Wann Heilbehandlungen umsatzsteuerfrei sind
Heilbehandlungen in der Humanmedizin, die Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker, Physiotherapeuten, Hebammen oder ähnliche Heilberufler ausführen, sind umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG). Wichtig dabei: Bei der Heilbehandlung muss ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehen.
Die Finanzverwaltung braucht als Nachweis des therapeutischen Zwecks von Heilbehandlungen durch Heilberufler (hier: Physiotherapeut) eine ärztliche Verordnung oder die Verordnung eines Heilpraktikers. Außerdem sieht sie eine Behandlung im Anschluss einer Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers grundsätzlich nicht als steuerfreie Heilbehandlung an, wenn für diese Anschlussbehandlungen keine neue Verordnung vorliegt.
Physiotherapeut rechnet Anschluss- und Nebenleistungen umsatzsteuerfrei ab
Ein Physiotherapeut hat Umsätze aus Behandlungen umsatzsteuerfrei abgerechnet, obwohl dafür keine ärztlichen Verordnungen (Rezepte) vorlagen. Er behandelte Patienten nach ausgelaufenem Rezept als Selbstzahler weiter. Nach Auffassung des Physiotherapeuten handelte es sich sowohl bei den Anschlussbehandlungen als auch bei den damit verbundenen Nebenleistungen (wie Kinesio-Taping) immer noch um Heilbehandlungsleistungen, die steuerfrei seien. Das Finanzamt behandelte die gesamten Erlöse hingegen als steuerpflichtig zum Regelsteuersatz von 19 Prozent.
Urteil: Auf die ärztliche Verordnung kommt es an
Das Finanzgericht Düsseldorf gab teils dem Physiotherapeuten und teils dem Finanzamt recht (Urteil vom 16.04.2021, 1 K 2249/17 U) Die Behandlungen von Selbstzahlern sind umsatzsteuerfrei, weil bereits vor der Anschlussbehandlung eine ärztliche Verordnung vorlag. Im Nachgang, also zur nicht ärztlich verordneten Behandlung, legten die Patienten außerdem im nächsten Quartal, spätestens jedoch nach einem Jahr wegen derselben Diagnose eine erneute ärztliche Verordnung vor.
Anders ist es bei Nebenleistungen. Sie sind nicht von der Umsatzsteuer befreit. Zu diesen Leistungen zählen zum Beispiel:
- Kinesio-Taping,
- Wärme- oder Kältetherapie,
- Extensionsbehandlung,
- Präventionskurse und
- Gerätetraining.
Praxishinweis: Wann Behandlungen umsatzsteuerfrei sind
Heilberufler müssen also zwei Kriterien erfüllen, um Behandlungen umsatzsteuerfrei abrechnen zu können. Sie müssen für die Durchführung der Heilbehandlung
- ihre entsprechende Befähigung nachweisen und
- den dafür notwendigen therapeutischen Zweck belegen.
Rainer Sievert, Steuerberater bei Ecovis in Lichtenfels
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