"Wo bleibt die digitale Wirtschaft?" Unter diesem Motto stand das IT-Forum der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU Nordrhein-Westfalen, das am 10. Juni 2014 in den Räumen der biw Bank für Investments und Wertpapiere AG in Willich stattfand. Über 70 Gäste aus Politik und Wirtschaft sowie zahlreiche Bankenvertreter waren der Einladung gefolgt. Dirk Franzmeyer, Vorstandssprecher der biw AG, konnte ein hochkarätig besetztes Podium begrüßen: den CDU Generalsekretär Dr. Tauber (MdB), den MIT-Landesvorsitzenden Hendrik Wüst (MdL) sowie die erfolgreichen Unternehmer Matthias Albrecht (XCOM AG), Dr. Fabian Heilemann (Gründer von Daily Deal und Internet-Investor) und Rolf Schrömgens (Gründer von Trivago).
In seinem Eröffnungsstatement thematisierte Hendrik Wüst die Chancen der Digitalisierung und berief sich dabei unter anderem auf eine aktuelle Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung: Bereits der Ausbau von 10% der vorhandenen Internet-Anschlüsse zu Breitband-Verbindungen eröffne die Chance auf ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,9-1,5%, sagte der MIT-Landesvorsitzende. Dieses Potential werde jedoch in NRW nicht ausreichend genutzt. Das bevölkerungsreichste Bundesland investiere in sechs Jahren lediglich 87 Millionen Euro in diesem Bereich und versäume obendrein die Inanspruchnahme von EU-Fördermitteln für den Breitband-Ausbau. Bayern hingegen setze im gleichen Zeitraum rund 1,5 Milliarden Euro ein.
Die Dringlichkeit solcher Investitionen betonte auch der Generalsekretär der Bundes-CDU, Dr. Peter Tauber in seinem Impulsvortrag. Nur so sei gewährleistet, dass sich innovative mittelständische Unternehmen weiterhin außerhalb der Ballungszentren halten könnten. Wie sich dies realisieren lasse, zeige ein erfolgreiches Modell aus Hessen. Dort habe das Land Bürgschaften an drei Landkreise vergeben, die eigenständig die Breitband-Infrastruktur aufbauen. Refinanziert würden diese Investitionen durch Kooperationen mit Partnern, die anschließend die Infrastruktur mieten und die Anschlüsse für die Endkunden bereitstellen. Dies, so Tauber sei jedoch nur eins von zahlreichen positiven Beispielen. Generell habe die Politik die Relevanz des Themas "Digitale Revolution" erkannt. Dabei sei das Problem der Infrastruktur bei Weitem nicht das einzige, das gelöst werden müsse. Ebenso wichtig sei die Schaffung regulatorischer Rahmenbedingungen, die Innovationen fördern, statt sie zu verhindern. Um ein weiteres Wachstum der Digitalbranche, in der hierzulande bereits 900.000 Beschäftigte tätig sind, zu ermöglichen, müsse man alles tun, um kreative Köpfe im Land zu halten. In diesem Zusammenhang sei auch das Thema "Datenschutz" anzugehen, der in einigen Bereichen "neu gedacht" werden müsse.
Zur anschließenden Podiumsdiskussion, die souverän und fachkompetent von Dr. Rainer Fuchs (XCOM AG) moderiert wurde ging es zunächst um den Innovationsdruck in der Digitalbranche. Dieser führe dazu, dass IT-Unternehmen sich ständig neu erfinden müssten, sagte XCOM-Vorstandssprecher Matthias Albrecht. Dies belege die Geschichte seines Unternehmens, das eine Forschungs- und Entwicklungsquote von 15-20% des Umsatzes aufweise. Die Erfahrung zeige, dass reine Dienstleistungen zunehmend entwertet würden. Deshalb habe sich das Willicher Unternehmen als Betreiber einer eigenen Online-Bank, der biw AG, positioniert, um seine IT-Stärke weiterhin voll ausspielen zu können. Derzeit lege man besonders Augenmerk auf Anwendungen fürs mobile Internet, das doppelt so hohe Wachstumsraten aufweise wie das "alte" World Wide Web. Dabei spiele die "Appisierung der Software-Landschaft", also das Erleben von Software-Angeboten durch die Kunden, eine tragende Rolle. Darauf habe man mit der Entwicklung des mobilen Bezahlsystems "kesh" und des neuen Online-Banking-Angebots "benk" reagiert.
Zum Thema "regulatorische Rahmenbedingungen" lieferte Albrecht ein Beispiel aus der Praxis. Die XCOM AG kooperiere seit drei Jahren mit der Bundesdruckerei und liefere dieser regelmäßig zur Computermesse CeBIT Showcases zur Nutzung des neuen elektronischen Personalausweises (nPA) an Geldautomaten und zur Kontoeröffnung. Allerdings habe die Politik zugelassen, dass das neue Personaldokument mit Sicherheitsanforderungen überfrachtet wurde, dass sich weitere Verwaltungs- und kommerzielle Anwendungen kaum realisieren ließen. Dies behindere weitere Innovationen und schmälere die Akzeptanz bei den Bürgern; da man ihnen den Mehrwert des nPA nicht vermitteln könne.
Zur Auswirkung der Innovationen auf "traditionelle" Branchen äußerte sich Fabian Heilemann: "Die Tragweite der digitalen Revolution wurde unterschätzt", stellte der Internet-Unternehmer fest. So sei beispielsweise der Einzelhandel in seinen Grundfesten erschüttert worden. Nur Unternehmen die eine beherzte Digitalstrategie befolgten, hätten sich im Wettbewerb behaupten können. Dies gelte ebenso für die Verlagsbranche. Heilemann stellte auch Forderungen an die Politik: "Was wir Unternehmer und Gründer brauchen, sind konkrete Veränderungen bei den gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen: kluge Förderinstrumente hinter denen auch Geld steckt."
Gegen die Wahrnehmung des digitalen Wandels als Bedrohung wandte sich Rolf Schrömgens. Der Trivago-Gründer forderte die Unternehmen auf, stattdessen die sich bietenden Chancen zu nutzen. So eröffneten sich beispielsweise neue Vertriebskanäle für Produkte. Die von vielen beklagte Informationsflut befördere außerdem neue Geschäftsmodelle, die auf die Kanalisierung und Einordnung von Informationen setzten.
Zum Abschluss der Podiumsrunde bat Moderator Dr. Fuchs die Vertreter der digitalen Unternehmen um einen Blick in die Zukunft und fragte, wie sich ihrer Ansicht nach der Industrie-Standort Deutschland entwickeln werde. Für Matthias Albrecht gibt es nur einen Weg: "Wir werden uns von der traditionellen Fertigung wegbewegen und uns auf die Konstruktion beschränken. Nur so können wir uns im Zeitalter der Globalisierung behaupten. Unsere Gesellschaft wird also auf Wert schöpfende, intellektuelle Hochleistungssportler legen müssen."
Zu welchen gesellschaftlichen Verwerfungen dies führen werde, wollte Albrecht jedoch nicht beurteilen. Dieses Problem zu lösen, sei in der Hauptsache Aufgabe der Politik. Damit spielte der XCOM-Vorstandssprecher den Ball an die Volksvertreter zurück und lieferte den Veranstaltungsbesuchern, die nach der Expertenrunde weiter angeregt diskutierten, zusätzlichen Gesprächsstoff.