Eine internationale Jury, deren Mitglieder das Fraunhofer LBF beruft, wählte die Preisträger für den Ernst-Gaßner-Preis 2020 unter einer großen Anzahl nominierter Fachleute aus. Aufgrund der aktuellen Situation erfolgte in diesem Jahr die Preisverleihung erstmals digital. Im Rahmen einer Videobotschaft wurden Dr. Yung-Li Lee und Bruno Seufert am 09. April durch den Institutsleiter des Fraunhofer LBF, Professor Tobias Melz, und den Bereichsleiter Betriebsfestigkeit, Rüdiger Heim, offiziell ausgezeichnet.
Dr. Yung-Li Lee erhält den Ernst-Gaßner-Preis für seine hervorragenden Arbeiten in der Betriebsfestigkeit bei Fiat Chrysler Automobiles N.V. (FCA) in Michigan, USA. Lee trägt die Verantwortung für die Entwicklung und Implementierung fortschrittlicher Betriebsfestigkeitstechnologien für Design, Simulation und Test. Er ist auch Editor-in-Chief des International Journal of Materials and Manufacturing der Society of Automotive Engineers SAE, was ebenfalls seine Fähigkeiten im Sinne Ernst Gaßners unterstreicht.
Bruno Seufert ist seit 1990 für den Betriebsfestigkeitsversuch und seit 1998 für die komplette Betriebsfestigkeit im Bereich des Fahrwerks bei der Daimler AG verantwortlich. Unter seiner Leitung sind zahlreiche außerordentlich anspruchsvolle und erfolgreiche Fahrzeuginnovationen, einschließlich aktiver Komponenten im Fahrwerk sowie Leichtbauachsen, entstanden. Seufert unterstützt aktiv den Deutschen Verband für Materialforschung und -prüfung DVM und ist ein wesentliches und anerkanntes Mitglied im Kreis der Betriebsfestigkeitsexperten in Deutschland.
Seit 2002 lobt das Fraunhofer LBF den Ernst-Gaßner-Preis aus. Dem Namen des Institutsgründers Ernst Gaßner verpflichtet, zeichnet das Forschungsinstitut mit dem nach ihm benannten Preis die Arbeit von Ingenieuren aus, die eine Weiterentwicklung der Betriebsfestigkeit in Theorie und Praxis maßgeblich prägen. Kandidatinnen und Kandidaten müssen sich mit zeitlich veränderlichen Betriebslasten im Leichtbau, insbesondere von Sicherheitskomponenten, befassen sowie eine verantwortliche Position in einem Industrieunternehmen innehaben. Der Ernst-Gaßner-Preis ist mit einem Preisgeld dotiert und wurde in diesem Jahr zum siebten Mal verliehen. Mehr Information und die digitale Preisverleihung gibt es auf der Webseite:
www.lbf.fraunhofer.de/ega2020
Hintergrund
Professor Dr. Ernst Gaßner (1908 - 1988) lebte und forschte in Darmstadt. In den 1930er Jahren begründete er den Begriff „Betriebsfestigkeit“ – also die lebensdauerorientierte Verknüpfung der Festigkeit von Bauteilen und der im Betrieb auftretenden Lasten. Hierfür berücksichtigte er erstmals die zufallsartig auftretenden, in ihrer Höhe unterschiedlichen Wechsellasten, um Bauteile besonders leicht und trotzdem betriebssicher gestalten zu können. Professor Gaßner hat in Fachkreisen ein international hohes Ansehen erworben, das bis heute gilt. Das von Gaßner 1938 in Darmstadt mitbegründete Laboratorium für Betriebsfestigkeit trägt heute den Namen Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF.
Das von Ernst Gaßner in den dreißiger Jahren eingeführte Versuchsprogramm für Lebensdauerversuche ermöglichte erstmals die gezielte Entwicklung besonders leichter und zuverlässiger Bauteile. Das Grundprinzip seiner Arbeit – die Anwendung wechselnder und in ihrer Höhe unterschiedlicher Lasten für Versuche im Labor – ist auch heute noch die Voraussetzung für Lebensdauer und Qualität moderner Produkte unter dem Aspekt des Leichtbaus. Seine bahnbrechenden Arbeiten, die ersten Betriebsfestigkeitsversuche im Labor sowie der Ausbau der Betriebsfestigkeit zu einer echten Querschnittswissenschaft begründen seine bis heute andauernde große internationale Reputation als Forscher und Wissenschaftler. Gaßner prägte zu seiner Zeit die gesamte deutsche, europäische und amerikanische Fahrzeug- und Flugzeugindustrie sowie deren Zulieferer. Heute wird die Betriebsfestigkeit in der Automobil-, Bahn-, Luft- und Raumfahrtindustrie, aber auch in der Medizintechnik, in den Erneuerbaren Energien, in der Optik und im Maschinenbau angewendet.