Mit nachträglichen Korrekturen an Krankenhausrechnungen beschäftigten sich beim Bundessozialgericht 2009 gleich zwei Senate. Dabei ging es vor allem darum, welche Anforderungen an die nachträgliche Korrektur einer vorbehaltlos erteilten und bereits bezahlten Schlussrechnung nach dem Ablauf von sechs Wochen zu stellen sind. „Das Ergebnis öffnet Tür und Tor für die Ablehnung von späteren Nachforderungen – zum Leidwesen der Krankenhäuser“, so Julia Braun, Rechtsanwältin bei Ecovis.
Das Dilemma begann 2009 mit einem Urteil des Ersten Senats, der eine korrigierende Nachforderung eines Krankenhauses als nicht mehr zeitnah ablehnte (BSG, Az. B 1 KR 11/09 R). Das Krankenhaus hatte die Nachforderung zwei Jahre nach Übersendung der Schlussrechnung gestellt. Nach Auffassung des Senats widersprach dies dem Grundsatz von Treu und Glauben. Nur drei Monate später schränkte der Dritte Senat den Zeitrahmen noch weiter ein und verschärfte die Voraussetzungen für die Durchsetzung korrigierter Forderungen auch in ökonomischer Hinsicht (BSG, Az. B 3 KR 12/08 R).
„Der Dritte Senat beschränkte das Recht auf Rechnungskorrektur zeitlich auf sechs Wochen ab Erstellung der Schlussrechnung“, so Julia Braun. Erfolgt die Korrektur durch das Krankenhaus innerhalb dieser Frist, ist sie zulässig, da hierdurch bei der Krankenkasse kein weiteres Verwaltungsverfahren ausgelöst wird.
Abwägung der Interessen
„Nach Ablauf dieser Frist ist die Korrektur einer vorbehaltlosen Schlussrechnung gegenüber der Krankenkasse nur noch dann möglich, wenn das Interesse des Krankenhauses das Interesse der Krankenkasse an der Vermeidung des Zusatzaufwands für die erneute Rechnungsprüfung überwiegt“, so Julia Braun. Ausgenommen sind offensichtliche Schreib- und Rechenfehler. Diese Abwägung geht unter zwei Voraussetzungen zugunsten der Krankenhäuser aus. „Zum einen muss der Nachforderungsbetrag über 100 Euro bzw. ab dem 25.3.2009 über 300 Euro liegen“, so die Ecovis-Rechtsanwältin. Zum anderen muss er die Bagatellgrenze von fünf Prozent des Ausgangsrechnungswerts übersteigen. Aufgrund der dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen geht der Senat von einer Sonderbeziehung zwischen den Parteien aus. Im Rahmen ihrer wechselseitigen Obhutspflichten seien sie daran gehalten, bei der Geltendmachung von Ansprüchen beiderseits möglichst geringen Verwaltungsaufwand zu verursachen. Erstellt das Krankenhaus eine fehlerhafte Abrechnung und korrigiert diese nachträglich, löst dies bei der Krankenkasse zusätzlichen Verwaltungsaufwand aus. „Steht dieser in keinem angemessenen Verhältnis zum Ausgleichsbetrag selbst, kann eine erneute Rechnungsprüfung nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden“, so Ecovis-Expertin Julia Braun.
FAZIT:
Damit hat das Bundessozialgericht den Krankenkassen in die Karten gespielt, denn wie zu erwarten, lehnen diese Nachforderungen von Krankenhäusern nun reihenweise ab. „Mir liegt zum Beispiel ein Schriftsatz einer großen gesetzlichen Krankenkasse vor, in dem deren Justiziar diese zeitlichen Anforderungen nun auch auf die gerichtliche Geltendmachung von offenen und strittigen Schlussrechnungen anwenden will“, so Julia Braun. Nach Meinung von Ecovis findet diese Rechtsprechung keine Stütze im Gesetz. Es ist abzuwarten, wie die Instanzgerichte mit den Urteilen umgehen. Gegenwärtig kann allen Krankenhäusern nur empfohlen werden, sämtliche Rechnungen ausdrücklich unter den Vorbehalt der Nachprüfung, Korrektur und Nachforderung zu stellen.