In ihrer Begrüßung geben Max-Ferdinand Stroh und Tobias Schröer, beide Bereichsleiter am FIR e. V. an der RWTH Aachen, einen Überblick zu den Themen des Tages: Digitalisierung, Technologietrends, Softwareeinführung und -projekte. Schröer und Stroh betonen den großen Stellenwert der Nachhaltigkeit, die in der Transformation eine herausragende Rolle spielt: „Der Prozess der Digitalisierung ist noch lange nicht abgeschlossen, er wird uns noch Jahrzehnte beschäftigen,“ so Schröer.
Das bestätigt auch Katharina Berwing, Leiterin Center Integrated Business Applications, in ihrem Impulsvortrag „Das Ärgernis Softwareprojekt“. Integrierte Business Applications können viele gesellschaftlich relevante Themen adressieren, doch immer noch beschäftigen sich Unternehmen eher mit der Einführung von Softwareprojekten, was die Konzentration auf die drängenden Herausforderungen unserer Zeit hemmt. Rund 20 % aller Einführungsprojekte scheitern vor dem Go-Live, aber auch in abgeschlossenen Projekten werden nur 25 % der gesteckten Ziele erreicht, das Budget wird um 42 % und die eingeplante Zeit um 32 % überschritten. In diesem Spannungsfeld zwischen Anbietern und Anwendern nimmt das Center seit vielen Jahren eine vermittelnde und vor allem neutrale Rolle ein und weiß aus Erfahrung, dass für den Erfolg von Projekten eine transparente Kommunikation und Ehrlichkeit im Projekt entscheidende Erfolgsfaktoren sind.
Bereits in Berwings Vortrag kommt die große Bedeutung des Change-Managements für den Erfolg von Softwareprojekten zum Ausdruck. Auch im Themenblock „Transformation: Den Weg zum digitalisierten Unternehmen ebnen“ ist dies ein von allen Referierenden besonders herausgestellter Punkt. Für den Projekterfolg ist es essenziell, eine Innovationskultur im Unternehmen zu etablieren. Darüber hinaus empfehlen alle Referierenden, den Prozessbeteiligten ausreichend freie Ressourcen einzurichten, damit die sie – und hier vor allem die Key User – die komplexen Anforderungen zusätzlich zum Tagesgeschäft bewältigen zu können.
Christoph Aretz, Rodriguez GmbH, sieht Softwareprojekte als eine Reise in Richtung Digitalisierung. Die Handlungsfelder betreffen das gesamte Unternehmen. Die Technologie ist nur eine Seite der Medaille; genauso wichtig ist es, die Digitalisierung in der Unternehmensstrategie zu verankern. Implementierungsprojekte sind deshalb auch keine reinen IT-Softwareprojekte. Von Erfahrungen lernen, motivieren, begeistern und Synergien schaffen, darum ging es auch im Vortrag von Dagmar Wirtz, 3WIN® Maschinenbau GmbH. Mit der digitalen Werkstatt „#mach4.0“ gibt sie Erfahrungen aus dem Digitalisierungsprozess des eigenen Maschinenbau-Unternehmens weiter an Mitarbeitende anderer KMU, die sich so zur „Fachkraft Digitalisierung im Maschinenbau“ entwickeln. Sie erleben die Vorteile der Digitalisierung anhand von Themen, die sie aus ihrer täglichen Arbeit kennen. Das sorgt für einen hohe Akzeptanz, motiviert und hilft, Ängste und Sorgen der Mitarbeitenden abzubauen. Wirtz macht die Erfahrung, dass dies insbesondere für KMU einen großen Mehrwert darstellt. Auch Uwe Tönsing, WAGO GmbH, berichtet, dass das Unternehmen bei der Integration von Mitarbeitenden auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern setzt, die als neutrale Personen mit den Beschäftigten interagieren. Ergänzt wird dies durch wöchentliche Runden mit Expert:innen, die allen Prozessbeteiligten im Unternehmen offenstehen.
Im zweiten Themenstrang „Tech-Trends: Von papierbasierter Fertigung zur vernetzten Produktion“ geht es um die Gestaltung von IT-Architekturen. Pia Brüggemann, Krone Business Center GmbH & Co. KG und Dr. Goy Hinrich Korn, Bernard Krone Holding SE & Co. KG zeigen in ihrem Vortrag den Aufbau und die Funktionalität einer skalierbaren, eventbasierten IT-Architektur als Voraussetzung für die Smart Factory im Krone GTS-Werk (Green Teuto Systemtechnik GmbH). Sie ermöglicht es, weitere Werke zu anzubinden und steigert die Transparenz über die Performance der gesamten Fertigung. Wie Krone setzt auch die Deutsche Nickel GmbH bei der Gestaltung ihrer IT-Architektur auf einen Brownfield-Ansatz, berichtet Unternehmensvertreter Felix Ebberg. Die Erweiterung bestehender Strukturen bietet gegenüber dem Aufbau völlig neuer Strukturen insbesondere im Change-Management Vorteile hinsichtlich Kosten, Zeit und Unterstützung durch alle Prozessbeteiligten. Ein Team aus digital-affinen Beschäftigten gewährleistet im regelmäßigen Austausch mit allen Prozessbeteiligten, dass neue Anwendungsfälle generiert werden und fördert darüber hinaus die Akzeptanz der Stakeholder.
