So äußerte sich Anfang 2012 der Bundesgerichtshof (BGH) zur Frage der Strafbarkeit wegen ärztlichen Abrechnungsbetrugs in Sachen Privatliquidation: Ein Verstoß gegen die aus dem Vertragsarztrecht bekannten Abrechnungsanforderungen kann auch bei der Abrechnung gegenüber Privatpatienten zum Vorwurf des Betrugs führen. Die Grundsätze der persönlichen Leistungserbringungspflicht, der Delegationsfähigkeit von medizinischen Leistungen und des beim ärztlichen Abrechnungsbetrug speziellen Schadensbegriffs gelten bei der Privatliquidation in gleichem Maße.
Gemäß dieser Entscheidung müssten die Leistungen bei Privatpatienten nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnungsfähig sein, sofern Bezug darauf genommen wird. Erhält der Privatpatient eine nach der GOÄ spezifizierte Leistungsabrechnung, liegt dann eine Täuschung vor, wenn der Mediziner die jeweiligen Leistungen
(a) überhaupt nicht,
(b) nicht so wie in der Abrechnung angegeben oder
(c) nicht selbst erbracht hat.
Das Argument des BGH: Wer eine Leistung einfordert, akzeptiert damit den zugrunde liegenden Anspruch, im vorliegenden Fall die Abrechnungsfähigkeit der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistungen. Mit dem Bezug auf die in der Abrechnung genannte GOÄ des liquidierenden Arztes gegenüber dem Privatpatienten wird anerkannt, dass die entsprechenden Positionen nach der GOÄ abrechnungsfähig wären und als abrechnungsfähige Leistungen erbracht worden sind.
Steigerungsfaktoren der GOÄ
Will der Arzt jeglichem Verdacht eines vorsätzlich unrechtmäßigen Verhaltens vorbeugen, sollte er bei der Privatliquidation seine eigene Abrechnungspraxis kritisch hinterfragen. Die versehentliche Liquidation nicht erbrachter Leistungen dürfte dabei wenig praxisrelevant sein. Anders jedoch verhält es sich beim richtigen Ansatz von Steigerungsfaktoren der GOÄ (Stichwort: „nicht so“ erbrachte Leistungen), wenn diese bei der Privatliquidation zugrunde gelegt werden. Ebenso gilt bei erfolgter GOÄ-Bezugnahme im Rahmen der Privatliquidation die grundsätzliche Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung (Stichwort: „nicht selbst“ erbrachte Leistungen). So dürfen „eingekaufte“ Speziallaborleistungen Dritter oder Therapieleistungen, die nicht unter Aufsicht und nach fachlicher Weisung des Arztes erbracht wurden, von diesem nicht privat abgerechnet werden. Nach Ansicht des BGH wird der Privatpatient ebenso wie der gesetzlich Krankenversicherte dadurch geschädigt, dass die erbrachte Leistung mangels Abrechenbarkeit nach GOÄ nicht zum Entstehen eines Zahlungsanspruchs des Arztes führt.
Wirtschaftlicher Wert
Begründet wird dies damit, dass bei privatärztlichen Leistungen, für die es weder einen Verkehrswert noch einen Markt oder einen von den Vertragsparteien frei zu vereinbarenden Preis gibt, die materiellrechtlichen Normen zur Abrechenbarkeit (wie der GOÄ) den wirtschaftlichen Wert der Leistungen bestimmen.
Das bedeutet: Wären die in Rechnung gestellten Leistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung wegen fehlender Erfüllung der in Ansatz gebrachten GOÄ-Abrechnungstatbestände nicht abrechenbar, haben sie auch für den Privatpatienten keinen wirtschaftlichen Wert. Darauf, dass er diese Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen hat, solle es nach dem BGH für den Privatpatienten nicht ankommen, da er damit etwas gleichsam „wertloses“ erlangt habe, das er dennoch bezahlen soll. Insoweit gilt das aus dem Vertragsarztrecht bekannte Kompensationsverbot.
FAZIT:
Oftmals wird die Frage nach dem Unterschied zwischen Versehen oder Vorsatz bei einer nicht einwandfreien Liquidation erst beim Ermittlungsverfahren oder bei der öffentlichen Hauptverhandlung vor Gericht behandelt. Will man eine solche häufig reputationsschädigende Situation vermeiden, sollte sich ein umsichtiger Mediziner in Abrechnungsbelangen beraten lassen.
Autor: Sebastian Knarse, LL.M., Rechtsanwalt bei Ecovis in Bergkamen, sebastian.knarse@ecovis.com