Der Kunststein Beton wird heute oft und gerne als Baustoff verwendet. Er ist ein Gemisch aus Kies, Sand und Wasser mit Zement als Bindemittel. Während Beton - einmal ausgehärtet - hohen Druck aushalten kann, versagt er schon bei niedriger Zugbeanspruchung. Als Baustoff wurde er daher erst interessant, als sich dieser Nachteil durch Armieren mit Stahl wesentlich verbessern liess, da dieser die auftretenden Zugkräfte aufnehmen kann.
Fasern statt Stahlgitter
Überall dort, wo eine Armierung mit schweren und dicken Stahlgittern nicht nötig ist - etwa bei dünnen Kellerwänden, Industrieböden, Zementplatten, Spritzbeton, Tunnelauskleidungen, Fensterbänken - lassen sich die Schlag- und Biegezugfestigkeit des Betons durch Beigeben von Stahlfasern verbessern. Stahlfasern haben aber entscheidende Nachteile: sie können rosten, sind steif (Verletzungsgefahr) und schwer. Kunststofffasern stellen daher die ideale Alternative dar. Sollen nur Schwindrisse vermieden werden, reichen sogar Billigfasern mit beschränkten mechanischen Eigenschaften aus. Bei höheren Anforderungen waren bisher solche aus speziellen (und daher teuren) Polymeren nötig.
Der Empa-Physiker Josef Kaufmann und sein Team entwickelten nun in einem von der Förderagentur für Innovation (KTI) unterstützten Projekt zusammen mit der Faserfirma fibrotec ag als Industriepartner eine preiswerte Polymerfaser, die auch mechanisch hohen Anforderungen gerecht wird. Dabei kam ihnen ein neues Fertigungsverfahren zugute, das die Herstellung von Fasern aus zwei Komponenten ermöglicht. Der «Trick» dabei ist nämlich, dass der Faserkern aus kostengünstigem Polyproylen (PP) besteht, während nur der Fasermantel aus einem speziellen, «massgeschneiderten» Polymer gefertigt wird, das chemisch und mechanisch für den Einsatz in zementgebundenen Baumaterialien bestens geeignet ist.
Bis zur Marktreife war es jedoch ein weiter Weg. Zunächst mussten geeignete Polymer-«Rezept» gefunden werden. Danach ging es darum, Oberflächenstruktur, Faserdurchmesser und länge sowie das Verhältnis von Manteldicke zu Kerndurchmesser zu optimieren. Die Faserprototypen wurden jeweils im Empa-Labor der Abteilung «Beton/Bauchemie» getestet.
Das Endprodukt: ein «Powerpaket»
Für eine einfache Anwendung und Dosierbarkeit wurden die Fasern zu einem «Powerpaket» gepackt, das beim Betonhersteller oder im Fahrmischer dem Frischbeton einfach zugefügt werden kann. Dieses löst sich beim Mischen des Betons auf, die einzelnen Fasern werden frei und verteilen sich gleichmässig. «Mit nur fünf Kilogramm dieser Fasern können wir dreissig Kilogramm Stahlfasern ersetzen, wobei unsere Bikomponentenfasern um rund zehn Prozent günstiger zu stehen kommen als herkömmliche Stahlfasern» sagt Josef Kaufmann.