Doch wie weit verbreitet ist der Einsatz von KI und GenAI bereits in deutschen Unternehmen? Eine Studie des Bitkom zeigt, dass acht von zehn bisher noch abwarten, welche Ergebnisse andere Unternehmen mit KI erzielen, ehe sie selbst Zeit und Geld investieren. Und das trotz geringer Einstiegshürden in diesem Technologiebereich. Dies liegt vor allem daran, dass noch an vielen Stellen das Know-how fehlt. Technische Kompetenzen müssen vielfach erst auf- und ausgebaut werden, etwa durch gezieltes Training (Quelle: Bitkom Presseinformation (2024): KI im Büro: Unternehmen sehen großes Potenzial – aber zögern bei der Umsetzung).
Wer zu den Vorreitern in Sachen GenAI gehören will, sollte jetzt beginnen, die erforderliche Unternehmenskultur zu etablieren. Moaffak Assassa, CTO der Eucon Group, spricht im Interview über Pläne, die er bei neuen Technologien verfolgt, und wie GenAI bereits im Unternehmen eingesetzt und erprobt wird.
Herr Assassa, welche Anforderungen müssen Technologien wie GenAI aus deiner Sicht im Geschäftsalltag erfüllen?
Moaffak Assassa: Zunächst einmal muss Technologie immer einen Zweck erfüllen. Sie kann, wie wir es mit unseren Kunden und Partnern zusammen als Eucon zeigen, Kosten im Unternehmen sparen, Prozesse vereinfachen und die Effizienz steigern. Zudem hilft uns Technologie, neue Produkte und Innovationen zu entwickeln. Eine Technologie, die keinen Nutzen hat, sollte man auch nicht einsetzen.
Im konkreten Fall GenAI bedeutet das, dass wir uns zunächst überlegen, wo sie einen echten Mehrwert bietet. Gute Beispiele dafür sind Standardaufgaben, wie Formulare ausfüllen, Texte und Bilder generieren. Übernimmt GenAI diese Aufgaben, bleibt den Mitarbeitenden mehr Zeit für vertiefende Tätigkeiten. Damit können wir und auch unsere Kunden und Partner einige Folgen des Fachkräftemangels ausgleichen.
Um GenAI-Tools erfolgreich in Geschäftsabläufe zu integrieren, haben wir zunächst analysiert, wo wir die Effizienz von Prozessen verbessern können. Das Ziel ist nicht, neue Arbeitsschritte zu schaffen, sondern bestehende Aufgaben zu vereinfachen. Wir setzen zum Beispiel den GitHub Copilot ein. Der intelligente Assistent unterstützt unsere Entwicklerinnen und Entwickler bei der Programmierung. Außerdem erproben unsere Marketingabteilungen gerade, wie sie mithilfe von GenAI Early Drafts für Texte erstellen können. Denkbar wäre auf lange Sicht auch, neue Interaktionsmöglichkeiten für den Kundenkontakt zu nutzen, zum Beispiel Chatbots auf GenAI-Basis. Die Möglichkeiten, die ich sehe, sind vielfältig.
Boston Consulting Group definiert die drei Wertschöpfungsbereiche Deploy, Reshape und Invent, um das Potenzial von GenAI zu maximieren. Um bei dieser Einordnung zu bleiben: An welchen Schritten arbeiten Sie gerade aktiv, um GenAI in den Arbeitsalltag bei Eucon zu integrieren?
Moaffak Assassa: Bei Eucon verstehen wir GenAI bereits als Teil der Geschäftsstrategie. Wir möchten noch in diesem Jahr GenAI-Tools in den Alltag unserer Mitarbeitenden integrieren und genauso auch erste Produkte auf Basis von GenAI für unsere Kunden entwickeln. Wenn wir uns die genannten Hebel anschauen, sind wir in den Bereichen Deploy und Reshape schon besonders weit fortgeschritten.
Unter Deploy verstehen wir, dass wir Tools bereitstellen, die unsere tägliche Arbeit vereinfachen und uns einen Produktivitätszuwachs ermöglichen. Was sich im Arbeitsalltag bei uns bewährt, wird künftig fester Bestandteil unseres Technologie-Baukastens. Unsere Mitarbeitenden können beispielsweise mithilfe der KI der Datenbank von GitHub Milliarden von Codezeilen durchsuchen. So haben wir herausgefunden, dass unsere Entwicklerinnen und Entwickler zwar den generierten Code händisch nachbessern müssen, aber dennoch viel Zeit sparen und effizienter arbeiten. In Kommunikation und Marketing unterstützt der Copilot situativ, Texte und Bilder zu erstellen oder auch Daten von Kunden und Zielgruppen zu analysieren. Diese Erkenntnisse ermöglichen ein besseres Verständnis des Nutzerverhaltens, um personalisierte Marketingkampagnen zu erstellen. Die Mehrheit unserer Kolleginnen und Kollegen, die die Tools aktuell testen, möchten sie auch künftig weiter nutzen.