Der Nachmittag startet mit Workshops zu spezifischen Anwendungsgebieten integrierter Business Applications und Führungen durch die Demonstrationsfabrik Aachen sowie die Innovationslabore im Cluster Smart Logistik. Im anschließenden Themenblock „Softwareeinführungsprojekte: Implementierungsprojekte erfolgreich meistern“ geht es um die „Knackpunkte“ einer erfolgreichen Softwareeinführung. Lukas Ludwig, Siemens Energy AG, präsentiert, wie das Unternehmen zu einer weltweit harmonisierten Digitalisierung von Produktionsprozessen kommt. Mit dem Ziel, organisch gewachsene IT-Landschaften zu standardisieren, um so eine höhere Transparenz zu erreichen, erstellte Siemens Energy eine MES-Landschaft für über 80 Standorte und implementierte die Software in den einzelnen Werken. Auch für Ludwig sind Organisation und Change-Management zentrale Herausforderungen im Projekt. Die Beschäftigten aller Werke müssen abgeholt und integriert werden. Der Auswahlprozess erfolgt daher unter Beteiligung von sehr vielen Werksvertreter:innen. Eine besondere Rolle im weltweiten Implementierungsprozess spielt das Wissensmanagement: Siemens Energy strukturiert die Learnings aus vergangenen Projekten in einem „Getting Started Guide“, von dem Mitarbeitende in Folgeprojekten profitieren. Dr. Benedikt Latos, Miele & Cie. KG, präsentiert die Einführung eines intelligenten Planungssystems für den Personaleinsatz, mit dem das Unternehmen sowohl die Produktivität der Mitarbeitenden als auch deren Zufriedenheit erhöhen will. Als besonders hilfreich erwies sich im Projekt die Einbindung des Betriebsrats. Dieser Dialog war für das Unternehmen wichtig, um Anforderungen zu definieren und Risiken abzuschätzen.
Im letzten Programmpunkt des Tages diskutieren Bernd Roßkampf, WEGENER International GmbH, Meikel Schiller, Hillebrand Coating, Robert Steinbauer, Asseco Solutions AG, und Peter Treutlein, Trovarit AG, zu Projektmanagement, Hürden und Learnings einer ERP-Implementierung. Dabei verdeutlichen sie die verschiedenen Perspektiven von Beratern, Anbietern und Kunden und geben den Besucher:innen ihre wichtigsten Learnings mit auf den Weg. Demzufolge sind Investitionen in das Team, die Teamentwicklung und eine offene Kommunikation wichtige Erfolgskriterien. Unternehmen sollten vor allem ausreichend Ressourcen und Zeit für die Projektarbeit bereitstellen. Wichtig ist es auch, den Scope im Vorfeld eines Projektes exakt zu definieren, um eine klare Ausgangsbasis sowie eine einheitliche Erwartungshaltung zu schaffen. Anbieter sollten im Projekt eine proaktivere Rolle einnehmen und über die Umsetzung von Kundenanforderungen hinausgehend beraten. Dabei ist auch die Chemie ausschlaggebend. Passt sie nicht, sollten Unternehmen den Berater oder den Anbieter rechtzeitig wechseln. Last but not least bestätigen alle an der Paneldiskussion Beteiligten, dass eine ERP-Implementierung allseits den Mut erfordert, Entscheidungen zu treffen. Ein Scheitern sollte deshalb nicht negativ bewertet, sondern als Learning genutzt werden.
Der CBA Aachen 2023 hielt für die Besucher:innen zahlreiche Einblicke und Impulse dazu bereit, wie sie durch die systematische Digitalisierung, Integration und Nutzung von Business Applications ihre internen Abläufe optimieren, in Wertschöpfungsnetzwerken kooperieren und neue Geschäftsfelder erschließen. Schröer und Stroh betonen in ihrer Zusammenfassung noch einmal die Rolle der Fachveranstaltung für die Verbindung von Anbietern und Anwendern. „Der CBA Aachen spiegelt die Quintessenz dessen wider, was wir das ganze Jahr über machen: Die Community pflegen und Fragen dazu beantworten, wie uns Business Software bei unseren Aufgaben hilft, wie wir sie weiterentwickeln und nutzen können. Letztendlich soll Software uns helfen, unsere Arbeit leichter zu machen“, schließen Schröer und Stroh die Veranstaltung. Der Termin für den CBA Aachen 2024 steht auch bereits fest. Am 19. Juni 2024 trifft sich die Community wieder, um über drängende Fragen integrierter Business Applications zu diskutieren. Interessierte können sich jetzt schon unverbindlich für die Teilnahme vormerken lassen. cba-aachen.de.