Dabei geht es nicht nur um strategische Risiken, die den Bestand des Unternehmens gefährden können, wie zum Beispiel zu große Abhängigkeit von einem Kunden, mangelnde Nachfolgeregelung oder fehlende Eventualplanung für einen Umsatzeinbruch. „Viele mittelständische Unternehmer unterschätzen die Risiken, die im Geschäftsalltag lauern, weil sie zu vertrauensselig sind“, weiß Dr. Holger Fischer, Mittelstandsberater bei Ecovis. Die Erfahrung zeigt, dass es oft eigene Mitarbeiter sind, die durch Diebstahl oder Unterschlagung die Firma schädigen. Und häufig werden ihnen die kriminellen Taten durch mangelnde Kontrollmechanismen leichtgemacht.
Dabei kann es durchaus um beträchtliche Summen gehen. Das Beispiel einer Buchhalterin in einem kleinen Betrieb, die mithilfe von Pseudorechnungen von erfundenen Kunden im Laufe der Zeit einen sechsstelligen Betrag abzweigte, ist kein Einzelfall. Aber auch bloße Versehen können teuer zu stehen kommen, wenn etwa beim Überweisungsbetrag eine Null zu viel aus 9.000 Euro 90.000 macht.
„Um solche Risiken zu minimieren, genügen einfache Vorkehrungen“, sagt Larsen Lüngen. Beispiel Bankkonten: Sinnvoll ist es, nicht nur die Verfügungsberechtigten festzulegen und zu kommunizieren, sondern auch Schwellenwerte zu definieren, ab denen nur zwei Mitarbeiter gemeinsam oder der Chef Zahlungen anweisen dürfen. Wenn zum Beispiel jemand nur bis zu 10.000 Euro verfügungsberechtigt ist, fällt es sofort auf, wenn er 90.000 statt 9.000 Euro überweisen will.
Wirksame Kontrollmechanismen
Eine weitere Sicherheitsmaßnahme ist, nur geprüfte Lieferantenrechnungen anzuweisen, die beispielsweise mit Stempel und Unterschrift des dazu Berechtigten versehen sind. Das erschwert es, Scheinrechnungen zu verbuchen wie im Fall der Buchhalterin. Primär lässt sich durch Prüfung der Eingangsrechnungen erkennen, wenn weniger Ware (oder Leistung) geliefert wurde als berechnet und ob die Forderung überhaupt zu Recht besteht. Eine Voraussetzung dafür ist eine sorgfältige und dokumentierte Wareneingangskontrolle – nach dem Motto „Nur was dokumentiert ist, das ist auch überprüft“.
„Die klassische Gefahr im Einkauf besteht jedoch darin, dass überhöhte Preise gezahlt werden und ein Einkäufer dafür materielle Vorteile erhält“, sagt Wirtschaftsprüfer Lüngen. Dieses Risiko kann durch folgende Maßnahmen begrenzt werden:
• Bestellungen ab einem bestimmten Einkaufswert dürfen nur schriftlich freigegeben oder/und müssen von zwei Berechtigten unterzeichnet werden.
• Generalabschlüsse unter Einbeziehung des Unternehmers helfen, Absprachen zu seinen Lasten zu vermeiden.
• Schlüssellieferanten werden von zwei verschiedenen Personen nach dem Vier-Augen-Prinzip betreut.
„Auch im Verkauf können Fehler, Betrugs- und Diebstahlsrisiken durch einfache Kontrollen vermieden werden“, sagt Larsen Lüngen. Ein Basisinstrument dafür sind fortlaufende Rechnungsnummern, wie sie das Finanzamt für die Umsatzsteuer verlangt. „Das ist auch ein Schutz für das Unternehmen, weil betrugsanfällige Nebenbuchhaltungen erschwert werden“, erklärt Ecovis-Experte Fischer. Wichtig ist zudem, dass auf den Rechnungen auf die Liefer- oder Leistungsscheine bzw. Auftragsbestätigungen verwiesen wird. Nur so kann geprüft werden, ob alle Lieferungen abgerechnet sind und zu allen Rechnungen Lieferungen oder Leistungen erfolgt sind.
„In Unternehmen mit Bargeschäften sollte den Kassen besondere Aufmerksamkeit gelten, weil dort das Geld leicht greifbar ist“, rät Larsen Lüngen. Hier traut die Finanzverwaltung selbst den Unternehmern nicht und zwingt sie daher nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kassenführung unter anderem zu folgenden, durchaus sinnvollen Maßnahmen:
• Stornos müssen erkennbar sein und sollen möglichst von einem zweiten Berechtigten abgezeichnet werden.
• Auszahlungen aus der Kasse erfordern ebenfalls einen zweiten Berechtigten.
• Bei Kassenübergabe und nach Kassenschluss sind die Bestände zu zählen und darüber ein Zählprotokoll zu erstellen.
Mit Strichcode und Stichproben
„Den besten Schutz gegen Manipulationen, insbesondere gegen Mitarbeiterdiebstahl, bietet ein geschlossenes Warenwirtschaftssystem vom Eingang bis zum Verkauf“, sagt Holger Fischer. Um den Waren- oder Materialfluss verfolgen zu können, muss jedes Produkt beim Eingang mit einem Strichcode versehen werden, wenn es nicht schon entsprechend etikettiert ist. Durch Stichproben-Inventuren nach Warengruppen lässt sich verdächtiger Schwund entdecken, dem dann gezielt nachgeforscht werden kann. „Auf diese Weise fiel“, so Fischer, „in einem Einzelhandelsunternehmen auf, dass aus der Sportabteilung Ski samt Bindung verschwanden. Durch Hinweise aufmerksamer Mitarbeiter wurde dann auch der Täter aufgespürt.“ Hilfreich zur Aufdeckung sind auch Vergleiche mit Branchenkennzahlen, zum Beispiel zum Wareneinsatz in Relation zum Umsatz. „Konsequent praktizierte Kontrollmechanismen wirken zudem vorbeugend“, sagt Larsen Lüngen. „Wenn die Mitarbeiter darum wissen, geraten sie nicht so leicht in Versuchung.“
Worüber wir reden sollten
• Reichen die operativen Kontrollmechanismen in meinem Betrieb aus?
• Sind die Bankvollmachten angemessen?
• Ist eine ordnungsgemäße Kassenführung gewährleistet?
• Erfüllen die Ausgangsrechnungen die umsatzsteuerlichen Kriterien?
• Anhand welcher (Branchen-)Kennzahlen kann ich Unregelmäßigkeiten aufspüren?
• Welche Erkenntnisse ergeben sich aus meinem Stresstest? Wie kann ich die Schwachstellen beheben?
Stresstest für Unternehmer
Ist Ihr Unternehmen auf außergewöhnliche Situationen gut genug vorbereitet? Wo bestehen noch offene Risiko-Baustellen? Antwort darauf erhalten Sie innerhalb von zehn Minuten, wenn Sie die 22 Fragen des Unternehmerstresstests durcharbeiten, den Ecovis aufgrund der langjährigen Erfahrung in der Mittelstandsberatung entwickelt hat. Wichtig für die Aussagekraft ist, dass Sie die Fragen ehrlich beantworten. Die Anwendung finden Sie unter www.ecovis.com/stresstest; dort können Sie auch die entsprechende Ecovis-App für iPhone und iPad herunterladen. Lesen Sie dazu ebenso den Stresstest-Beitrag in „Ecovis Turnaround“ 2/2012. Download unter www.ecovis.com/turnaround