Welche Heilbehandlungen umsatzsteuerfrei sind
Umsätze aus Heilbehandlungen in der Humanmedizin sind umsatzsteuerfrei, wenn sie unter anderem ein Arzt oder jemand im Rahmen einer „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit“ ausführt (§ 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG). Auch Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen, die bestimmte zugelassene Einrichtungen erbringen, sind umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG). Beide Vorschriften sind laut EU-Rechtsprechung anzuwenden.
Sachverhalt: Pfleger mit Ein-Mann-GmbH arbeitet für Krankenhäuser
Ein examinierter Kranken- und Intensivpfleger erbrachte als Gesellschafter-Geschäftsführer seiner Ein-Mann-GmbH in verschiedenen Krankenhäusern Intensivpflegeleistungen im Schichtdienst.
Das Finanzamt war der Meinung, dass eine Steuerfreiheit, wie es sie unter anderem für Ärzte und „ähnliche heilberufliche Tätigkeiten“ gibt, nicht in Betracht komme. Denn der Pfleger erbrachte die Leistungen weder in einer Praxis noch zu Hause beim Patienten, sondern ausschließlich in Krankenhäusern. Eine Steuerbefreiung für Krankenhausbehandlungen sei jedoch ebenfalls nicht einschlägig, weil die GmbH zu keiner der dort genannten Einrichtungen gehöre. Außerdem schulde die GmbH dem Krankenhaus Leistungen. Mit dem Patienten selbst hingegen bestünden keine Vertragsverhältnisse.
Urteil: Intensivpflegeleistungen können umsatzsteuerfrei sein
Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied, dass die vorliegenden Intensivpflegeleistungen konkreter Bestandteil einer Heilbehandlung sein können und damit umsatzsteuerfrei sind (Urteil vom 21.04.2021, XI R 12/19). Unschädlich für die Steuerbefreiung war, dass
- die Pflege nicht in den Praxisräumen des Behandelnden oder in der Wohnung des Patienten, sondern im Krankenhaus stattgefunden hat,
- den Pflegeleistungen kein Vertrauensverhältnis zwischen dem Pfleger und dem jeweiligen Patienten zugrunde lag,
- das Leistungsaustauschverhältnis nicht zwischen der GmbH und dem einzelnen Patienten, sondern zwischen der GmbH und der Klinik bestand,
- die GmbH Leistungen in Subunternehmerstellung an die Kliniken erbracht hat,
- die Leistungserbringerin eine GmbH war. Zwar kann eine GmbH als solche ohne für sie handelnde Personen keine Intensivpflegeleistung erbringen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es aber, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden.
Letztendlich geht es in dem Urteil darum, dass bereits der Europäische Gerichtshof klargestellt hat, dass Intensivpflegeleistungen unter die Steuerbefreiung für Ärzte und ähnliche heilberufliche Tätigkeiten fallen. „Der BFH hat mit seinem aktuellen Urteil bestätigt, dass diese Leistungen auch dann steuerfrei sind, wenn ein Pfleger sie in den Räumen eines Krankenhauses erbringt“, sagt Ecovis-Steuerberater Thorsten Blümel in Aschaffenburg, „beide Vorschriften sind damit nebeneinander anzuwenden.“