Welche Fragestellungen werden bei KI erforscht?
Bei Künstlicher Intelligenz geht es darum, die Fähigkeiten eines biologischen Gehirns in technische Problemlösungen zu überführen. So genanntes Maschinelles Lernen versetzt Algorithmen dabei in die Lage, das komplexe Lern- und Adaptionsvermögen des Menschen auf Rechenleistungen von Computern zu übertragen.
Die Wissenschaftler der Hochschule Stralsund arbeiten hierzu an wissensbasierten Rechner-Systemen sowie der Mustererkennung und deren Analyse, um Vorhersagen treffen zu können. Diese selbstlernenden Systeme unterstützen beispielsweise im medizinischen Bereich die Entscheidungsfindung, indem sie statistische Daten sehr präzise und schnell auswerten. Auch die Adaptive Robotik ist ein großes und vielbeachtetes Forschungsfeld an der Hochschule. Dabei geht es darum, dass sich insbesondere Industrieroboter mittels KI flexibel an sich ändernde Anforderungen anpassen.
Deshalb war die Gründung des KI-Clusters im November 2019 am Institute for Applied Computer Sciences (IACS) der Hochschule Stralsund konsequent. In den Kompetenzzentren des IACS wird die Forschung seit vielen Jahren gebündelt.
Dies sind die aktuellen Anwendungsfelder zur Künstlichen Intelligenz an der Hochschule Stralsund:
- Medizinische Entscheidungsfindung
- KI in der Gesundheit
- KI in der Robotik
- KI bei autonomen Mobilitätssystemen
- Grundlagenforschung
Beim KI-Symposium am 10.09.2020 wurde das breite Spektrum der anwendungsorientierten Forschungsaktivitäten in Stralsund deutlich:
Prof. Dr. André Grüning stellte das The Human Brain Project vor, welches in Kooperation u.a. mit der Universität Heidelberg und der Universität Manchester neue Lernregeln entwickelt, die vom menschlichen Gehirn inspiriert sind. Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz basierte bisher eher auf mathematischer Rechenleistung. Ziel des Projekts ist es, das maschinelle Lernen einer KI anzupassen an das kognitive Lernen eines biologischen Gehirns. Einen besonderen Aspekt stellt dabei der Energieverbrauch dar und die Forschung dazu, wie man Rechenleistung energieeffizienter macht. Denn das menschliche Gehirn verbraucht im übertragenen Sinne so viel Energie wie eine Glühbirne, während ein Großrechner, der eine vergleichbare Leistung bringt, so viel Energie verbraucht wie eine mittelgroße Stadt.
Im KI-Feld Data Science sind die Forschungsprojekte von Prof. Dr. Gero Szepannek angesiedelt, der die Integration des Menschen in die Umsetzung von KI-unterstützten Prozessen für weiterhin notwendig hält. Den Bereich Maschinelles Lernen der KI möchte er zukünftig auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) verfügbar machen: Mit Unterstützung einer an der Hochschule Stralsund entwickelten Software erhalten Unternehmen auch ohne Programmierkenntnisse die Möglichkeit, Konsequenzen ihres wirtschaftlichen Handelns zu diagnostizieren und Prognosen zu erstellen.
Im Bereich der medizinischen Entscheidungsfindung arbeiten Prof. Dr. Lieven Kennes und Prof. Dr. Thomas Mayrhofer. In Zusammenarbeit mit den Universitätskliniken Kiel und Ahlburg entwickelte Lieven Kennes für die Diagnostik bei Schmerzpatienten mit statistischen Verfahren ein mobiles Gerät, welches mit Künstlicher Intelligenz zu erstaunlich genauen Diagnosen kommt. Die Arbeiten von Thomas Mayrhofer nutzen die Künstliche Intelligenz, um auf der Basis von Röntgenbildern und wenigen Daten aus den Patientenakten innerhalb von 0,5 Sekunden Lungenkrebs diagnostizieren können.
Prof. Dr. Thomas Wengerek betreibt Grundlagenforschung auf dem Gebiet des Probabilistic Programming. Dieses noch junge Forschungsfeld soll dabei helfen, mit sehr wenigen Daten Unbestimmtheiten und Unsicherheiten, das sogenannte Rauschen, zu reduzieren, denn für Maschinelles Lernen wie Deep Learning benötigt es extrem große Datenmengen. Mit Probabilistic Programming könnten die meisten Prozesse im Machine Learning automatisiert werden, auch wenn solche Datenmengen nicht vorliegen, so Thomas Wengerek.
Gleich mehrere Forschungsprojekte hat Prof. Dr.-Ing. Christine Wahmkow in die Wege geleitet. Ein Projekt zur Spracherkennung durch Lippenlesen ist zum Beispiel für die Automobilindustrie interessant, da die akustische Spracherkennung für die Fahrzeugsteuerung gerade in lauter Umgebung unzureichend ist. Eine zusätzlich visuelle Spracherkennung, kann zur Verkehrssicherheit von autonom gesteuerten Fahrzeugen massiv beitragen.
Zusammen mit dem Master-Absolventen Omar Al Latif entwickelt die Expertin für Informatik im Maschinenbau außerdem eine Lösung für die Regelungstechnik bei instabilen dynamischen Systemen, die sich selbstständig in einen stabilen Zustand zurückversetzen können. Vergleichbar wirken ABS und die Elektronische Stabilitätskontrolle ESC bei Fahrzeugen in kritischen Fahrsituationen.
Ein drittes Projekt erforscht die schnellere und effizientere Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen. Mit KI können Wirkstoffe in der Medizin schneller identifiziert werden. Mit diesen Forschungsprojekten haben die beiden Absolventen Roman Vajen und Heiko Hillenhagen ihre Abschlussarbeiten durchgeführt.
Das Bündnis ArtIFARM entwickelt unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Mark Vehse neue Technologien und auf Künstlicher Intelligenz basierende Hilfsmittel für die Landwirtschaft. Hierzu haben sich Landmaschinenhersteller, Forschungseinrichtungen, IT-Firmen, Politik und engagierte Landwirte zusammengetan. Sie übertragen ihre Erfahrungen mit intelligenten Softwarelösungen und der Automatisierungstechnik aus Industrie 4.0-Projekten in die Landwirtschaft, so dass die Landwirte in der Region von Rügen bis zur Müritz große Datenmengen sinnvoll verarbeiten können. Denn Automatisierungs-Strategien, Sensortechnologien und die damit einhergehende Menge an Datensätzen und Regelparameter fordern nicht nur die Industrie heraus, sondern auch die moderne Landwirtschaft.
Verantwortung bei der Forschung
Zu Abschluss der Veranstaltung wies Prof. Dr.-Ing. Jens Ladisch, der Prorektor für Forschung, auf die gestiegene Verantwortung bei der Abschätzung von Fehlern hin, denn die Bewertung von Fehlern ist durch die nun wesentlich gesteigerten Entscheidungsmöglichkeiten deutlich komplexer geworden. Hier kann nach wie vor nicht auf den Menschen mit seiner intuitiven Intelligenz und seinem ethischen Verständnis verzichtet werden.
„Ich hoffe, dass in der Forschung zur Künstlichen Intelligenz an der Hochschule Stralsund auch Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebenswelt mitgedacht und kommuniziert werden, damit wir den Unsicherheiten der Bürger*innen begegnen können. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz sollte an der Sicherheit und am Gemeinwohl ausgerichtet sein.“