Grundsätzlich kann man versuchen, dieses Problem durch erhöhten Arbeitseinsatz, also größere Entwicklungsteams zu lösen. Dieser Ansatz stößt jedoch schnell an unüberwindliche Grenzen. Chips großer Komplexität werden heute von Teams mit mehr als hundert Ingenieuren entworfen. Die dabei auftretenden Aufwände für die Koordination und das Projektmanagement senken die Effizienz erheblich. Zudem ist dieser Ansatz mit erheblichen Risiken für den Entwicklungserfolg verbunden. Es ist klar, daß auf diesem Wege kaum weiter fortgeschritten werden kann.
Eine Lösung des Problems, das auch als Entwurfslücke (Design-Gap) bekannt geworden ist, kann nur durch eine drastische Steigerung der Entwurfsproduktivität gelingen. Der dazu notwendige Hebel wird durch angepaßte Entwurfsmethoden und -werkzeuge (Software) zur Automatisierung des Entwurfs (Electronic Design Automation, EDA) bereitgestellt. Wenn wir also die Herausforderungen, vor die uns die Fertigungstechnologie im Entwurf stellt, bewältigen wollen, dann müssen wir stärker als bisher in die Entwurfsautomatisierung investieren. Dies war im Übrigen schon immer so und ist in allen Branchen gleich. Produktivitätssteigerung bedeutet Automatisierung. EDA ist der entscheidende Schlüssel zur Zukunft der Mikroelektronik. Nur durch EDA wird es gelingen, die Schaltungskomplexität zu bewältigen, die Entwurfsproduktivität im erforderlichen Maße zu steigern und die Entwurfsqualität zu verbessern.
Die Welt von EDA ist heute klein, noch viel kleiner als die Welt der Mikroelektronik - ganze 3 Mrd. Dollar werden weltweit umsetzt, davon bestenfalls 500 Mio. DM in Deutschland. Der entsprechende Industriezweig hat sich - seit etwa 1980 - fast ausschließlich in den USA entwickelt. Er bildet, trotz seiner relativ geringen Größe, die entscheidende Grundlage für den Erfolg der ganzen Mikroelektronik, der davon abhängigen Geräte- und Systembranchen und damit ganzer auf solche Industrien gegründeter Volkswirtschaften. Was passiert, wenn man die Entwurfsmethodik unterschätzt, zeigt der berühmte Pentium-Bug, der der Firma Intel 1994 fast 500 Mio. Dollar Ergebnisverlust bescherte. Dies war ein Entwurfsfehler, der aufgrund unvollständiger Simulation unentdeckt blieb.
Mit der sich öffnenden Schere des Design-Gaps verschlimmert sich die Situation von Jahr zu Jahr. Dennoch ist es bisher nicht gelungen, dem Thema EDA die erforderliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der Grund dafür ist einfach. Investitionen in Fertigungstechnologie erscheinen logisch und unvermeidbar. Viel Geld floß beispielsweise in die Zukunftsthemen Lithographie (Röntgen!), Scheibendurchmesser (300 mm!) und Fertigungen (Dresden!). Dagegen erscheinen Investitionen in Designtechnologie abstrakt und vermeidbar und immer wieder hören wir die Scheinargumente, wie: Was ist denn eigentlich das Ergebnis von EDA? Ihr habt doch Eure Chips bisher auch immer entworfen!
Was ist hier und heute zu tun, um dieser Sackgasse zu entkommen?
- Management, Öffentlichkeit und Politik müssen hinsichtlich der fachlichen und wirtschaftlichen Folgen des Design-Gaps stärker sensibilisiert werden.
- Eigene EDA-Stärken müssen ausgebaut und besser dargestellt werden.
- Die EDA-Forschung muss durch bessere Zusammenarbeit und erhöhten Ergebnistransfer attraktiver auftreten.
- Der europäische EDA-Markt mit seinen spezifischen Bedürfnissen muß im globalen Zusammenhang gestärkt werden.
