, die nicht dem Vergaberecht unterliegt. Dennoch ist auch in den Ländern mit Konzessionsmodell eine Direktbeauftragung an bestimmte Leistungserbringer ohne Auswahlverfahren nicht mehr ohne Weiteres möglich. So gebietet schon der europarechtliche Grundsatz der Transparenz und Chancengleichheit die Durchführung eines fairen und transparenten Verfahrens. Wie die Gesetzgeber der einzelnen Länder auf die Entscheidung reagieren werden, bleibt abzuwarten.
Fokussierung auf Wettbewerbsfähigkeit notwendig
Da sowohl förmliche Ausschreibungen als auch „vergaberechtsfreie“ Auswahlverfahren Ungewissheit vor allem auch für die bisherigen Leistungserbringer nach sich ziehen, wird es künftig für das Management von Hilfsorganisationen und privaten Anbietern darauf ankommen, sich durch eine frühzeitige strategische Ausrichtung vor allem im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auf zukünftige Vergabe- oder Auswahlverfahren vorzubereiten. Da in der Regel im Rahmen eines laufenden Auswahl- oder Vergabeverfahrens kaum noch ausreichend Zeit für Verhandlungen sein wird, erscheinen hier neben eigentlichen Erwägungen zur direkten Vorbereitung auf Ausschreibungen beispielsweise auch Überlegungen zweckmäßig, ob die eigenen Chancen in solchen Verfahren gegebenenfalls durch Zusammenschluss mit einem anderen Bieter erhöht werden können. Nur durch eine frühzeitige Ausrichtung und Vorbereitung der Leistungserbringer auf Auswahlverfahren kann der Grundstein für eine erfolgreiche Teilnahme an Ausschreibungen gesetzt werden.
FAZIT:
Da sich die Beauftragungssituation im Rettungsdienst aufgrund diverser offener Einzelfragen zu Vergabeverfahren gleichermaßen wie auch zu „vergaberechtsfreien“ Auswahlverfahren nach wie vor im Umbruch befindet, kann eine strategische Ausrichtung der Leistungserbringer auf die Besonderheiten der aktuellen Wettbewerbs-situation nicht früh genug erfolgen.“
Autor: Julian Weiss, Rechtsanwalt bei Ecovis in München, julian.weiss@ecovis.com
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