Mit seinem Urteil kurz vor dem Jahresende 2014 hat das Bundesverfassungsgericht jetzt Antworten gegeben. Die Richter erklären zwar einige Regelungen im geltenden Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig, sie stellen jedoch auch klar, dass erbschaftsteuerliche Vergünstigungen für kleine und mittlere Unternehmen dem Gleichheitssatz nicht widersprechen. „Das Urteil bestätigt in wesentlichen Kernpunkten die erbschaftsteuerliche Verschonung von Betrieben. Es fordert aber vom Gesetzgeber, einige Stellschrauben bis spätestens zum 30. Juni 2016 neu zu justieren“, sagt Liane Grebe, Rechtsanwältin bei Ecovis.
Lohnsummenregelung ist verfassungskonform
Grundsätzlich zulässig ist auch künftig das Heranziehen der Lohnsumme als Kriterium für die Steuerfreistellung. Der Hintergrund: Nach derzeitiger Gesetzeslage können 85 Prozent des begünstigten Betriebsvermögens steuerfrei übertragen werden, wenn die Arbeitsplätze in den fünf Jahren nach der Übertragung weitgehend erhalten bleiben. Der Gesetzgeber fordert deshalb, dass sich die Lohnsumme in dieser Zeit höchstens um ein Fünftel verringern darf und der Betrieb auch fünf Jahre fortgeführt wird. „Das Verfassungsgericht hält darüber hinaus auch die auf Antrag mögliche hundertprozentige Freistellung des Betriebsvermögens von der Besteuerung bei konstanter Lohnsumme innerhalb einer Siebenjahresfrist für verfassungskonform“, so Ernst Gossert, Steuerberater bei Ecovis. Nicht einverstanden dagegen sind die Richter mit der Ausnahmeregelung für Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten. Um Verwaltungsaufwand zu sparen, gewährt der Gesetzgeber solchen Firmen die erbschaftsteuerliche Freistellung bislang auch ohne Nachweis einer Mindestlohnsumme. Entscheidend ist lediglich, dass das Unternehmen innerhalb der Fristen fortgeführt wird. Das Kritische dabei: Da mehr als 90 Prozent aller Unternehmen in diese Größenordnung fallen, ist der weitaus überwiegende Teil der steuerlich begünstigten Betriebsübertragungen nicht an den Erhalt von Arbeitsplätzen geknüpft. Die Richter fordern deshalb, die Ausnahmeregelung deutlich enger zu fassen. Allerdings: Selbst bei einer Absenkung der Messlatte auf zehn Beschäftigte würden immer noch mehr als 80 Prozent der Unternehmen unter die Sonderregelung fallen. „Anzunehmen ist daher, dass der Gesetzgeber nach einem neuen Maßstab wie beispielsweise der Lohnsumme suchen wird“, sagt Experte Gossert.
Förderung von Verwaltungsvermögen und Großunternehmen in der Kritik
Ebenfalls notwendig wird eine Neuregelung zur Höhe des im Rahmen einer Steuerfreistellung zulässigen Verwaltungsvermögens von Betrieben. Bislang gilt: Solange der Anteil dieser nicht produktiven Vermögensteile, wie etwa vermietete oder verpachtete Immobilien, Aktien oder auch Kunstgegenstände, nicht die Hälfte des gesamten betrieblichen Vermögens übersteigt, ist im Falle einer Steuerverschonung der gesamte übertragene Vermögenswert befreit. Liegt der Anteil dagegen auch nur einen Prozentpunkt höher, geht die Begünstigung vollständig verloren. Aus Sicht des Verfassungsgerichts ist die Messlatte von 50 Prozent aber ohnehin zu hoch angesetzt. Der Gesetzgeber soll nun dafür sorgen, dass das Verwaltungsvermögen in deutlich geringerem Ausmaß steuerschonend berücksichtigt wird.
Die größte Herausforderung für eine Novellierung aber resultiert in einer anderen Vorgabe aus Karlsruhe. „Unverhältnismäßig ist die Privilegierung betrieblichen Vermögens, soweit sie über kleine und mittlere Unternehmen hinausreicht“, sagen die Richter. Dahinter steht die Frage, ob Großunternehmen überhaupt Steuerprivilegien zur Existenzsicherung brauchen. Der Gesetzgeber soll deshalb jetzt „präzise und handhabbare“ Kriterien für Firmen festlegen, für die eine Verschonung ohne dezidierte Bedürfnisprüfung nicht mehr in Betracht kommt. Das Urteil sagt aber nicht, nach welchen Maßstäben ein Großunternehmen definiert sein und wie die Bedürfnisprüfung aussehen soll. „Hier ist alles noch offen, auch weil jede politische Partei dazu andere Vorstellungen hat“, sagt Liane Grebe.
Allzu viel Zeit will die Politik bis zu einer Neuregelung nicht verstreichen lassen. Das Bundesfinanzministerium hat bereits einen ersten Gesetzentwurf bis Ostern sowie eine Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat noch vor Jahresende als Zielvorgabe angekündigt. Dafür gibt es gute Gründe. Denn auch wenn der Bund über die Reform entscheidet, steht das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer doch den Ländern zu. Damit wächst die Gefahr, dass von dieser Seite mit längerer Dauer des Schwebezustands auch immer mehr Vorschläge und Begehrlichkeiten in die Diskussion gebracht werden.
Zeit zum Handeln
Zumindest bis zum Jahresende dürfte dennoch ein Zeitfenster bleiben, in dem Unternehmer eine Betriebsübergabe noch vor dem Hintergrund der geltenden Regeln umsetzen können. Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zwar ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, eine Neuregelung rückwirkend bis zum Tag des Urteilsspruchs, also dem 17. Dezember 2014, zu erlassen. Ob die Politik diese Option zieht, ist aber offen. „Wir raten Unternehmen, bei denen die Voraussetzungen für eine geplante Betriebsübertragung gegeben sind, das Zeitfenster des jetzt noch geltenden Rechts zu nutzen“, sagt Michael Sabisch, Steuerberater bei Ecovis. Sei allerdings ein wirklich geeigneter Nachfolger noch nicht gefunden oder sprechen andere Gründe gegen eine Schenkung zum jetzigen Zeitpunkt, sollte man die Übertragung auch nicht allein aus steuerlichen Gründen vorziehen.
Wenn aber die Rahmenbedingungen stimmen, kann eine zügige Vorbereitung der Betriebsübergabe sinnvoll sein. Dabei ist es gleichzeitig möglich, rechtliche Risiken abzusichern. „Unternehmer und ihre Nachfolger sollten sich durch die Anwendung einer sogenannten Steuerklausel unbedingt gegen Unwägbarkeiten schützen“, rät Sabisch. Aufgrund einer solchen Klausel kann die Übertragung nämlich rückgängig gemacht werden, falls es später etwa infolge einer rückwirkenden Reform zu einer Schlechterstellung kommt.