Wie fair ist der Wettbewerb, wenn ein Unternehmen wie Facebook über 2 Milliarden Nutzer aufweist und mit Hilfe von Milliarden von Daten nicht nur Wünsche erfüllt, sondern erzeugt? Wenn der Marktanteil von Google in Deutschland seit 2007 bei rund 90 Prozent liegt? Daten sind die Währung der digitalen Wirtschaft und je mehr Daten ein Anbieter nutzen kann, desto größer ist seine Marktmacht. Hohe eigene Mittel ermöglichen es, aufkeimende Konkurrenz aufzukaufen und sich so manche Innovation einzuverleiben. Die Situation Europas macht eine Zahl deutlich: Während die europäischen Verbraucher das Angebot der Plattformen im großen Maße nutzen, haben Plattforminhaber aus Europa bei der Marktkapitalisierung nur einen minimalen Anteil von 4 Prozent.
Das aktuelle digitale Zeitalter fordert nicht nur die Unternehmen heraus, sondern auch die Politik und den Gesetzgeber – so lautet die zentrale These des Gutachtens. Wie kann die notwendige Balance zwischen Innovationen und einem freien Datenfluss, dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen und die Achtung der Privatsphäre gefunden werden? Entspricht unser aktuelles Kartellrecht noch den Anforderungen der digitalen Wirtschaft? Kann es gegen Datenmonopolisten wirksam eingesetzt werden? Prof. Podszun gibt in seinem Gutachten notwendige Antworten: „In der Plattformökonomie wird ein Wettbewerb um den Markt ausgefochten – nicht auf dem Markt. Märkte könnten ‚kippen‘ und werden dann nur von ein oder zwei Plattformen bestimmt“.
Heute definieren die großen Plattformbetreiber die Märkte. Denn sie obliegen nicht den für andere Branchen geltenden haftungs-, steuer- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, weil sie ja nur als vermeintliche „Vermittler“ auftreten. Dass Verbraucher bei Plattformen, die suggerieren, die besten und billigsten Varianten herauszufiltern, nur die Ergebnisse angeboten bekommen, für die Unternehmen das meiste bezahlt haben, wird meist übersehen. Heute bestimmt also der Plattformbetreiber über Angebot und Nachfrage: Podszun erkennt darin „Elemente einer zentralen Planwirtschaft“. Die eigentlichen Produzenten verlieren den Kontakt, ihre Schnittstelle zum Kunden, Hilfsdienstleister schieben sich dazwischen, schränken die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher wie der Unternehmen nach ihrem Gusto ein. Sie werden somit zu regelrechten „Gatekeepern“.
Die notwendige regulatorische Antwort ist nach Prof. Podszun, dass „schneller, praxisnäher und technologie-sensitiver“ agiert wird und dass die EU einen „Rahmen für die Governance der Plattformen“ entwickelt. „Der Rahmen muss Regeln für Neutralität und Interoperabilität, Transparenz und Haftung“ enthalten, so das Gutachten weiter. Im Zentrum muss die Durchsetzung des Kartellrechts auch in der digitalen Wirtschaft bleiben. Die Änderungen des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) könnten als Ausgangspunkt auch für die europäische Ebene dienen. Bei allen regulatorischen Schritten muss der freie Datenfluss jedoch gewährleistet und der Zugang zu wesentlichen Daten sogar noch verbessert werden. Die bisherigen Prüfmechanismen des Wettbewerbsrechts anhand der klassischen Marktabgrenzung laufen bei digitalen Plattformen ins Leere. Die Grenzen zwischen den Märkten sind fließend, weder auf der Produkt- noch auf der Marktseite eindeutig definierbar. Die Marktmacht im digitalen Zeitalter lässt sich nicht mit statischen Indikatoren wie Konzentrationsgrad, Marktanteil, Preisniveau oder Gewinnmargen definieren, sondern benötigt Kriterien wie Netzwerkeffekte, Wechselkosten, Zugang zu relevanten Daten oder innovationsbedingten Wettbewerbsdruck, wie sie bereits im deutschen GWB eingeführt wurden.
Die vollständige Studie und eine Kurzzusammenfassung der Thesen zum Download finden Sie auf der Website der fpmi (www.fpmi.de).