Plattform hilft, Energie für Druckluft in der Industrie zu sparen
„Schon vor der Energiekrise hat die Industrie Leckagen in Druckluftleitungen bekämpft, da sie die meisten energetischen Verluste und damit auch unnötige Kosten verursachen. Mit Blick auf die aktuelle Preisentwicklung ist es für Unternehmen umso wichtiger, solche Undichtigkeiten zu finden, Verluste zu bewerten und Maßnahmen für die Instandhaltung einzuleiten,“ erklärt Dr. Tino Hutschenreuther, Themenbereichsleiter für System Design am IMMS.
Bis zu 10% der elektrischen Energie werden in den verschiedensten Industrien allein dafür verwendet, Druckluft zu erzeugen, beispielsweise um Maschinen und Zylinder anzutreiben, Werkstoffe oder Kleinteile zu befördern, Form- oder Gussteile zu kühlen, Gastanks durchzuspülen oder Abluft-, Ventilations- und Trocknungssysteme zu betreiben. 30% dieser Druckluft gehen bis dato im Durchschnitt aufgrund von Leckagen verloren.
Um solche Verluste deutlich zu senken, hat das IMMS die sUSe-Elektronikplattform für eine automatisierbare Lösung für die Sensoren der Kooperationspartner SONOTEC GmbH und Postberg+Co. GmbHentwickelt. Das sUSe-System aus Plattform und Sensoren kann in industriellen Druckluftsystemen nachgerüstet werden, um sie permanent zu überwachen, die Energieeffizienz zu verbessern und CO2-Emissionen einzusparen.
System vereint weltweit erstmalig hybride Sensorik und Datenfusion in einem Gerät für ein ganzheitliches und kontinuierliches Monitoring
Bislang werden Lecks in Druckluftsystemen von meist extern beauftragten Service-Technikern mit Einzelsensorik bzw. verschiedenen Geräten gemessen, analysiert, geortet und in Berichten dokumentiert. Ein kontinuierliches Monitoring findet in der Regel nicht statt und die Daten lassen sich weder vernetzen oder an ERP-Systeme anbinden.
Die am IMMS entwickelte sUSe-Plattform bildet die Basis eines weltweit neuartigen, ganzheitlichen Monitoring-Systems für Druckluftsysteme. Es besteht aus der Plattform und mehreren, über ein Druckluftsystem verteilten, vernetzten und fest installierbaren Ultraschall- und Volumenstrom-Sensoren.
Zum einen messen Volumenstromsensoren des Partners Postbergdie Menge an durchfließender Druckluft an verschiedenen Stellen im System. Diese wird zu jener Menge in Beziehung gesetzt, die in das Druckluftsystem eingespeist wird. Zum anderen werden durch die ebenso im System integrierten Ultraschallsensoren der SONOTEC GmbH Leckagen akustisch geortet und deren Verlust bewertet.
Mit der sUSe-Plattform werden sämtliche Daten unterschiedlichster Sensoren zusammengeführt und digital verarbeitet. Durch diese Datenfusion ist eine umfassende Bewertung möglich, denn jetzt werden Leckagestellen und Gesamtvolumenstrom gemeinsam betrachtet. Dadurch lässt sich der Anteil der Verluste am gesamten Verbrauch an Druckluft genau zuordnen.
„Mit diesem völlig neuen Konzept, Druckluftverluste ganzheitlich zu bewerten, können sich Betriebe mit fundierten Daten auf die großen Baustellen konzentrieren,“ erklärt Hutschenreuther weiter. „Denn etwa 70 Prozent der Druckluftverluste sind im Schnitt auf etwa 10 Prozent der Lecks zurückzuführen, die man nun gezielt zuerst mit Instandhaltungsmaßnahmen beseitigen kann.“
Elektronikplattform, KI-basierte Signalverarbeitung, Kommunikationslösung, Leistungsmerkmale
Da Druckluft für viele Anwendungen, wie z.B. für verschiedene Aktionen eines Industrieroboters, an wechselnden Stellen in unterschiedlicher Menge zugeführt wird, müssen sUSe-Plattform und alle zugehörigen Sensoren zeitsynchron arbeiten. Daher hat das IMMS bei der Konzeption der Hardware-Komponenten einen modularen Ansatz verfolgt. Die Sensoren erfassen über einen Synchronisationsmechanismus zeitgleich Daten, um die Echtzeitfähigkeit des Systems zu gewährleisten. Die vom IMMS implementierten Algorithmen dienen dazu, die verschiedenen Kanäle innerhalb des Systems zu bewerten und eine Aussage zu treffen. Über einen Erweiterungssteckplatz können KI-Beschleuniger nachgerüstet und somit die Verarbeitungsleistung erheblich erhöht werden.
Diese Edge-KI-Plattform zur dezentralen Datenverarbeitung wird für jeden Messpunkt des Monitoring-Systems eingesetzt. Um das System sehr flexibel für verschiedene Anwendungen anpassen zu können, ohne Änderungen an der Hardware vornehmen zu müssen, wurden vom IMMS die Komponenten zur Signalverarbeitung mit einer modellbasierten Entwurfstechnologie entwickelt und auf dieser Basis die Anwendungsalgorithmen für die FPGA-Integration konfiguriert. Für die Integration in Instandhaltungssysteme wurden geeignete Kommunikationsschnittstellen und -protokolle implementiert und die entsprechende Kommunikationsfähigkeit der Plattform hergestellt.
Im Einzelnen bietet die Plattform eine komplett digitale Datenstruktur, Abtastraten bis 400 kHz für eine synchrone und phasengenaue Abtastung für analoge und digitale Sensoren, breitbandige Messungen, austauschbare Algorithmen, skalierbare Rechenleistung, Sensordatenfusion, Kalibrierfunktion, Cloud-Integration und Vernetzung über verschiedene Techniken und Protokolle sowie die Anbindbarkeit an ERP-Systeme.
Markteinführung 2023 und Potenzial für weitere Anwendungen
„Mit Blick auf die aktuelle Dynamik beim Thema Energiesparen kommt die 2023 geplante Markteinführung zum richtigen Zeitpunkt,“ sagt Michael Münch, Geschäftsführer der SONOTEC GmbH. Über das Monitoring von Druckluftsystemen hinaus sehe er auch vielseitige Einsatzpotenziale in der vorausschauenden Instandhaltung (Predictive Maintenance), der Prozessüberwachung und der Qualitätssicherung. Die modulare Plattform-Architektur sei zudem so entwickelt, dass sich sehr spezifische Marktanfragen mit unterschiedlichen Sensorkombinationen effektiv bearbeiten ließen. „Wir gehen davon aus, dass sich mit der Technologie völlig neue Marktsegmente erschließen lassen“, so das Fazit von Münch.