Portfolio-Management 2.0: Gesamtoptimierung ist die Kombination aus Interaktion mit Handels- und Regelmärkten sowie Eigenerzeugung
Keil erläuterte das Konzept von e2m: "Gesamtoptimierung bedeutet, dass industrielle und kommunale Verbraucher über die Schnittstelle e2m mit den Handels- und Regelmärkten interagieren unter Zuhilfenahme unserer 24/7-Handelskapazitäten und unseres Virtuellen Kraftwerks (VKW), das wir mit einer Gesamtleistung von 3.500 MW betreiben. Dabei wird die Energieerzeugung mit KWK (Kraft-Wärme-Kopplung), Power-to-Heat-Anlagen, Speichern und EEG-Anlagen ebenso berücksichtigt wie die Option, durch flexible industrielle Lasten und Prozesse bzw. über die Optimierung des Strombedarfs an den Marktchancen zu partizipieren."
Industrie profitiert von Flexibilität als Erzeuger
Steigende Stromkosten treffen heute insbesondere produzierende Unternehmen, die nicht zu den klassischen energieintensiven Industrien zählen. Das betrifft z.B. Betriebe der Fleischverarbeitung und Lebensmittelindustrie, aber auch Unternehmen der Textil- oder Pharmaindustrie. Die Stromkosten sind für diese überwiegend mittelständischen Unternehmen zu einem elementaren Problem geworden. Nach Nutzung der Stromeinsparpotenziale hält daher verstärkt die Eigenversorgungslösung z.B. mit BHKW (Blockheizkraftwerke) Einzug. Keil sieht weitgehend ungenutzte Potenziale zur Stromkostenreduzierung in der Industrie: "Die Eigenstromversorgung bietet wesentlich bessere Optionen für die Nutzung zusätzlicher Erlösquellen aufgrund von Flexibilitäten als die eigentlichen Produktionsprozesse, da diese nur eingeschränkt zu regeln sind. Bei der Eigenversorgung sehen wir ein Szenario als besonders vorteilhaft an, bei dem der eigene Strombedarf zu 100 Prozent abgedeckt wird und Energy2market als Schnittstelle zum Handelsmarkt preisgetrieben im 15 Minuten-Rhythmus eine Make-or-Buy-Entscheidung im Auftrage des Kunden trifft."
Grundvoraussetzung für diese kurzfristigen Reaktionen ist die Online-Verfügbarkeit aller relevanten Daten sowie die Definition des Flexibilitätsbands, in dem sich e2m als Dienstleister bewegen darf. Das bedeutet, dass e2m der übergeordneten Prozesssteuerung folgt und damit negative Einflüsse auf die Produktivität der industriellen Kernprozesse beim Kunden ausgeschlossen sind.
Stadtwerke sichern langfristig ihre Zukunft mit Mut zu neuen Partnerschaften
Stadtwerke mit konventionellen Erzeugungsanlagen sehen sich immer mehr mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre eigenen Anlagen nur noch mit hohem Energienutzungsgrad bzw. hoher Flexibilität wirtschaftlich betrieben werden können. Im Großhandelsmarkt sorgt ein Überangebot an Strom mit einem wachsenden regenerativen - d.h. privilegierten Anteil - seit Jahren für ein gleichbleibend niedriges Terminmarkt-Niveau mit der Tendenz zum weiteren Preisverfall. Gleichzeitig werden die kurzfristigen Märkte immer liquider und volatiler, was neben Risiken auch Chancen beinhaltet. In der Konsequenz heißt das für Stadtwerke, dass sie durch klassisches, langfristiges Portfolio-Management kaum noch Preisvorteile erzielen können, aber gleichzeitig auf der Vertriebsseite durch eine Vielzahl neuer Versorgungsanbieter in einem zunehmenden Preiswettbewerb stehen.
Handlungsoptionen für Stadtwerke und die Rolle von Energy2market
Keil ermunterte die Stadtwerke auf der Hannover Messe, die Chancen zu nutzen, die in den Marktveränderungen angelegt sind: "Die Instrumente dafür sind zeitgemäße und dynamische Modelle für die Energiebeschaffung sowie regionale Produkte und die zielgerichtete Nutzung aller Märkte zur Erlösverbesserung bei eigenen Erzeugungsanlagen. Selbst der verstärkte Trend der Stadtwerkekunden zur Energieautarkie kann für die Versorger nutzbar gemacht werden, wenn die richtigen Instrumente zum Einsatz kommen."
Das Konzept für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von e2m mit Stadtwerken, die über eigene BHKW verfügen, skizzierte Keil wie folgt: " Die BHKW arbeiten in der Regel wärmegeführt in Fernwärmenetzen und speisen den erzeugten Strom in das öffentliche Stromnetz ein. e2m verfügt hier über Know-how und Erfahrung, um Stadtwerke bei der Ergebnisoptimierung im Rahmen der Kraftwerkseinsatzplanung und einer optimierten Fahrweise zu unterstützen. Einerseits über Nutzung der Marktchancen in den Handels- und Regelmärkten, andererseits auch bei der Kostenoptimierung durch die Nutzung regulatorischer und steuerlicher Anreize bei der Erzeugung bzw. Strombeschaffung."
Der zentrale Punkt für die Optimierung der Erlössituation von Stadtwerken ist aus Sicht von Keil allerdings, dass sich Stadtwerke generell die notwendige Flexibilität sichern bzw. diese wieder herstellen. Langfristig laufende Vollstromverträge binden über Jahre ein Stadtwerk z.B. an den regionalen Versorger als Vorlieferant. Der Schlüssel für die Eröffnung von Handlungsoptionen zur Optimierung auf Stadtwerks-Ebene ist der eigene Bilanzkreis. Damit ist der Regionalversorger als Lieferant nicht ausgeschlossen, nur liefert er jetzt über den Bilanzkreis des Stadtwerks. Keil zog als Fazit auf der Hannover Messe: "Nach 15 Jahren Liberalisierung des Strommarkts sehen wir die Zeit gekommen, in ein aktives Portfolio-Management einzusteigen."