Reshape bedeutet für uns, dass wir kritische Funktionen bei Eucon neu denken und umgestalten. Wir wollen GenAI an genau diesen Stellen einsetzen, um hier unsere Effizienz und Effektivität ganz gezielt zu steigern. Auch dazu erproben wir gerade verschiedene Use Cases.
Im Bereich Invent arbeiten wir an ersten Ideen. Das Ziel ist, unsere Geschäftsmodelle auf Basis von GenAI neu zu denken und Produkte und Leistungen für unsere Kunden zu entwickeln. Die ersten Testballons in diesem Bereich haben wir bereits gestartet. Wie bei allen Tools, die wir einsetzen, steht das Thema Datenschutz für uns an oberster Stelle. Wir stellen sicher, dass die KI-Tools die Möglichkeit bieten, die Nutzung von Unternehmensdaten zum Training zu unterbinden. Daher verwenden wir nur ausschließlich für Unternehmen entwickelte Versionen mit entsprechenden Datenschutzregelungen. Zudem sind alle Mitarbeitenden verpflichtet, Kundendaten und Unternehmensnamen in ihren Eingaben auszulassen oder zu verfälschen. Damit erfüllen wir unsere hohen Ansprüche an den Datenschutz.
Wichtig ist, dass wir alle drei Bereiche als Teil der Geschäftsstrategie verankern. Denn nur, wenn unsere Mitarbeitenden in den internen Prozessen mit GenAI vertraut sind – und sie selbstverständlich zu ihrem Arbeitsalltag gehört –, können wir diese Technologie auch effektiv nutzen.
Und wie unterstützen Sie als CTO, bei Eucon eine AI-Culture zu etablieren?
Moaffak Assassa: Eucon ist ein Datenpionier. Technologisch am Puls der Zeit zu sein, ist seit unserer Gründung Unternehmenskultur. Unser Ziel ist es, diese Vorreiterrolle kontinuierlich weiter auszubauen. Künstliche Intelligenz ist bei uns nicht nur eine Technologie, sondern vor allem auch eine Haltung.
Grundsätzlich bedeuten die rasanten Veränderungen in Technologien und Prozessen auch für Eucon, dass wir flexibel bleiben und uns anpassen müssen. Wenn wir einen Weg sehen, der uns effizienter erscheint, wollen und sollten wir ihn ausprobieren, auch wenn das initial einen Arbeitsaufwand bedeutet. Nur so finden wir heraus, wo wir tatsächlich einen Mehrwert für unseren Arbeitsalltag und den unserer Kunden und Partner erreichen.
Damit das funktioniert, ist es enorm wichtig, dass wir unseren Mitarbeitenden ermöglichen, sich stetig weiterzubilden, zum Beispiel im Prompt Engineering. Dabei lernen die Mitarbeitenden, wie sie Aufgaben, die von der KI erledigt werden sollen, so formulieren, dass sie vom Sprachmodell der KI in prompt-basierte Datensätze – also für Maschinen verständliche Daten auf Basis natürlicher Sprache –umgewandelt werden können. Vereinfacht gesagt: der Mensch lernt, wie er der KI effiziente Arbeitsanweisungen gibt. Das versetzt sie in die Lage, sich nicht nur aus der Nutzerperspektive in die Technologie einzudenken, sondern auch aus der operativen Sicht. Unsere eigenen Erfahrungen zeigen, dass sich der Aufwand lohnt: Mit der Unterstützung von GenAI können unsere Mitarbeitenden mehr Bälle in der Luft halten, ohne stärker ins Schwitzen zu kommen. Das trägt nicht nur dazu bei, dass wir noch effizienter arbeiten. Es macht auch richtig Spaß und stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit am Markt.
Um eine echte AI-Culture zu etablieren, müssen wir nicht nur die Technologien beherrschen, sondern auch die richtige Einstellung dazu haben und sie an entscheidender Stelle vorleben. Das bedeutet eine agile Denkweise, offen sein für Veränderungen, ständig zu lernen und zu experimentieren. Wir sollten GenAI ganz klar als Chance sehen, nicht als Bedrohung. Führungskräfte können ihre Teams befähigen und unterstützen, GenAI sinnvoll und kreativ zu nutzen – insbesondere, indem sie Erfolge anerkennen und würdigen, die sich durch ihren Einsatz ergeben. So schaffen wir ein kontinuierliches Vertrauen und Begeisterung für neue Technologien im Unternehmen.