Wenn wir jetzt unsere Chancen ergreifen, können wir im Jahr 2010 zu denjenigen gehören, die die erworbenen Entwurfsfähigkeiten als großen Wettbewerbsvorteil nutzen können. Im verschärften Wettbewerb der Mikroelektronikindustrie werden solche Firmen und Länder erfolgreich hervorgehen, die frühzeitig ihren Fokus auf das Thema EDA (Electronic Design Automation) - also Entwurfsfähigkeit, Entwurfsmethodik und Entwurfsproduktivität - gerichtet haben. Die Voraussetzungen, hier zu den Siegern zu gehören, sind günstig. Die JESSI-Initiative, sowie der in den Jahren 1997 bis 2000 in Deutschland vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Schwerpunkt "Smart System Engineering", haben Kompetenzen auf dem EDA-Gebiet geschaffen, die sich durch eine enge Beziehung zwischen Forschern, Anwendern und Vermarktern auszeichnen. Für die Lösung der zukünftigen Aufgaben reicht jedoch die Durchführung einzelner Projekte nicht mehr aus. Die Schwierigkeit der anstehenden Aufgaben verlangt eine konzertierte Aktion und neue Modelle der Zusammenarbeit.
Im Rahmen des Smart-System-Engineering-Industriearbeitskreises (SSE-AK) wurde deshalb ein Konzept für einen neuen EDA-Forschungsschwerpunkt ASEDA (Application Specific Electronic Design Automation) entworfen, das für den Zeitraum 2001 bis 2004 eine Reihe von sorgfältig aufeinander abgestimmten F&E-Projekten auf den Weg gebracht hat. Dabei entstand die Idee, zur Erreichung maximaler Ergebnisse neue Kompetenzen und Netzwerke aufzubauen, um den geplanten Forschungsschwerpunkt zu begleiten.
Die Industrie hat deshalb Anfang 2001 die Initiative zur Einrichtung eines deutschen EDA-Zentrums ergriffen. Das Zentrum soll vorhandene Kompetenzen zusammenführen und neue aufbauen, wozu insbesondere die Abstimmung längerfristiger Forschungsaufgaben gehört. Zu den weiteren Aufgaben gehören die thematische Ausrichtung und Abstimmung mittelfristiger Projekte, aber auch die Koordination mit Verbänden und Fördergebern. Darüber hinaus ist die repräsentative Darstellung der Forschungsergebnisse, ihres wirtschaftlichen Nutzens und ihrer wissenschaftlichen Tragfähigkeit mit einer breiten Wirkung in der Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung. Das BMBF wird den Aufbau des EDA-Zentrums mit einer Anschubfinanzierung unterstützen.
Das Zentrum ist wie folgt organisiert. Sein Rückrat bilden die drei Vorstandsbereiche Büro, Koordination und Basisforschung mit einem Stab von ca. 10 Mitarbeitern. Auf der darunterliegenden Projektebene befinden sich - deutschlandweit verteilt - die eigentlichen Ressourcen. Dazu gehören sowohl industriegesteuerte F&E-Verbundprojekte als auch - in deutlich geringerem Umfang - neuartige Basisforschungsprojekte, in denen vorwiegend Hochschulen und Forschungsinstitutionen an längerfristigen Themen unter der Koordination des Zentrums zusammenarbeiten.
Über dem Vorstand finden wir das Steuerungsgremium sowie den Aufsichtsrat.
Im Aufsichtsrat sind Firmen vertreten, die in Deutschland zu den Marktführern bei der Entwicklung wichtiger Mikroelektronikprodukte gehören und ein nennenswertes eigenes Engagement im Bereich Mikroelektronik-EDA aufweisen, sowie das BMBF. Die Aufgaben des Aufsichtsrats sind Festlegung der Ziele und die Wahrnehmung der üblichen Kontrollfunktionen.
Im Steuerungsgremium sind Elektronikfirmen vertreten, die sich wesentlich an durch das Zentrum betreuten Forschungsprojekten beteiligen, sowie EDA-Firmen, KMUs, Forschungs-Institutionen und Verbände. Die Aufgaben des Steuerungsgremiums sind die thematische Ausrichtung, die fachliche Steuerung des Zentrums sowie Planung, Review und Bewertung von Projekten.
Das Büro stellt den Sitz des EDA-Zentrums dar. Die Aufgaben des Büros sind vor allem die Öffentlichkeitsarbeit mit den Themen Bestandsaufnahme, Information, Diskussion, Beratung und Workshops. Schließlich dient das Büro auch als Sekretariat des Zentrums.
Die Aufgaben des Vorstandes Koordination sind die Koordination und Vorbereitung von F&E-Verbundprojekten, die Internationalisierung des Zentrums und die Beteiligung an Standardisierungsgremien, die Vorbereitung der Verwertung von Projektergebnissen sowie die Pflege von Verbindungen zu den Verbänden und die Beratung des BMBF.
Die Aufgaben des Vorstandes Basisforschung liegen in der Anregung neuer Methoden und Verfahren, der Projektleitung bei Basisforschungsprojekten sowie der Bildung von Kompetenzzentren und entsprechenden Netzwerken.