Wird ein gesetzlich versicherter Patient von einer Klinik in eine andere verlegt, können seiner Krankenkasse daraus höhere Gesamtbehandlungskosten entstehen. Aus diesem Grund muss laut Bundessozialgericht (BSG) das verlegende Krankenhaus sachliche Gründe für die Entscheidung haben. Diese sind im Fall eines Streits darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
Für eine Verlegung kommen neben zwingenden medizinischen Argumenten auch zwingende in der Person des Versicherten liegende Gründe in Betracht. Eine Verlegung kann auch notwendig sein, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung (Paragraph 1 Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz, KHG) zu gewährleisten.
Ein Beispiel: In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem kann die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (zum Beispiel Maximalversorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (zum Beispiel Grundversorger) gerechtfertigt sein. Das gilt etwa dann, wenn der Versicherte die besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe nicht mehr braucht und andere Patienten die dortigen Versorgungskapazitäten benötigen.
Wichtig: Ein gesonderter sachlicher Grund kann entfallen, falls für die Krankenkassen keine Mehrkosten entstehen. Letzteres kommt insbesondere bei der Rückverlegung eines Patienten in Betracht.
Welcher Fall vor Gericht verhandelt wurde
Aktuell hatte das BSG (Verhandlung vom 7. März 2023, B 1 KR 4/22 R, Terminbericht) zu entscheiden. Ein Universitätsklinikum behandelte eine Patientin vom 16. bis 18. Mai 2017 vollstationär wegen eines subakuten Myokardinfarktes der Hinterwand bei koronarer Drei-Gefäß-Erkrankung. Am 18. Mai 2017 überwiesen die Ärzte die Versicherte in ein wohnortnahes Krankenhaus. Dort blieb sie bis zum 26. Mai 2017.
Das Universitätsklinikum stellte der Krankenkasse für seine Behandlung 4.319,55 Euro in Rechnung. Die Klinik berücksichtigte dabei einen Verlegungsabschlag in Höhe von 1.657,48 Euro. Das wohnortnahe Krankenhaus berechnete für die eigene stationäre Behandlung der Versicherten 2.806,57 Euro. Die Krankenkasse beglich die Rechnung des Universitätsklinikums, beauftragte aber im Anschluss den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MD) mit der Durchführung eines Prüfverfahrens. Im Nachgang dieser Prüfung kürzte die Krankenkasse die Rechnung um 1.147,76 Euro. Sie rechnete mit einer anderen unstrittigen Forderung des Universitätsklinikums auf. Dies begründete sie damit, die Verlegung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Die Versicherte hätte im Universitätsklinikum bis zur Entlassung bleiben können und müssen. Dann hätte die Krankenkasse insgesamt für die stationäre Behandlung in den beiden Krankenhäusern 1.147,76 Euro weniger vergüten müssen.
So entschieden die Richter des BSG
Die Richter des BSG sagen, dass dem Universitätsklinikum zwar der streitige Vergütungsanspruch zustand – unabhängig davon, ob die Verlegung medizinisch notwendig war.
Jedoch kommt ein Schadenersatzanspruch der Krankenkasse wegen einer Pflichtverletzung des Krankenhauses in Betracht. Was aber genau heißt das? Warum kann ein Schadenersatzanspruch der Krankenkasse in Betracht kommen? Mangels Begründung der Verlegung? Ein Schadenersatzanspruch kann entstehen, denn ein Krankenhaus unterliegt dem „Wirtschaftlichkeitsgebot“. Das heißt, es ist verpflichtet, die vorzeitige Verlegung oder Entlassung eines Patienten zu unterlassen, wenn dadurch höhere Gesamtbehandlungskosten entstehen würden.
Ob im konkreten Fall ein Schadenersatzanspruch besteht, konnte das BSG auf Grundlage der zuvor vom Thüringer Landessozialgericht getroffenen Feststellung nicht abschließend entscheiden (L 6 KR 1278/18).
Sollte jedoch ein Schadenersatzanspruch zu bejahen sein, hätte die Krankenkasse mit diesem wirksam aufgerechnet und wäre auch nicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale verpflichtet. Ein sich aus der Prüfung des MD ergebender Schadenersatzanspruch wäre der von Paragraph 275 Abs. 1c S. 3 SGB V aF geforderten Minderung des Abrechnungsbetrags im Wege der Analogie gleichzustellen.
Das bedeutet im Einzelnen: Die Möglichkeit der Aufrechnung ist eine spezielle Ausgestaltung im Krankenhausrecht, da die Krankenkassen zunächst die Rechnungen der Krankenhäuser bezahlen müssen. Damit soll deren Leistungsfähigkeit gesichert werden. Erst wenn die Krankenkassen die Rechnungen bezahlt haben, haben sie die Möglichkeit diese zu überprüfen. Im Anschluss daran können sie zu viel bezahltes Geld gegen andere unstreitige Forderungen aufrechnen. Die Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro ist dann zu zahlen, wenn die Prüfung der Abrechnung durch den MD nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt. Sie ist demnach letztlich eine Art Ausgleichszahlung zugunsten der Krankenhäuser.
Das sollten Kliniken beachten
„Die aktuelle Entscheidung des BSG sorgt für Unsicherheit bei der Verlegung eines Patienten von einer Klinik in eine andere, zumal schon bisher Paragraph 3 der Fallpauschalen-Verordnung die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Verlegung regelte“, sagt Heidi Regenfelder, Ecovis-Rechtsanwältin in München. Da ein solcher Schadenersatzanspruch zumindest denkbar ist, „kann eine unbegründete Verlegung Kliniken teuer zu stehen kommen“, warnt Regenfelder. Insofern sollten Krankenhäuser vorab prüfen, inwiefern ein solcher Schritt tatsächlich sachlich begründet ist. Kliniken müssen andernfalls damit rechnen, dass die Krankenkassen sich gegen die Mehraufwendungen wehren.